Kurz! der Satz: daß jedermann nicht mehr und nicht weniger gelte, als wozu er sich selbst macht, ist die große Panacee für Aventuriers, Prahler, Windbeutel und seichte Köpfe, um fortzukommen auf diesen Erdballe -- ich gebe also keinen Kirschkern für dieses Universalmittel -- Doch still! sollte denn jener Satz uns gar nichts werth seyn? Ja, meine Freunde! Er kann uns lehren, nie ohne Noth und Beruf unsre ökonomischen physicalischen, moralischen und intellectuellen Schwächen aufzudecken. Ohne also sich zur Prahlerey und zu niederträchtigen Lügen her¬ abzulassen, soll man doch nicht die Gelegenheit versäumen, sich von seinen vortheilhaften Seiten zu zeigen.
Dies muß aber nicht auf eine grobe, gar zu merkliche, eitle und auffallende Weise ge¬ schehn, denn sonst verliehren wir vielmehr da¬ durch; sondern man muß die Menschen nur muthmaßen, sie von selbst darauf kommen lassen, daß doch wohl etwas mehr hinter uns stecke, als bey dem ersten Anblicke hervor¬ schimmert. Hängt man ein gar zu glänzendes Schild aus; so erweckt man dadurch die ge¬
nauere
Kurz! der Satz: daß jedermann nicht mehr und nicht weniger gelte, als wozu er ſich ſelbſt macht, iſt die große Panacee fuͤr Aventuriers, Prahler, Windbeutel und ſeichte Koͤpfe, um fortzukommen auf dieſen Erdballe — ich gebe alſo keinen Kirſchkern fuͤr dieſes Univerſalmittel — Doch ſtill! ſollte denn jener Satz uns gar nichts werth ſeyn? Ja, meine Freunde! Er kann uns lehren, nie ohne Noth und Beruf unſre oͤkonomiſchen phyſicaliſchen, moraliſchen und intellectuellen Schwaͤchen aufzudecken. Ohne alſo ſich zur Prahlerey und zu niedertraͤchtigen Luͤgen her¬ abzulaſſen, ſoll man doch nicht die Gelegenheit verſaͤumen, ſich von ſeinen vortheilhaften Seiten zu zeigen.
Dies muß aber nicht auf eine grobe, gar zu merkliche, eitle und auffallende Weiſe ge¬ ſchehn, denn ſonſt verliehren wir vielmehr da¬ durch; ſondern man muß die Menſchen nur muthmaßen, ſie von ſelbſt darauf kommen laſſen, daß doch wohl etwas mehr hinter uns ſtecke, als bey dem erſten Anblicke hervor¬ ſchimmert. Haͤngt man ein gar zu glaͤnzendes Schild aus; ſo erweckt man dadurch die ge¬
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Kurz! der Satz: daß jedermann nicht
mehr und nicht weniger gelte, als wozu
er ſich ſelbſt macht, iſt die große Panacee
fuͤr Aventuriers, Prahler, Windbeutel und
ſeichte Koͤpfe, um fortzukommen auf dieſen
Erdballe — ich gebe alſo keinen Kirſchkern
fuͤr dieſes Univerſalmittel — Doch ſtill! ſollte
denn jener Satz uns gar nichts werth ſeyn?
Ja, meine Freunde! Er kann uns lehren,
nie ohne Noth und Beruf unſre oͤkonomiſchen
phyſicaliſchen, moraliſchen und intellectuellen
Schwaͤchen aufzudecken. Ohne alſo ſich zur
Prahlerey und zu niedertraͤchtigen Luͤgen her¬
abzulaſſen, ſoll man doch nicht die Gelegenheit
verſaͤumen, ſich von ſeinen vortheilhaften
Seiten zu zeigen.
Dies muß aber nicht auf eine grobe, gar
zu merkliche, eitle und auffallende Weiſe ge¬
ſchehn, denn ſonſt verliehren wir vielmehr da¬
durch; ſondern man muß die Menſchen nur
muthmaßen, ſie von ſelbſt darauf kommen
laſſen, daß doch wohl etwas mehr hinter uns
ſtecke, als bey dem erſten Anblicke hervor¬
ſchimmert. Haͤngt man ein gar zu glaͤnzendes
Schild aus; ſo erweckt man dadurch die ge¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/68>, abgerufen am 16.02.2025.
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