Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Alle diese Bemerkungen scheinen uns zu
sagen, daß die gelehrtesten Männer, wenn
nicht zuweilen die untüchtigsten zu allen Welt¬
geschäften; doch wenigstens unglücklich genug
sind, durch den Mangel einer gewissen Ge¬
wandheit, zurückgesetzt zu bleiben, und daß
die Geistreichsten, von der Natur mit allen
innern und äussern Vorzügen beschenkt, oft
am wenigsten zu gefallen, zu glänzen verst¬
hen.

Ich rede aber hier nicht von der freywil¬
ligen Verzichtleistung des Weisen auf die Be¬
wunderung des vornehmen und geringen Pö¬
bels. Daß der Mann von besserer Art da
in sich selbst verschlossen schweigt, wo er nicht
verstanden wird; daß der Witzige, Geistvolle,
in einem Cirkel schaaler Köpfe sich nicht so
weit herablässt, den Spaßmacher zu spielen;
daß der Mann von einer gewissen Würde im
Character zu viel Stolz hat, sein ganzes We¬
sen nach jeder ihm unbedeutenden Gesellschaft
umzuformen, die Stimmung anzunehmen,
wozu die jungen Laffen seiner Vaterstadt den
Ton mit von Reisen gebracht haben, oder den

grade
A 2

Alle dieſe Bemerkungen ſcheinen uns zu
ſagen, daß die gelehrteſten Maͤnner, wenn
nicht zuweilen die untuͤchtigſten zu allen Welt¬
geſchaͤften; doch wenigſtens ungluͤcklich genug
ſind, durch den Mangel einer gewiſſen Ge¬
wandheit, zuruͤckgeſetzt zu bleiben, und daß
die Geiſtreichſten, von der Natur mit allen
innern und aͤuſſern Vorzuͤgen beſchenkt, oft
am wenigſten zu gefallen, zu glaͤnzen verſt¬
hen.

Ich rede aber hier nicht von der freywil¬
ligen Verzichtleiſtung des Weiſen auf die Be¬
wunderung des vornehmen und geringen Poͤ¬
bels. Daß der Mann von beſſerer Art da
in ſich ſelbſt verſchloſſen ſchweigt, wo er nicht
verſtanden wird; daß der Witzige, Geiſtvolle,
in einem Cirkel ſchaaler Koͤpfe ſich nicht ſo
weit herablaͤſſt, den Spaßmacher zu ſpielen;
daß der Mann von einer gewiſſen Wuͤrde im
Character zu viel Stolz hat, ſein ganzes We¬
ſen nach jeder ihm unbedeutenden Geſellſchaft
umzuformen, die Stimmung anzunehmen,
wozu die jungen Laffen ſeiner Vaterſtadt den
Ton mit von Reiſen gebracht haben, oder den

grade
A 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0033" n="3"/>
          <p>Alle die&#x017F;e Bemerkungen &#x017F;cheinen uns zu<lb/>
&#x017F;agen, daß die gelehrte&#x017F;ten Ma&#x0364;nner, wenn<lb/>
nicht zuweilen die untu&#x0364;chtig&#x017F;ten zu allen Welt¬<lb/>
ge&#x017F;cha&#x0364;ften; doch wenig&#x017F;tens unglu&#x0364;cklich genug<lb/>
&#x017F;ind, durch den Mangel einer gewi&#x017F;&#x017F;en Ge¬<lb/>
wandheit, zuru&#x0364;ckge&#x017F;etzt zu bleiben, und daß<lb/>
die Gei&#x017F;treich&#x017F;ten, von der Natur mit allen<lb/>
innern und a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern Vorzu&#x0364;gen be&#x017F;chenkt, oft<lb/>
am wenig&#x017F;ten zu gefallen, zu gla&#x0364;nzen ver&#x017F;<lb/>
hen.</p><lb/>
          <p>Ich rede aber hier nicht von der freywil¬<lb/>
ligen Verzichtlei&#x017F;tung des Wei&#x017F;en auf die Be¬<lb/>
wunderung des vornehmen und geringen Po&#x0364;¬<lb/>
bels. Daß der Mann von be&#x017F;&#x017F;erer Art da<lb/>
in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chweigt, wo er nicht<lb/>
ver&#x017F;tanden wird; daß der Witzige, Gei&#x017F;tvolle,<lb/>
in einem Cirkel &#x017F;chaaler Ko&#x0364;pfe &#x017F;ich nicht &#x017F;o<lb/>
weit herabla&#x0364;&#x017F;&#x017F;t, den Spaßmacher zu &#x017F;pielen;<lb/>
daß der Mann von einer gewi&#x017F;&#x017F;en Wu&#x0364;rde im<lb/>
Character zu viel Stolz hat, &#x017F;ein ganzes We¬<lb/>
&#x017F;en nach jeder ihm unbedeutenden Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
umzuformen, die Stimmung anzunehmen,<lb/>
wozu die jungen Laffen &#x017F;einer Vater&#x017F;tadt den<lb/>
Ton mit von Rei&#x017F;en gebracht haben, oder den<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 2<lb/></fw> <fw place="bottom" type="catch">grade<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0033] Alle dieſe Bemerkungen ſcheinen uns zu ſagen, daß die gelehrteſten Maͤnner, wenn nicht zuweilen die untuͤchtigſten zu allen Welt¬ geſchaͤften; doch wenigſtens ungluͤcklich genug ſind, durch den Mangel einer gewiſſen Ge¬ wandheit, zuruͤckgeſetzt zu bleiben, und daß die Geiſtreichſten, von der Natur mit allen innern und aͤuſſern Vorzuͤgen beſchenkt, oft am wenigſten zu gefallen, zu glaͤnzen verſt¬ hen. Ich rede aber hier nicht von der freywil¬ ligen Verzichtleiſtung des Weiſen auf die Be¬ wunderung des vornehmen und geringen Poͤ¬ bels. Daß der Mann von beſſerer Art da in ſich ſelbſt verſchloſſen ſchweigt, wo er nicht verſtanden wird; daß der Witzige, Geiſtvolle, in einem Cirkel ſchaaler Koͤpfe ſich nicht ſo weit herablaͤſſt, den Spaßmacher zu ſpielen; daß der Mann von einer gewiſſen Wuͤrde im Character zu viel Stolz hat, ſein ganzes We¬ ſen nach jeder ihm unbedeutenden Geſellſchaft umzuformen, die Stimmung anzunehmen, wozu die jungen Laffen ſeiner Vaterſtadt den Ton mit von Reiſen gebracht haben, oder den grade A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/33
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/33>, abgerufen am 24.11.2024.