empfindelnden Freundes zu wählen, und an die¬ ses Mannes Seite die Gedanken auf andre Ge¬ genstände zu richten, die seinen Schmerz nicht nähren.
Der Unterdrückten, Zurückgesetzten und Verfolgten soll man sich annehmen, in so fern es die Klugheit erlaubt, und wir ihnen dadurch nicht etwa mehr schaden, als nützen. Dies ist nicht nur Pflicht, wenn von thätiger Hülfe und Rettung des ehrlichen Namens die Rede ist; sondern man soll es sich auch zum Gesetze machen, im gesellschaftlichen Umgange, wo das beschei¬ dene Verdienst so oft übersehn und von leeren Windbeuteln über die Achsel angeschauet wird, wo Rang und Glanz den innern Werth verdun¬ keln, und der Schwätzer und Persiffleur den Weisen überschreien, in diesen Cirkeln den guten Mann, der stumm und verlegen dasteht, von niemand angeredet, ja! mit Verachtung behan¬ delt, gedemüthigt, lächerlich gemacht wird, aus seinem Winkel hervorzuholen, und ihn durch eh¬ renvolles, freundliches Zureden in gute Laune zu setzen. Man gebe einem Solchen nur Gelegen¬ heit, sich von einer vortheilhaften Seite zu zei¬
gen,
(Zweiter Th.) N
empfindelnden Freundes zu waͤhlen, und an die¬ ſes Mannes Seite die Gedanken auf andre Ge¬ genſtaͤnde zu richten, die ſeinen Schmerz nicht naͤhren.
Der Unterdruͤckten, Zuruͤckgeſetzten und Verfolgten ſoll man ſich annehmen, in ſo fern es die Klugheit erlaubt, und wir ihnen dadurch nicht etwa mehr ſchaden, als nuͤtzen. Dies iſt nicht nur Pflicht, wenn von thaͤtiger Huͤlfe und Rettung des ehrlichen Namens die Rede iſt; ſondern man ſoll es ſich auch zum Geſetze machen, im geſellſchaftlichen Umgange, wo das beſchei¬ dene Verdienſt ſo oft uͤberſehn und von leeren Windbeuteln uͤber die Achſel angeſchauet wird, wo Rang und Glanz den innern Werth verdun¬ keln, und der Schwaͤtzer und Perſiffleur den Weiſen uͤberſchreien, in dieſen Cirkeln den guten Mann, der ſtumm und verlegen daſteht, von niemand angeredet, ja! mit Verachtung behan¬ delt, gedemuͤthigt, laͤcherlich gemacht wird, aus ſeinem Winkel hervorzuholen, und ihn durch eh¬ renvolles, freundliches Zureden in gute Laune zu ſetzen. Man gebe einem Solchen nur Gelegen¬ heit, ſich von einer vortheilhaften Seite zu zei¬
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(Zweiter Th.) N
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empfindelnden Freundes zu waͤhlen, und an die¬
ſes Mannes Seite die Gedanken auf andre Ge¬
genſtaͤnde zu richten, die ſeinen Schmerz nicht
naͤhren.
Der Unterdruͤckten, Zuruͤckgeſetzten und
Verfolgten ſoll man ſich annehmen, in ſo fern
es die Klugheit erlaubt, und wir ihnen dadurch
nicht etwa mehr ſchaden, als nuͤtzen. Dies iſt
nicht nur Pflicht, wenn von thaͤtiger Huͤlfe und
Rettung des ehrlichen Namens die Rede iſt;
ſondern man ſoll es ſich auch zum Geſetze machen,
im geſellſchaftlichen Umgange, wo das beſchei¬
dene Verdienſt ſo oft uͤberſehn und von leeren
Windbeuteln uͤber die Achſel angeſchauet wird,
wo Rang und Glanz den innern Werth verdun¬
keln, und der Schwaͤtzer und Perſiffleur den
Weiſen uͤberſchreien, in dieſen Cirkeln den guten
Mann, der ſtumm und verlegen daſteht, von
niemand angeredet, ja! mit Verachtung behan¬
delt, gedemuͤthigt, laͤcherlich gemacht wird, aus
ſeinem Winkel hervorzuholen, und ihn durch eh¬
renvolles, freundliches Zureden in gute Laune zu
ſetzen. Man gebe einem Solchen nur Gelegen¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/215>, abgerufen am 21.11.2024.
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