Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

überzeugt zu seyn, daß, wenn ich einst in eine
weniger angenehme Lage kommen, und sie
Meiner nicht mehr bedürfen, sie mir ganz an¬
ders begegnen würden. Ich irrte nicht, aber
deswegen waren Diese doch nicht insgesammt
Schurken und Heuchler. Viele von ihnen, es
ist wahr, lernte ich als Solche kennen; sie er¬
laubten sich die ärgsten Niederträchtigkeiten
gegen mich; Es befremdete mich nicht; ich
verachtete sie; aber Manche waren vorher nur
von dem Strohme mit fortgerissen worden.
Die Stimme meiner Feinde erweckte sie nun;
sie stutzten, betrachteten mich mit forschendem
Auge, und sahen meine Fehler; sie warfen
mir diese Fehler durch Worte oder einige Kälte
in ihrem Betragen, vielleicht ein wenig zu
unsanft vor, gaben mir dadurch Gelegenheit,
selbst aufmerksam auf dieselben zu werden, an
mir zu arbeiten, und wahrlich! Diese sind mir
nützlichere, ächtere Freunde gewesen, als man¬
che Andre, die nicht aufhörten, mich in mei¬
ner Eitelkeit und Selbstgenügsamkeit zu be¬
stärken.

8.

uͤberzeugt zu ſeyn, daß, wenn ich einſt in eine
weniger angenehme Lage kommen, und ſie
Meiner nicht mehr beduͤrfen, ſie mir ganz an¬
ders begegnen wuͤrden. Ich irrte nicht, aber
deswegen waren Dieſe doch nicht insgeſammt
Schurken und Heuchler. Viele von ihnen, es
iſt wahr, lernte ich als Solche kennen; ſie er¬
laubten ſich die aͤrgſten Niedertraͤchtigkeiten
gegen mich; Es befremdete mich nicht; ich
verachtete ſie; aber Manche waren vorher nur
von dem Strohme mit fortgeriſſen worden.
Die Stimme meiner Feinde erweckte ſie nun;
ſie ſtutzten, betrachteten mich mit forſchendem
Auge, und ſahen meine Fehler; ſie warfen
mir dieſe Fehler durch Worte oder einige Kaͤlte
in ihrem Betragen, vielleicht ein wenig zu
unſanft vor, gaben mir dadurch Gelegenheit,
ſelbſt aufmerkſam auf dieſelben zu werden, an
mir zu arbeiten, und wahrlich! Dieſe ſind mir
nuͤtzlichere, aͤchtere Freunde geweſen, als man¬
che Andre, die nicht aufhoͤrten, mich in mei¬
ner Eitelkeit und Selbſtgenuͤgſamkeit zu be¬
ſtaͤrken.

8.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0272" n="242"/>
u&#x0364;berzeugt zu &#x017F;eyn, daß, wenn ich ein&#x017F;t in eine<lb/>
weniger angenehme Lage kommen, und &#x017F;ie<lb/>
Meiner nicht mehr bedu&#x0364;rfen, &#x017F;ie mir ganz an¬<lb/>
ders begegnen wu&#x0364;rden. Ich irrte nicht, aber<lb/>
deswegen waren Die&#x017F;e doch nicht insge&#x017F;ammt<lb/>
Schurken und Heuchler. Viele von ihnen, es<lb/>
i&#x017F;t wahr, lernte ich als Solche kennen; &#x017F;ie er¬<lb/>
laubten &#x017F;ich die a&#x0364;rg&#x017F;ten Niedertra&#x0364;chtigkeiten<lb/>
gegen mich; Es befremdete mich nicht; ich<lb/>
verachtete &#x017F;ie; aber Manche waren vorher nur<lb/>
von dem Strohme mit fortgeri&#x017F;&#x017F;en worden.<lb/>
Die Stimme meiner Feinde erweckte &#x017F;ie nun;<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;tutzten, betrachteten mich mit for&#x017F;chendem<lb/>
Auge, und &#x017F;ahen meine Fehler; &#x017F;ie warfen<lb/>
mir die&#x017F;e Fehler durch Worte oder einige Ka&#x0364;lte<lb/>
in ihrem Betragen, vielleicht ein wenig zu<lb/>
un&#x017F;anft vor, gaben mir dadurch Gelegenheit,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t aufmerk&#x017F;am auf die&#x017F;elben zu werden, an<lb/>
mir zu arbeiten, und wahrlich! Die&#x017F;e &#x017F;ind mir<lb/>
nu&#x0364;tzlichere, a&#x0364;chtere Freunde gewe&#x017F;en, als man¬<lb/>
che Andre, die nicht aufho&#x0364;rten, mich in mei¬<lb/>
ner Eitelkeit und Selb&#x017F;tgenu&#x0364;g&#x017F;amkeit zu be¬<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rken.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">8.<lb/></fw>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0272] uͤberzeugt zu ſeyn, daß, wenn ich einſt in eine weniger angenehme Lage kommen, und ſie Meiner nicht mehr beduͤrfen, ſie mir ganz an¬ ders begegnen wuͤrden. Ich irrte nicht, aber deswegen waren Dieſe doch nicht insgeſammt Schurken und Heuchler. Viele von ihnen, es iſt wahr, lernte ich als Solche kennen; ſie er¬ laubten ſich die aͤrgſten Niedertraͤchtigkeiten gegen mich; Es befremdete mich nicht; ich verachtete ſie; aber Manche waren vorher nur von dem Strohme mit fortgeriſſen worden. Die Stimme meiner Feinde erweckte ſie nun; ſie ſtutzten, betrachteten mich mit forſchendem Auge, und ſahen meine Fehler; ſie warfen mir dieſe Fehler durch Worte oder einige Kaͤlte in ihrem Betragen, vielleicht ein wenig zu unſanft vor, gaben mir dadurch Gelegenheit, ſelbſt aufmerkſam auf dieſelben zu werden, an mir zu arbeiten, und wahrlich! Dieſe ſind mir nuͤtzlichere, aͤchtere Freunde geweſen, als man¬ che Andre, die nicht aufhoͤrten, mich in mei¬ ner Eitelkeit und Selbſtgenuͤgſamkeit zu be¬ ſtaͤrken. 8.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/272
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/272>, abgerufen am 28.11.2024.