lichem Stolze, von Intoleranz, von Anhäng¬ lichkeit an Systemgeist, von falschem esprit de corps, von Haabsucht, oder von Rachsucht ha¬ ben; so kann es wohl nicht schaden, wenn man gewisse Vorsichtigkeits-Regeln beobachtet, die im Umgange mit allen Personen dieses Standes, ohne Unterschied, nicht ganz übel angebracht sind.
Man hüte sich also, ihnen Gelegenheit zu Verketzerungen zu geben! und so wie überhaupt ein verständiger Mann sich enthält, über religiöse Gegenstände in Gesellschaften zu raisonniren; so soll man vorzüglich Acht haben, in Gegen¬ wart eines Geistlichen nie Ein Wort fallen zu lassen, das übel ausgelegt, und als ein Ausfall gegen irgend ein Kirchensystem oder einen Re¬ ligions-Gebrauch angesehn werden könnte! Auch besuche man die Kirchen, selbst wenn die Art des Gottesdienstes und der Vortrag des Pre¬ digers unsre Andacht nicht sehr befördern, des Beyspiels wegen, und um nicht Gelegenheit zu geben, daß man uns Gleichgültigkeit gegen Re¬ ligion aufbürde!
Man mache in Gesellschaft nie einen Geist¬ lichen lächerlich, mögte er auch noch so viel Ver¬
an¬
G 3
lichem Stolze, von Intoleranz, von Anhaͤng¬ lichkeit an Syſtemgeiſt, von falſchem esprit de corps, von Haabſucht, oder von Rachſucht ha¬ ben; ſo kann es wohl nicht ſchaden, wenn man gewiſſe Vorſichtigkeits-Regeln beobachtet, die im Umgange mit allen Perſonen dieſes Standes, ohne Unterſchied, nicht ganz uͤbel angebracht ſind.
Man huͤte ſich alſo, ihnen Gelegenheit zu Verketzerungen zu geben! und ſo wie uͤberhaupt ein verſtaͤndiger Mann ſich enthaͤlt, uͤber religioͤſe Gegenſtaͤnde in Geſellſchaften zu raiſonniren; ſo ſoll man vorzuͤglich Acht haben, in Gegen¬ wart eines Geiſtlichen nie Ein Wort fallen zu laſſen, das uͤbel ausgelegt, und als ein Ausfall gegen irgend ein Kirchenſyſtem oder einen Re¬ ligions-Gebrauch angeſehn werden koͤnnte! Auch beſuche man die Kirchen, ſelbſt wenn die Art des Gottesdienſtes und der Vortrag des Pre¬ digers unſre Andacht nicht ſehr befoͤrdern, des Beyſpiels wegen, und um nicht Gelegenheit zu geben, daß man uns Gleichguͤltigkeit gegen Re¬ ligion aufbuͤrde!
Man mache in Geſellſchaft nie einen Geiſt¬ lichen laͤcherlich, moͤgte er auch noch ſo viel Ver¬
an¬
G 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0123"n="101"/>
lichem Stolze, von Intoleranz, von Anhaͤng¬<lb/>
lichkeit an Syſtemgeiſt, von falſchem <hirendition="#aq">esprit de<lb/>
corps</hi>, von Haabſucht, oder von Rachſucht ha¬<lb/>
ben; ſo kann es wohl nicht ſchaden, wenn man<lb/>
gewiſſe Vorſichtigkeits-Regeln beobachtet, die im<lb/>
Umgange mit allen Perſonen dieſes Standes,<lb/>
ohne Unterſchied, nicht ganz uͤbel angebracht ſind.</p><lb/><p>Man huͤte ſich alſo, ihnen Gelegenheit zu<lb/>
Verketzerungen zu geben! und ſo wie uͤberhaupt<lb/>
ein verſtaͤndiger Mann ſich enthaͤlt, uͤber religioͤſe<lb/>
Gegenſtaͤnde in Geſellſchaften zu raiſonniren;<lb/>ſo ſoll man vorzuͤglich Acht haben, in Gegen¬<lb/>
wart eines Geiſtlichen nie Ein Wort fallen zu<lb/>
laſſen, das uͤbel ausgelegt, und als ein Ausfall<lb/>
gegen irgend ein Kirchenſyſtem oder einen Re¬<lb/>
ligions-Gebrauch angeſehn werden koͤnnte! Auch<lb/>
beſuche man die Kirchen, ſelbſt wenn die Art<lb/>
des Gottesdienſtes und der Vortrag des Pre¬<lb/>
digers unſre Andacht nicht ſehr befoͤrdern, des<lb/>
Beyſpiels wegen, und um nicht Gelegenheit zu<lb/>
geben, daß man uns Gleichguͤltigkeit gegen Re¬<lb/>
ligion aufbuͤrde!</p><lb/><p>Man mache in Geſellſchaft nie einen Geiſt¬<lb/>
lichen laͤcherlich, moͤgte er auch noch ſo viel Ver¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G 3<lb/></fw><fwplace="bottom"type="catch">an¬<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[101/0123]
lichem Stolze, von Intoleranz, von Anhaͤng¬
lichkeit an Syſtemgeiſt, von falſchem esprit de
corps, von Haabſucht, oder von Rachſucht ha¬
ben; ſo kann es wohl nicht ſchaden, wenn man
gewiſſe Vorſichtigkeits-Regeln beobachtet, die im
Umgange mit allen Perſonen dieſes Standes,
ohne Unterſchied, nicht ganz uͤbel angebracht ſind.
Man huͤte ſich alſo, ihnen Gelegenheit zu
Verketzerungen zu geben! und ſo wie uͤberhaupt
ein verſtaͤndiger Mann ſich enthaͤlt, uͤber religioͤſe
Gegenſtaͤnde in Geſellſchaften zu raiſonniren;
ſo ſoll man vorzuͤglich Acht haben, in Gegen¬
wart eines Geiſtlichen nie Ein Wort fallen zu
laſſen, das uͤbel ausgelegt, und als ein Ausfall
gegen irgend ein Kirchenſyſtem oder einen Re¬
ligions-Gebrauch angeſehn werden koͤnnte! Auch
beſuche man die Kirchen, ſelbſt wenn die Art
des Gottesdienſtes und der Vortrag des Pre¬
digers unſre Andacht nicht ſehr befoͤrdern, des
Beyſpiels wegen, und um nicht Gelegenheit zu
geben, daß man uns Gleichguͤltigkeit gegen Re¬
ligion aufbuͤrde!
Man mache in Geſellſchaft nie einen Geiſt¬
lichen laͤcherlich, moͤgte er auch noch ſo viel Ver¬
an¬
G 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/123>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.