Keine Leidenschaft kann so weit führen, keine kann den Jüngling, den Mann und ganze Familien in ein grenzenloseres Elend stürzen, keine den Menschen in eine solche Kettenreyhe von Verbrechen und Lastern verwickeln, als die vermaladeyete Spielsucht. Sie erzeugt und nährt alle nur ersinnlichen unedlen Empfindun¬ gen: Habsucht, Neid, Haß, Zorn, Schaden¬ freude, Verstellung, Falschheit und Vertrauen auf blindes Glück; Sie kann zu Betrug, Zank, Mord, Niederträchtigkeit und Verzweiflung füh¬ ren, und tödtet auf die unverantwortlichste Weise die goldene Zeit. Wer reich ist, der thut thö¬ richt, wenn er sein Geld auf so ungewisse Spe¬ culation anlegt, und wer nicht viel zu wagen hat, der muß furchtsam spielen, kann die Lau¬ nen des Glücks nicht abwarten, sondern muß bey dem ersten wiedrigen Schlage das Feld räu¬ men, oder er wagt es darauf, aus einem Dürf¬ tigen, ein Bettler zu werden. Doch ist die Thor¬ heit der Ersteren noch weit größer, als die der Letzteren. Selten stirbt der Spieler als ein reicher Mann; Wer daher auf diesem elenden Wege Vermögen erworben hat, und dann nicht aufhört zu spielen; der hat zehnfaches Unrecht.
Hüte
Keine Leidenſchaft kann ſo weit fuͤhren, keine kann den Juͤngling, den Mann und ganze Familien in ein grenzenloſeres Elend ſtuͤrzen, keine den Menſchen in eine ſolche Kettenreyhe von Verbrechen und Laſtern verwickeln, als die vermaladeyete Spielſucht. Sie erzeugt und naͤhrt alle nur erſinnlichen unedlen Empfindun¬ gen: Habſucht, Neid, Haß, Zorn, Schaden¬ freude, Verſtellung, Falſchheit und Vertrauen auf blindes Gluͤck; Sie kann zu Betrug, Zank, Mord, Niedertraͤchtigkeit und Verzweiflung fuͤh¬ ren, und toͤdtet auf die unverantwortlichſte Weiſe die goldene Zeit. Wer reich iſt, der thut thoͤ¬ richt, wenn er ſein Geld auf ſo ungewiſſe Spe¬ culation anlegt, und wer nicht viel zu wagen hat, der muß furchtſam ſpielen, kann die Lau¬ nen des Gluͤcks nicht abwarten, ſondern muß bey dem erſten wiedrigen Schlage das Feld raͤu¬ men, oder er wagt es darauf, aus einem Duͤrf¬ tigen, ein Bettler zu werden. Doch iſt die Thor¬ heit der Erſteren noch weit groͤßer, als die der Letzteren. Selten ſtirbt der Spieler als ein reicher Mann; Wer daher auf dieſem elenden Wege Vermoͤgen erworben hat, und dann nicht aufhoͤrt zu ſpielen; der hat zehnfaches Unrecht.
Huͤte
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Keine Leidenſchaft kann ſo weit fuͤhren,
keine kann den Juͤngling, den Mann und ganze
Familien in ein grenzenloſeres Elend ſtuͤrzen,
keine den Menſchen in eine ſolche Kettenreyhe
von Verbrechen und Laſtern verwickeln, als die
vermaladeyete Spielſucht. Sie erzeugt und
naͤhrt alle nur erſinnlichen unedlen Empfindun¬
gen: Habſucht, Neid, Haß, Zorn, Schaden¬
freude, Verſtellung, Falſchheit und Vertrauen
auf blindes Gluͤck; Sie kann zu Betrug, Zank,
Mord, Niedertraͤchtigkeit und Verzweiflung fuͤh¬
ren, und toͤdtet auf die unverantwortlichſte Weiſe
die goldene Zeit. Wer reich iſt, der thut thoͤ¬
richt, wenn er ſein Geld auf ſo ungewiſſe Spe¬
culation anlegt, und wer nicht viel zu wagen
hat, der muß furchtſam ſpielen, kann die Lau¬
nen des Gluͤcks nicht abwarten, ſondern muß
bey dem erſten wiedrigen Schlage das Feld raͤu¬
men, oder er wagt es darauf, aus einem Duͤrf¬
tigen, ein Bettler zu werden. Doch iſt die Thor¬
heit der Erſteren noch weit groͤßer, als die der
Letzteren. Selten ſtirbt der Spieler als ein
reicher Mann; Wer daher auf dieſem elenden
Wege Vermoͤgen erworben hat, und dann nicht
aufhoͤrt zu ſpielen; der hat zehnfaches Unrecht.
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/178>, abgerufen am 27.11.2024.
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