gern, weg. Kömmt noch etwa die Verachtung, mit welcher, freylich unbilliger Weise, manche ernsthafte Leute auf sie herabsehn, hinzu; so wird das Herz erbittert und schlecht. Die täg¬ liche Abwechselung von Rollen benimt dem Cha¬ racter die Eigenheit; Man wird zuletzt aus Ha¬ bitüde, was man so oft vorstellen muß; Man darf dabey nicht Rücksicht auf seine Gemüths- Stimmung nehmen, muß oft den Spaßma¬ cher spielen, wenn das Herz trauert, und um¬ gekehrt; Dies leitet zur Verstellung; Das Publicum wird des Mannes und seines Spiels überdrüssig; Seine Manier gefällt nicht mehr nach zehn Jahren; Das so leichtfertiger Weise gewonnene Geld geht eben so leichtfertig wieder fort -- und so ist denn ein armseliges, dürfti¬ ges, kränkliches Alter nicht selten der letzte Auf¬ tritt des Schauspieler-Lebens.
9.
Wer Schauspieler und Tonkünstler unter seiner Aufsicht und Direction hat, dem rathe ich, sich gleich Anfangs auf einen gewissen Fuß mit ihnen zu setzen, wenn man nicht von ihrem Ei¬ gensinne und ihren Grillen abhängen will. Die
Haupt¬
gern, weg. Koͤmmt noch etwa die Verachtung, mit welcher, freylich unbilliger Weiſe, manche ernſthafte Leute auf ſie herabſehn, hinzu; ſo wird das Herz erbittert und ſchlecht. Die taͤg¬ liche Abwechſelung von Rollen benimt dem Cha¬ racter die Eigenheit; Man wird zuletzt aus Ha¬ bituͤde, was man ſo oft vorſtellen muß; Man darf dabey nicht Ruͤckſicht auf ſeine Gemuͤths- Stimmung nehmen, muß oft den Spaßma¬ cher ſpielen, wenn das Herz trauert, und um¬ gekehrt; Dies leitet zur Verſtellung; Das Publicum wird des Mannes und ſeines Spiels uͤberdruͤſſig; Seine Manier gefaͤllt nicht mehr nach zehn Jahren; Das ſo leichtfertiger Weiſe gewonnene Geld geht eben ſo leichtfertig wieder fort — und ſo iſt denn ein armſeliges, duͤrfti¬ ges, kraͤnkliches Alter nicht ſelten der letzte Auf¬ tritt des Schauſpieler-Lebens.
9.
Wer Schauſpieler und Tonkuͤnſtler unter ſeiner Aufſicht und Direction hat, dem rathe ich, ſich gleich Anfangs auf einen gewiſſen Fuß mit ihnen zu ſetzen, wenn man nicht von ihrem Ei¬ genſinne und ihren Grillen abhaͤngen will. Die
Haupt¬
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gern, weg. Koͤmmt noch etwa die Verachtung,
mit welcher, freylich unbilliger Weiſe, manche
ernſthafte Leute auf ſie herabſehn, hinzu; ſo
wird das Herz erbittert und ſchlecht. Die taͤg¬
liche Abwechſelung von Rollen benimt dem Cha¬
racter die Eigenheit; Man wird zuletzt aus Ha¬
bituͤde, was man ſo oft vorſtellen muß; Man
darf dabey nicht Ruͤckſicht auf ſeine Gemuͤths-
Stimmung nehmen, muß oft den Spaßma¬
cher ſpielen, wenn das Herz trauert, und um¬
gekehrt; Dies leitet zur Verſtellung; Das
Publicum wird des Mannes und ſeines Spiels
uͤberdruͤſſig; Seine Manier gefaͤllt nicht mehr
nach zehn Jahren; Das ſo leichtfertiger Weiſe
gewonnene Geld geht eben ſo leichtfertig wieder
fort — und ſo iſt denn ein armſeliges, duͤrfti¬
ges, kraͤnkliches Alter nicht ſelten der letzte Auf¬
tritt des Schauſpieler-Lebens.
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Wer Schauſpieler und Tonkuͤnſtler unter
ſeiner Aufſicht und Direction hat, dem rathe ich,
ſich gleich Anfangs auf einen gewiſſen Fuß mit
ihnen zu ſetzen, wenn man nicht von ihrem Ei¬
genſinne und ihren Grillen abhaͤngen will. Die
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/116>, abgerufen am 24.11.2024.
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