Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.ben; entweder weil ihnen der Sinn für dies 20. Auch unter den vertrautesten Freunden ein R
ben; entweder weil ihnen der Sinn fuͤr dies 20. Auch unter den vertrauteſten Freunden ein R
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0287" n="257"/> ben; entweder weil ihnen der Sinn fuͤr dies<lb/> Seelen-Beduͤrfniß fehlt, oder weil ſie keinem<lb/> lebendigen Weſen trauen, oder weil ihre Ge¬<lb/> muͤthsart kalt, unvertraͤglich, verſchloſſen, eitel,<lb/> oder zaͤnkiſch iſt. Andre ſind aller Welt Freunde;<lb/> Sie werfen ihr Herz jedermann vor die Fuͤße,<lb/> und deswegen buͤckt ſich keiner, greift niemand<lb/> darnach, es aufzunehmen — Laſſet uns zu<lb/> keiner von beyden Claſſen gehoͤren!</p><lb/> </div> <div n="3"> <head>20.<lb/></head> <p>Auch unter den vertrauteſten Freunden<lb/> koͤnnen Irrungen entſtehn, Misverſtaͤndniſſe<lb/> eintreten. Wenn man daruͤber Zeit verſtrei¬<lb/> chen laͤſſt, oder zugiebt, daß ſich dienſtfertige<lb/> Leute hineinmiſchen; ſo erwaͤchſt daraus nicht<lb/> ſelten eine dauerhafte Feindſchaft, ja! eine<lb/> Feindſchaft, die mehrentheils um ſo heftiger<lb/> wird, je zaͤrtlicher, je vertraueter die Verbin¬<lb/> dung geweſen, und je aͤrger man ſich alſo hin¬<lb/> tergangen glaubt. Es iſt wahrlich ein trau¬<lb/> riger Anblick, auf dieſe Weiſe zuweilen die<lb/> edelſten Seelen gegen einander empoͤrt zu<lb/> ſehn. Dringend rathe ich daher, bey dem er¬<lb/> ſten Schatten von Unzufriedenheit uͤber irgend<lb/> <fw place="bottom" type="sig">R<lb/></fw> <fw place="bottom" type="catch">ein<lb/></fw> </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [257/0287]
ben; entweder weil ihnen der Sinn fuͤr dies
Seelen-Beduͤrfniß fehlt, oder weil ſie keinem
lebendigen Weſen trauen, oder weil ihre Ge¬
muͤthsart kalt, unvertraͤglich, verſchloſſen, eitel,
oder zaͤnkiſch iſt. Andre ſind aller Welt Freunde;
Sie werfen ihr Herz jedermann vor die Fuͤße,
und deswegen buͤckt ſich keiner, greift niemand
darnach, es aufzunehmen — Laſſet uns zu
keiner von beyden Claſſen gehoͤren!
20.
Auch unter den vertrauteſten Freunden
koͤnnen Irrungen entſtehn, Misverſtaͤndniſſe
eintreten. Wenn man daruͤber Zeit verſtrei¬
chen laͤſſt, oder zugiebt, daß ſich dienſtfertige
Leute hineinmiſchen; ſo erwaͤchſt daraus nicht
ſelten eine dauerhafte Feindſchaft, ja! eine
Feindſchaft, die mehrentheils um ſo heftiger
wird, je zaͤrtlicher, je vertraueter die Verbin¬
dung geweſen, und je aͤrger man ſich alſo hin¬
tergangen glaubt. Es iſt wahrlich ein trau¬
riger Anblick, auf dieſe Weiſe zuweilen die
edelſten Seelen gegen einander empoͤrt zu
ſehn. Dringend rathe ich daher, bey dem er¬
ſten Schatten von Unzufriedenheit uͤber irgend
ein
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