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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

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Und dann würde, des Contrastes wegen, das
Gegenbild keine üble Würkung machen -- Das
Bild eines Mannes, der, nachdem ein halbes
Jahrhundert hindurch die vortreflichsten Werke
durch seine schmutzigen, geldgierigen Finger ge¬
gangen, noch immer eben so unwissend und
dumm geblieben -- ausser was die kleinen Wu¬
cher-Künste betrifft -- als ein zehnjähriger
Knabe; der Manuscripte und neue Bücher nach
der Dicke, nach dem Titel, und nach dem Ver¬
hältnisse schätzt und kauft, nach welchem er ver¬
muthen kann, daß ein von falschem Geschmacke
irregeleitetes Publicum darnach greifen wird;
der, um diesen falschen Geschmack zu unterhal¬
ten, durch unbärtige Knaben jämmerliche Bro¬
schüren, Romänchen und Märchen schreiben,
und unter seiner Firma in die Welt gehn lässt;
der die erbärmlichste Schmiererey, deren Nichts¬
würdigkeit er selbst fühlt, durch einen viel ver¬
sprechenden Mode-Titel, oder durch saubre
Bildlein aufgestutzt, nach Frankfurth und Leip¬
zig schleppt, und für diese Lumpereyen ein schän¬
dendes Lob von feilen Rezensenten erkauft; der
den Mann von Talenten wie einen Taglöhner
behandelt und bezahlt, von der eingeschränkten

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Und dann wuͤrde, des Contraſtes wegen, das
Gegenbild keine uͤble Wuͤrkung machen — Das
Bild eines Mannes, der, nachdem ein halbes
Jahrhundert hindurch die vortreflichſten Werke
durch ſeine ſchmutzigen, geldgierigen Finger ge¬
gangen, noch immer eben ſo unwiſſend und
dumm geblieben — auſſer was die kleinen Wu¬
cher-Kuͤnſte betrifft — als ein zehnjaͤhriger
Knabe; der Manuſcripte und neue Buͤcher nach
der Dicke, nach dem Titel, und nach dem Ver¬
haͤltniſſe ſchaͤtzt und kauft, nach welchem er ver¬
muthen kann, daß ein von falſchem Geſchmacke
irregeleitetes Publicum darnach greifen wird;
der, um dieſen falſchen Geſchmack zu unterhal¬
ten, durch unbaͤrtige Knaben jaͤmmerliche Bro¬
ſchuͤren, Romaͤnchen und Maͤrchen ſchreiben,
und unter ſeiner Firma in die Welt gehn laͤſſt;
der die erbaͤrmlichſte Schmiererey, deren Nichts¬
wuͤrdigkeit er ſelbſt fuͤhlt, durch einen viel ver¬
ſprechenden Mode-Titel, oder durch ſaubre
Bildlein aufgeſtutzt, nach Frankfurth und Leip¬
zig ſchleppt, und fuͤr dieſe Lumpereyen ein ſchaͤn¬
dendes Lob von feilen Rezenſenten erkauft; der
den Mann von Talenten wie einen Tagloͤhner
behandelt und bezahlt, von der eingeſchraͤnkten

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[133/0155] Und dann wuͤrde, des Contraſtes wegen, das Gegenbild keine uͤble Wuͤrkung machen — Das Bild eines Mannes, der, nachdem ein halbes Jahrhundert hindurch die vortreflichſten Werke durch ſeine ſchmutzigen, geldgierigen Finger ge¬ gangen, noch immer eben ſo unwiſſend und dumm geblieben — auſſer was die kleinen Wu¬ cher-Kuͤnſte betrifft — als ein zehnjaͤhriger Knabe; der Manuſcripte und neue Buͤcher nach der Dicke, nach dem Titel, und nach dem Ver¬ haͤltniſſe ſchaͤtzt und kauft, nach welchem er ver¬ muthen kann, daß ein von falſchem Geſchmacke irregeleitetes Publicum darnach greifen wird; der, um dieſen falſchen Geſchmack zu unterhal¬ ten, durch unbaͤrtige Knaben jaͤmmerliche Bro¬ ſchuͤren, Romaͤnchen und Maͤrchen ſchreiben, und unter ſeiner Firma in die Welt gehn laͤſſt; der die erbaͤrmlichſte Schmiererey, deren Nichts¬ wuͤrdigkeit er ſelbſt fuͤhlt, durch einen viel ver¬ ſprechenden Mode-Titel, oder durch ſaubre Bildlein aufgeſtutzt, nach Frankfurth und Leip¬ zig ſchleppt, und fuͤr dieſe Lumpereyen ein ſchaͤn¬ dendes Lob von feilen Rezenſenten erkauft; der den Mann von Talenten wie einen Tagloͤhner behandelt und bezahlt, von der eingeſchraͤnkten haͤus¬ I 3

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/155>, abgerufen am 27.11.2024.