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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

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solche Ideale fassen, die nachher ohnmöglich
wahrgemacht werden können. Wir denken sie
uns engelrein, und sind nachher viel unduldsa¬
mer gegen diese unsre Lieblinge, als gegen fremde
Leute, sobald wir menschliche Schwachheiten
an ihnen gewahr werden, indem wir daraus
eine Ehrensache für unsre Klugheit machen.
Spannet Eure Erwartung, Eure Meynung
von Euren Freunden nicht zu hoch! so wird
Euch ein menschlicher Fehltritt, den sie in Au¬
genblicken der Versuchung begehen, nicht be¬
fremden, nicht ärgern. Habet Nachsicht! Ihr
bedürft deren vielleicht selbst bey andern Gele¬
genheiten. Richtet nicht, damit auch Ihr nicht
gerichtet werdet! -- Und was für Recht hast
Du denn auch über die Moralität Deines
Freundes? Was ist er Dir anders schuldig, als
Treue, Liebe und Dienstfertigkeit? Wer hat
Dich zum Sittenrichter über ihn bestellt? --
Suche einen vollkommnen Mann auf dieser
Erde! und Du kannst hundert Jahre alt wer¬
den, und noch immer vergebens umherrennen.

Vor allen Dingen aber soll man sich hüten,
jedem elenden Geschwätze, womit böse oder
schwache Menschen zum Nachtheile unsrer

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ſolche Ideale faſſen, die nachher ohnmoͤglich
wahrgemacht werden koͤnnen. Wir denken ſie
uns engelrein, und ſind nachher viel unduldſa¬
mer gegen dieſe unſre Lieblinge, als gegen fremde
Leute, ſobald wir menſchliche Schwachheiten
an ihnen gewahr werden, indem wir daraus
eine Ehrenſache fuͤr unſre Klugheit machen.
Spannet Eure Erwartung, Eure Meynung
von Euren Freunden nicht zu hoch! ſo wird
Euch ein menſchlicher Fehltritt, den ſie in Au¬
genblicken der Verſuchung begehen, nicht be¬
fremden, nicht aͤrgern. Habet Nachſicht! Ihr
beduͤrft deren vielleicht ſelbſt bey andern Gele¬
genheiten. Richtet nicht, damit auch Ihr nicht
gerichtet werdet! — Und was fuͤr Recht haſt
Du denn auch uͤber die Moralitaͤt Deines
Freundes? Was iſt er Dir anders ſchuldig, als
Treue, Liebe und Dienſtfertigkeit? Wer hat
Dich zum Sittenrichter uͤber ihn beſtellt? —
Suche einen vollkommnen Mann auf dieſer
Erde! und Du kannſt hundert Jahre alt wer¬
den, und noch immer vergebens umherrennen.

Vor allen Dingen aber ſoll man ſich huͤten,
jedem elenden Geſchwaͤtze, womit boͤſe oder
ſchwache Menſchen zum Nachtheile unſrer

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[259/0289] ſolche Ideale faſſen, die nachher ohnmoͤglich wahrgemacht werden koͤnnen. Wir denken ſie uns engelrein, und ſind nachher viel unduldſa¬ mer gegen dieſe unſre Lieblinge, als gegen fremde Leute, ſobald wir menſchliche Schwachheiten an ihnen gewahr werden, indem wir daraus eine Ehrenſache fuͤr unſre Klugheit machen. Spannet Eure Erwartung, Eure Meynung von Euren Freunden nicht zu hoch! ſo wird Euch ein menſchlicher Fehltritt, den ſie in Au¬ genblicken der Verſuchung begehen, nicht be¬ fremden, nicht aͤrgern. Habet Nachſicht! Ihr beduͤrft deren vielleicht ſelbſt bey andern Gele¬ genheiten. Richtet nicht, damit auch Ihr nicht gerichtet werdet! — Und was fuͤr Recht haſt Du denn auch uͤber die Moralitaͤt Deines Freundes? Was iſt er Dir anders ſchuldig, als Treue, Liebe und Dienſtfertigkeit? Wer hat Dich zum Sittenrichter uͤber ihn beſtellt? — Suche einen vollkommnen Mann auf dieſer Erde! und Du kannſt hundert Jahre alt wer¬ den, und noch immer vergebens umherrennen. Vor allen Dingen aber ſoll man ſich huͤten, jedem elenden Geſchwaͤtze, womit boͤſe oder ſchwache Menſchen zum Nachtheile unſrer Freun¬ R 2

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/289>, abgerufen am 24.11.2024.