gen, sich auf anständige Weise in die Unterhal¬ tung zu mischen; und man wird sich wundern, welch' ein ganz andrer Mensch aus ihm werden kann: Wie oft habe ich mich innerlich geärgert über die Art, mit welcher zuweilen Staabs-Of¬ ficiers jungen Leuten begegnen, die doch schon die erste Stufe erstiegen haben, um zu werden, was Jene sind; wie die Hofmeister in großen Häusern, die Gesellschafterinnen vornehmer Thö¬ rinnen, die Auditoren auf manchen Aemtern, die armen Landmädgen in den Cirkeln der dür¬ ren Stadt-Fräulein, die Candidaten an den Ta¬ feln feister Consistorialräthe und die jungen Kauf¬ mannsdiener in dem Gesellschaften ihrer Patrone behandelt werden; und wo mein Betragen nur irgend von Gewicht seyn konnte, da rechnete ich es mir immer zur Ehre, solche Märtirer des Hochmuths aus ihrer peinlichen Lage zu reissen, mich Ihrer anzunehmen und mit ihnen zureden, wenn jedermann sie stehn ließ.
Unter allen Unglücklichen sind wohl die Ver¬ irrten nnd Gefallenen am mehrsten zu bedauern. Hierunter verstehe ich Solche, die, vielleicht durch einen einzigen begangenen Fehltritt in
ei¬
gen, ſich auf anſtaͤndige Weiſe in die Unterhal¬ tung zu miſchen; und man wird ſich wundern, welch' ein ganz andrer Menſch aus ihm werden kann: Wie oft habe ich mich innerlich geaͤrgert uͤber die Art, mit welcher zuweilen Staabs-Of¬ ficiers jungen Leuten begegnen, die doch ſchon die erſte Stufe erſtiegen haben, um zu werden, was Jene ſind; wie die Hofmeiſter in großen Haͤuſern, die Geſellſchafterinnen vornehmer Thoͤ¬ rinnen, die Auditoren auf manchen Aemtern, die armen Landmaͤdgen in den Cirkeln der duͤr¬ ren Stadt-Fraͤulein, die Candidaten an den Ta¬ feln feiſter Conſiſtorialraͤthe und die jungen Kauf¬ mannsdiener in dem Geſellſchaften ihrer Patrone behandelt werden; und wo mein Betragen nur irgend von Gewicht ſeyn konnte, da rechnete ich es mir immer zur Ehre, ſolche Maͤrtirer des Hochmuths aus ihrer peinlichen Lage zu reiſſen, mich Ihrer anzunehmen und mit ihnen zureden, wenn jedermann ſie ſtehn ließ.
Unter allen Ungluͤcklichen ſind wohl die Ver¬ irrten nnd Gefallenen am mehrſten zu bedauern. Hierunter verſtehe ich Solche, die, vielleicht durch einen einzigen begangenen Fehltritt in
ei¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0216"n="194"/>
gen, ſich auf anſtaͤndige Weiſe in die Unterhal¬<lb/>
tung zu miſchen; und man wird ſich wundern,<lb/>
welch' ein ganz andrer Menſch aus ihm werden<lb/>
kann: Wie oft habe ich mich innerlich geaͤrgert<lb/>
uͤber die Art, mit welcher zuweilen Staabs-Of¬<lb/>
ficiers jungen Leuten begegnen, die doch ſchon<lb/>
die erſte Stufe erſtiegen haben, um zu werden,<lb/>
was Jene ſind; wie die Hofmeiſter in großen<lb/>
Haͤuſern, die Geſellſchafterinnen vornehmer Thoͤ¬<lb/>
rinnen, die Auditoren auf manchen Aemtern,<lb/>
die armen Landmaͤdgen in den Cirkeln der duͤr¬<lb/>
ren Stadt-Fraͤulein, die Candidaten an den Ta¬<lb/>
feln feiſter Conſiſtorialraͤthe und die jungen Kauf¬<lb/>
mannsdiener in dem Geſellſchaften ihrer Patrone<lb/>
behandelt werden; und wo mein Betragen nur<lb/>
irgend von Gewicht ſeyn konnte, da rechnete ich<lb/>
es mir immer zur Ehre, ſolche Maͤrtirer des<lb/>
Hochmuths aus ihrer peinlichen Lage zu reiſſen,<lb/>
mich Ihrer anzunehmen und mit ihnen zureden,<lb/>
wenn jedermann ſie ſtehn ließ.</p><lb/><p>Unter allen Ungluͤcklichen ſind wohl die Ver¬<lb/>
irrten nnd Gefallenen am mehrſten zu bedauern.<lb/>
Hierunter verſtehe ich Solche, die, vielleicht<lb/>
durch einen einzigen begangenen Fehltritt in<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ei¬<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[194/0216]
gen, ſich auf anſtaͤndige Weiſe in die Unterhal¬
tung zu miſchen; und man wird ſich wundern,
welch' ein ganz andrer Menſch aus ihm werden
kann: Wie oft habe ich mich innerlich geaͤrgert
uͤber die Art, mit welcher zuweilen Staabs-Of¬
ficiers jungen Leuten begegnen, die doch ſchon
die erſte Stufe erſtiegen haben, um zu werden,
was Jene ſind; wie die Hofmeiſter in großen
Haͤuſern, die Geſellſchafterinnen vornehmer Thoͤ¬
rinnen, die Auditoren auf manchen Aemtern,
die armen Landmaͤdgen in den Cirkeln der duͤr¬
ren Stadt-Fraͤulein, die Candidaten an den Ta¬
feln feiſter Conſiſtorialraͤthe und die jungen Kauf¬
mannsdiener in dem Geſellſchaften ihrer Patrone
behandelt werden; und wo mein Betragen nur
irgend von Gewicht ſeyn konnte, da rechnete ich
es mir immer zur Ehre, ſolche Maͤrtirer des
Hochmuths aus ihrer peinlichen Lage zu reiſſen,
mich Ihrer anzunehmen und mit ihnen zureden,
wenn jedermann ſie ſtehn ließ.
Unter allen Ungluͤcklichen ſind wohl die Ver¬
irrten nnd Gefallenen am mehrſten zu bedauern.
Hierunter verſtehe ich Solche, die, vielleicht
durch einen einzigen begangenen Fehltritt in
ei¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/216>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.