Und dann würde, des Contrastes wegen, das Gegenbild keine üble Würkung machen -- Das Bild eines Mannes, der, nachdem ein halbes Jahrhundert hindurch die vortreflichsten Werke durch seine schmutzigen, geldgierigen Finger ge¬ gangen, noch immer eben so unwissend und dumm geblieben -- ausser was die kleinen Wu¬ cher-Künste betrifft -- als ein zehnjähriger Knabe; der Manuscripte und neue Bücher nach der Dicke, nach dem Titel, und nach dem Ver¬ hältnisse schätzt und kauft, nach welchem er ver¬ muthen kann, daß ein von falschem Geschmacke irregeleitetes Publicum darnach greifen wird; der, um diesen falschen Geschmack zu unterhal¬ ten, durch unbärtige Knaben jämmerliche Bro¬ schüren, Romänchen und Märchen schreiben, und unter seiner Firma in die Welt gehn lässt; der die erbärmlichste Schmiererey, deren Nichts¬ würdigkeit er selbst fühlt, durch einen viel ver¬ sprechenden Mode-Titel, oder durch saubre Bildlein aufgestutzt, nach Frankfurth und Leip¬ zig schleppt, und für diese Lumpereyen ein schän¬ dendes Lob von feilen Rezensenten erkauft; der den Mann von Talenten wie einen Taglöhner behandelt und bezahlt, von der eingeschränkten
häus¬
I 3
Und dann wuͤrde, des Contraſtes wegen, das Gegenbild keine uͤble Wuͤrkung machen — Das Bild eines Mannes, der, nachdem ein halbes Jahrhundert hindurch die vortreflichſten Werke durch ſeine ſchmutzigen, geldgierigen Finger ge¬ gangen, noch immer eben ſo unwiſſend und dumm geblieben — auſſer was die kleinen Wu¬ cher-Kuͤnſte betrifft — als ein zehnjaͤhriger Knabe; der Manuſcripte und neue Buͤcher nach der Dicke, nach dem Titel, und nach dem Ver¬ haͤltniſſe ſchaͤtzt und kauft, nach welchem er ver¬ muthen kann, daß ein von falſchem Geſchmacke irregeleitetes Publicum darnach greifen wird; der, um dieſen falſchen Geſchmack zu unterhal¬ ten, durch unbaͤrtige Knaben jaͤmmerliche Bro¬ ſchuͤren, Romaͤnchen und Maͤrchen ſchreiben, und unter ſeiner Firma in die Welt gehn laͤſſt; der die erbaͤrmlichſte Schmiererey, deren Nichts¬ wuͤrdigkeit er ſelbſt fuͤhlt, durch einen viel ver¬ ſprechenden Mode-Titel, oder durch ſaubre Bildlein aufgeſtutzt, nach Frankfurth und Leip¬ zig ſchleppt, und fuͤr dieſe Lumpereyen ein ſchaͤn¬ dendes Lob von feilen Rezenſenten erkauft; der den Mann von Talenten wie einen Tagloͤhner behandelt und bezahlt, von der eingeſchraͤnkten
haͤus¬
I 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0155"n="133"/>
Und dann wuͤrde, des Contraſtes wegen, das<lb/>
Gegenbild keine uͤble Wuͤrkung machen — Das<lb/>
Bild eines Mannes, der, nachdem ein halbes<lb/>
Jahrhundert hindurch die vortreflichſten Werke<lb/>
durch ſeine ſchmutzigen, geldgierigen Finger ge¬<lb/>
gangen, noch immer eben ſo unwiſſend und<lb/>
dumm geblieben — auſſer was die kleinen Wu¬<lb/>
cher-Kuͤnſte betrifft — als ein zehnjaͤhriger<lb/>
Knabe; der Manuſcripte und neue Buͤcher nach<lb/>
der Dicke, nach dem Titel, und nach dem Ver¬<lb/>
haͤltniſſe ſchaͤtzt und kauft, nach welchem er ver¬<lb/>
muthen kann, daß ein von falſchem Geſchmacke<lb/>
irregeleitetes Publicum darnach greifen wird;<lb/>
der, um dieſen falſchen Geſchmack zu unterhal¬<lb/>
ten, durch unbaͤrtige Knaben jaͤmmerliche Bro¬<lb/>ſchuͤren, Romaͤnchen und Maͤrchen ſchreiben,<lb/>
und unter ſeiner Firma in die Welt gehn laͤſſt;<lb/>
der die erbaͤrmlichſte Schmiererey, deren Nichts¬<lb/>
wuͤrdigkeit er ſelbſt fuͤhlt, durch einen viel ver¬<lb/>ſprechenden Mode-Titel, oder durch ſaubre<lb/>
Bildlein aufgeſtutzt, nach Frankfurth und Leip¬<lb/>
zig ſchleppt, und fuͤr dieſe Lumpereyen ein ſchaͤn¬<lb/>
dendes Lob von feilen Rezenſenten erkauft; der<lb/>
den Mann von Talenten wie einen Tagloͤhner<lb/>
behandelt und bezahlt, von der eingeſchraͤnkten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">I 3<lb/></fw><fwplace="bottom"type="catch">haͤus¬<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[133/0155]
Und dann wuͤrde, des Contraſtes wegen, das
Gegenbild keine uͤble Wuͤrkung machen — Das
Bild eines Mannes, der, nachdem ein halbes
Jahrhundert hindurch die vortreflichſten Werke
durch ſeine ſchmutzigen, geldgierigen Finger ge¬
gangen, noch immer eben ſo unwiſſend und
dumm geblieben — auſſer was die kleinen Wu¬
cher-Kuͤnſte betrifft — als ein zehnjaͤhriger
Knabe; der Manuſcripte und neue Buͤcher nach
der Dicke, nach dem Titel, und nach dem Ver¬
haͤltniſſe ſchaͤtzt und kauft, nach welchem er ver¬
muthen kann, daß ein von falſchem Geſchmacke
irregeleitetes Publicum darnach greifen wird;
der, um dieſen falſchen Geſchmack zu unterhal¬
ten, durch unbaͤrtige Knaben jaͤmmerliche Bro¬
ſchuͤren, Romaͤnchen und Maͤrchen ſchreiben,
und unter ſeiner Firma in die Welt gehn laͤſſt;
der die erbaͤrmlichſte Schmiererey, deren Nichts¬
wuͤrdigkeit er ſelbſt fuͤhlt, durch einen viel ver¬
ſprechenden Mode-Titel, oder durch ſaubre
Bildlein aufgeſtutzt, nach Frankfurth und Leip¬
zig ſchleppt, und fuͤr dieſe Lumpereyen ein ſchaͤn¬
dendes Lob von feilen Rezenſenten erkauft; der
den Mann von Talenten wie einen Tagloͤhner
behandelt und bezahlt, von der eingeſchraͤnkten
haͤus¬
I 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/155>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.