Krankheit hätten, mit welcher sie uns behaftet glauben. Wieder Andre kleben an Systemgeist, an Autorität, an Mode, und schieben nie auf ihre Blindheit, sondern auf die Natur die Schuld, wenn ihre Arzneymittel andre Wirkun¬ gen hervorbringen, als die, welche sie, aus Vor¬ urtheil, ihnen zutrauen; Endlich noch Andre halten aus Gewinnsucht die Genehsung der Lei¬ denden auf, um desto länger nebst dem Apothe¬ ker und Wundarzte den Vortheil davon zu ziehn. In wessen von diesen Herrn Händen man nun auch fällt; so wagt man es doch darauf, das Opfer der Unwissenheit, der Sorglosigkeit, des Eigensinns, oder der Bosheit zu werden.
Nun ist es freylich, selbst einem Layen, der sonst einen graden Blick mit ein bisgen Men¬ schenkenntniß, Erfahrung und Gelehrsamkeit verbindet, nicht so schwer, den groben Char¬ latan von dem geschickten Manne, an seinem Vortrage, an der Art seiner Fragen und Ver¬ ordnungen auszuzeichnen; Unter den Bessern aber Den zu unterscheiden, den man am sicher¬ sten seinen Cörper anvertrauen kann, das ist sehr viel schwerer. Folgende Vorschriften würde ich
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Krankheit haͤtten, mit welcher ſie uns behaftet glauben. Wieder Andre kleben an Syſtemgeiſt, an Autoritaͤt, an Mode, und ſchieben nie auf ihre Blindheit, ſondern auf die Natur die Schuld, wenn ihre Arzneymittel andre Wirkun¬ gen hervorbringen, als die, welche ſie, aus Vor¬ urtheil, ihnen zutrauen; Endlich noch Andre halten aus Gewinnſucht die Genehſung der Lei¬ denden auf, um deſto laͤnger nebſt dem Apothe¬ ker und Wundarzte den Vortheil davon zu ziehn. In weſſen von dieſen Herrn Haͤnden man nun auch faͤllt; ſo wagt man es doch darauf, das Opfer der Unwiſſenheit, der Sorgloſigkeit, des Eigenſinns, oder der Bosheit zu werden.
Nun iſt es freylich, ſelbſt einem Layen, der ſonſt einen graden Blick mit ein bisgen Men¬ ſchenkenntniß, Erfahrung und Gelehrſamkeit verbindet, nicht ſo ſchwer, den groben Char¬ latan von dem geſchickten Manne, an ſeinem Vortrage, an der Art ſeiner Fragen und Ver¬ ordnungen auszuzeichnen; Unter den Beſſern aber Den zu unterſcheiden, den man am ſicher¬ ſten ſeinen Coͤrper anvertrauen kann, das iſt ſehr viel ſchwerer. Folgende Vorſchriften wuͤrde ich
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Krankheit haͤtten, mit welcher ſie uns behaftet
glauben. Wieder Andre kleben an Syſtemgeiſt,
an Autoritaͤt, an Mode, und ſchieben nie auf
ihre Blindheit, ſondern auf die Natur die
Schuld, wenn ihre Arzneymittel andre Wirkun¬
gen hervorbringen, als die, welche ſie, aus Vor¬
urtheil, ihnen zutrauen; Endlich noch Andre
halten aus Gewinnſucht die Genehſung der Lei¬
denden auf, um deſto laͤnger nebſt dem Apothe¬
ker und Wundarzte den Vortheil davon zu ziehn.
In weſſen von dieſen Herrn Haͤnden man nun
auch faͤllt; ſo wagt man es doch darauf, das
Opfer der Unwiſſenheit, der Sorgloſigkeit, des
Eigenſinns, oder der Bosheit zu werden.
Nun iſt es freylich, ſelbſt einem Layen, der
ſonſt einen graden Blick mit ein bisgen Men¬
ſchenkenntniß, Erfahrung und Gelehrſamkeit
verbindet, nicht ſo ſchwer, den groben Char¬
latan von dem geſchickten Manne, an ſeinem
Vortrage, an der Art ſeiner Fragen und Ver¬
ordnungen auszuzeichnen; Unter den Beſſern
aber Den zu unterſcheiden, den man am ſicher¬
ſten ſeinen Coͤrper anvertrauen kann, das iſt ſehr
viel ſchwerer. Folgende Vorſchriften wuͤrde ich
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/131>, abgerufen am 22.11.2024.
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