edeln Leute mich aufheiterten, mich wieder mit den Menschen aussöhnten, mich so manches Ungemach vergessen machten! In großen Städ¬ ten pflegt man zu glauben, es gehöre zu dem guten Tone, nicht einmal zu wissen, wer mit uns in dem nemlichen Hause wohnt. Das finde ich sehr abgeschmackt, und ich weiß nicht, was mich bewegen sollte, eine halbe Meile weit zu fahren, wenn ich die Unterhaltung, oder die Langeweile, welcher ich nachrenne, eben so gut zu Hause finden könnte, oder um einen Freundschafts-Dienst die ganze Stadt zu durch¬ rennen, wenn neben mir an ein Mensch wohnt, der mir denselben gern erzeigen würde, in so fern ich mir seine Freundschaft und sein Zu¬ trauen erworben hätte. Schämen würde ich mich, wenn es der Fall wäre, daß die Mieth¬ kutscher und Straßenbuben mich besser als meine Nachbarn kennten.
2.
Man soll sich aber hüten, sowohl sich De¬ nen aufzudringen, Diejenigen zu überlaufen, die, wenn sie mit uns unter Einem Dache wohnen, uns nicht ausweichen können, als
auch
edeln Leute mich aufheiterten, mich wieder mit den Menſchen ausſoͤhnten, mich ſo manches Ungemach vergeſſen machten! In großen Staͤd¬ ten pflegt man zu glauben, es gehoͤre zu dem guten Tone, nicht einmal zu wiſſen, wer mit uns in dem nemlichen Hauſe wohnt. Das finde ich ſehr abgeſchmackt, und ich weiß nicht, was mich bewegen ſollte, eine halbe Meile weit zu fahren, wenn ich die Unterhaltung, oder die Langeweile, welcher ich nachrenne, eben ſo gut zu Hauſe finden koͤnnte, oder um einen Freundſchafts-Dienſt die ganze Stadt zu durch¬ rennen, wenn neben mir an ein Menſch wohnt, der mir denſelben gern erzeigen wuͤrde, in ſo fern ich mir ſeine Freundſchaft und ſein Zu¬ trauen erworben haͤtte. Schaͤmen wuͤrde ich mich, wenn es der Fall waͤre, daß die Mieth¬ kutſcher und Straßenbuben mich beſſer als meine Nachbarn kennten.
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Man ſoll ſich aber huͤten, ſowohl ſich De¬ nen aufzudringen, Diejenigen zu uͤberlaufen, die, wenn ſie mit uns unter Einem Dache wohnen, uns nicht ausweichen koͤnnen, als
auch
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edeln Leute mich aufheiterten, mich wieder mit
den Menſchen ausſoͤhnten, mich ſo manches
Ungemach vergeſſen machten! In großen Staͤd¬
ten pflegt man zu glauben, es gehoͤre zu dem
guten Tone, nicht einmal zu wiſſen, wer mit
uns in dem nemlichen Hauſe wohnt. Das
finde ich ſehr abgeſchmackt, und ich weiß nicht,
was mich bewegen ſollte, eine halbe Meile weit
zu fahren, wenn ich die Unterhaltung, oder
die Langeweile, welcher ich nachrenne, eben
ſo gut zu Hauſe finden koͤnnte, oder um einen
Freundſchafts-Dienſt die ganze Stadt zu durch¬
rennen, wenn neben mir an ein Menſch wohnt,
der mir denſelben gern erzeigen wuͤrde, in ſo
fern ich mir ſeine Freundſchaft und ſein Zu¬
trauen erworben haͤtte. Schaͤmen wuͤrde ich
mich, wenn es der Fall waͤre, daß die Mieth¬
kutſcher und Straßenbuben mich beſſer als
meine Nachbarn kennten.
2.
Man ſoll ſich aber huͤten, ſowohl ſich De¬
nen aufzudringen, Diejenigen zu uͤberlaufen,
die, wenn ſie mit uns unter Einem Dache
wohnen, uns nicht ausweichen koͤnnen, als
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/235>, abgerufen am 21.12.2024.
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