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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

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11.

Faule und phlegmatische Menschen müs¬
sen ohne Unterlaß getrieben werden, und da
doch fast jeder Mensch irgend eine herrschende
Leidenschaft hat; so findet man zuweilen Gele¬
genheit, durch Aufrührung derselben, solche schläf¬
rige Geschöpfe in Bewegung zu setzen.

12.

Mistrauische, argwöhnische, mür¬
rische und verschlossene Leute sind wohl un¬
ter Allen die, in deren Umgange ein edler, gra¬
der Mann am wenigsten von den Freuden des
geselligen Lebens schmeckt. Wenn man jedes
Wort abwägen, jeden unbedeutenden Schritt ab¬
messen muß, um ihnen keine Gelegenheit zu
schändlichem Verdachte zu geben; wenn kein
Funken von erquickender Freude aus unserm
Herzen in das ihrige übergeht; wenn sie keinen
frohen Genuß mit uns theilen; wenn sie die
Wonne der seltenen heitern Augenblicke, welche
uns das Schicksal gönnt, nicht nur durch Man¬
gel an Theilnehmung uns unschmackhaft machen,
sondern sogar mitten in unsern glücklichsten Lau¬
nen, uns unfreundlich stören, aus unsern süße¬

sten
11.

Faule und phlegmatiſche Menſchen muͤſ¬
ſen ohne Unterlaß getrieben werden, und da
doch faſt jeder Menſch irgend eine herrſchende
Leidenſchaft hat; ſo findet man zuweilen Gele¬
genheit, durch Aufruͤhrung derſelben, ſolche ſchlaͤf¬
rige Geſchoͤpfe in Bewegung zu ſetzen.

12.

Mistrauiſche, argwoͤhniſche, muͤr¬
riſche und verſchloſſene Leute ſind wohl un¬
ter Allen die, in deren Umgange ein edler, gra¬
der Mann am wenigſten von den Freuden des
geſelligen Lebens ſchmeckt. Wenn man jedes
Wort abwaͤgen, jeden unbedeutenden Schritt ab¬
meſſen muß, um ihnen keine Gelegenheit zu
ſchaͤndlichem Verdachte zu geben; wenn kein
Funken von erquickender Freude aus unſerm
Herzen in das ihrige uͤbergeht; wenn ſie keinen
frohen Genuß mit uns theilen; wenn ſie die
Wonne der ſeltenen heitern Augenblicke, welche
uns das Schickſal goͤnnt, nicht nur durch Man¬
gel an Theilnehmung uns unſchmackhaft machen,
ſondern ſogar mitten in unſern gluͤcklichſten Lau¬
nen, uns unfreundlich ſtoͤren, aus unſern ſuͤße¬

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[218/0240] 11. Faule und phlegmatiſche Menſchen muͤſ¬ ſen ohne Unterlaß getrieben werden, und da doch faſt jeder Menſch irgend eine herrſchende Leidenſchaft hat; ſo findet man zuweilen Gele¬ genheit, durch Aufruͤhrung derſelben, ſolche ſchlaͤf¬ rige Geſchoͤpfe in Bewegung zu ſetzen. 12. Mistrauiſche, argwoͤhniſche, muͤr¬ riſche und verſchloſſene Leute ſind wohl un¬ ter Allen die, in deren Umgange ein edler, gra¬ der Mann am wenigſten von den Freuden des geſelligen Lebens ſchmeckt. Wenn man jedes Wort abwaͤgen, jeden unbedeutenden Schritt ab¬ meſſen muß, um ihnen keine Gelegenheit zu ſchaͤndlichem Verdachte zu geben; wenn kein Funken von erquickender Freude aus unſerm Herzen in das ihrige uͤbergeht; wenn ſie keinen frohen Genuß mit uns theilen; wenn ſie die Wonne der ſeltenen heitern Augenblicke, welche uns das Schickſal goͤnnt, nicht nur durch Man¬ gel an Theilnehmung uns unſchmackhaft machen, ſondern ſogar mitten in unſern gluͤcklichſten Lau¬ nen, uns unfreundlich ſtoͤren, aus unſern ſuͤße¬ ſten

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/240>, abgerufen am 21.11.2024.