man sie, aus Furcht oder Hofnung, die wiedri¬ gen Eindrücke, welche ihre Fehler und Gebre¬ chen würken, nicht empfinden lässt. Sie sehen sich als Wesen besserer Art an, von der Natur begünstigt, zu herrschen und zu regieren, die niedern Classen hingegen bestimmt, ihrem Egois¬ mus, ihrer Eitelkeit zu huldigen, ihre Launen zu ertragen, und ihren Phantasien zu schmei¬ cheln. Auf die Voraussetzung, daß die mehrsten Großen und Reichen größtentheils diesem Bilde gleichen, muß man sein Betragen im Umgange mit ihnen gründen. Um desto wohlthätiger zwar ist die Empfindung, wenn man unter ihnen Einen antrifft, der mit einem gewissen edeln Stol¬ ze, mit mehr Feinheit, Großmuth und besserer Cul¬ tur -- Vortheile, welche freylich eine zweck¬ mäßige, vornehme Erziehung gewähren kann! -- alle Privat-Tugenden verbindet. -- Und, noch einmal! es giebt Deren, selbst unter Fürsten -- aber sie sind dünne gesäet, und nicht immer macht der allgemeine Ruf sie uns bekannt. Auf diesen und auf die Posaunen der Zeitungsschrei¬ ber und Journalisten rathe ich, nicht zu sehr zu bauen. Ich habe oft mit inniger Betrübniß ge¬ sehn, wie so ganz anders der allgemein bewun¬
derte,
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man ſie, aus Furcht oder Hofnung, die wiedri¬ gen Eindruͤcke, welche ihre Fehler und Gebre¬ chen wuͤrken, nicht empfinden laͤſſt. Sie ſehen ſich als Weſen beſſerer Art an, von der Natur beguͤnſtigt, zu herrſchen und zu regieren, die niedern Claſſen hingegen beſtimmt, ihrem Egois¬ mus, ihrer Eitelkeit zu huldigen, ihre Launen zu ertragen, und ihren Phantaſien zu ſchmei¬ cheln. Auf die Vorausſetzung, daß die mehrſten Großen und Reichen groͤßtentheils dieſem Bilde gleichen, muß man ſein Betragen im Umgange mit ihnen gruͤnden. Um deſto wohlthaͤtiger zwar iſt die Empfindung, wenn man unter ihnen Einen antrifft, der mit einem gewiſſen edeln Stol¬ ze, mit mehr Feinheit, Großmuth und beſſerer Cul¬ tur — Vortheile, welche freylich eine zweck¬ maͤßige, vornehme Erziehung gewaͤhren kann! — alle Privat-Tugenden verbindet. — Und, noch einmal! es giebt Deren, ſelbſt unter Fuͤrſten — aber ſie ſind duͤnne geſaͤet, und nicht immer macht der allgemeine Ruf ſie uns bekannt. Auf dieſen und auf die Poſaunen der Zeitungsſchrei¬ ber und Journaliſten rathe ich, nicht zu ſehr zu bauen. Ich habe oft mit inniger Betruͤbniß ge¬ ſehn, wie ſo ganz anders der allgemein bewun¬
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man ſie, aus Furcht oder Hofnung, die wiedri¬
gen Eindruͤcke, welche ihre Fehler und Gebre¬
chen wuͤrken, nicht empfinden laͤſſt. Sie ſehen
ſich als Weſen beſſerer Art an, von der Natur
beguͤnſtigt, zu herrſchen und zu regieren, die
niedern Claſſen hingegen beſtimmt, ihrem Egois¬
mus, ihrer Eitelkeit zu huldigen, ihre Launen
zu ertragen, und ihren Phantaſien zu ſchmei¬
cheln. Auf die Vorausſetzung, daß die mehrſten
Großen und Reichen groͤßtentheils dieſem Bilde
gleichen, muß man ſein Betragen im Umgange
mit ihnen gruͤnden. Um deſto wohlthaͤtiger
zwar iſt die Empfindung, wenn man unter ihnen
Einen antrifft, der mit einem gewiſſen edeln Stol¬
ze, mit mehr Feinheit, Großmuth und beſſerer Cul¬
tur — Vortheile, welche freylich eine zweck¬
maͤßige, vornehme Erziehung gewaͤhren kann! —
alle Privat-Tugenden verbindet. — Und, noch
einmal! es giebt Deren, ſelbſt unter Fuͤrſten —
aber ſie ſind duͤnne geſaͤet, und nicht immer
macht der allgemeine Ruf ſie uns bekannt. Auf
dieſen und auf die Poſaunen der Zeitungsſchrei¬
ber und Journaliſten rathe ich, nicht zu ſehr zu
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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