nicht! traue nicht! Ein Weib, das die ersten und heiligsten aller weiblichen Tugenden, die Keuschheit und Sittsamkeit für nichts achtet; wie kann die wahre Ehrfurcht für feinere Pflich¬ ten haben! Doch bin ich weit entfernt, alle unglücklichen Gefallenen und Verführten in die Classe verachtungswerther Buhlerinnen se¬ tzen zu wollen. Wahre Liebe kann auch ein verirrtes Herz zur Tugend zurückführen; Es ist schon oft gesagt worden, daß Derjenige sichrer vor der Verführung sey, der die Gefahr kennt, als Der, welcher nie in Versuchung geführt wor¬ den: allein es bleibt bey dieser Art von Verge¬ hungen immer eine misliche Sache um die sichre, dauerhafte Besserung, und keine Lage ist de¬ müthigender und beunruhigender, als wenn man die Person, an welcher unser Herz hängt, von Andern verachtet sieht, wenn man sich vor der Welt der Bande schämen muß, die uns so theuer sind. Liebe, reine Liebe, sichert übrigens am besten gegen Ausschweifungen, und der Umgang mit edlen, sittsamen Weibern verfei¬ nert den Sinn des Jünglings für Tugend und Unschuld, wafnet sein verwöhntes Herz gegen studierte und freche Buhlerkünste -- Wenden
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nicht! traue nicht! Ein Weib, das die erſten und heiligſten aller weiblichen Tugenden, die Keuſchheit und Sittſamkeit fuͤr nichts achtet; wie kann die wahre Ehrfurcht fuͤr feinere Pflich¬ ten haben! Doch bin ich weit entfernt, alle ungluͤcklichen Gefallenen und Verfuͤhrten in die Claſſe verachtungswerther Buhlerinnen ſe¬ tzen zu wollen. Wahre Liebe kann auch ein verirrtes Herz zur Tugend zuruͤckfuͤhren; Es iſt ſchon oft geſagt worden, daß Derjenige ſichrer vor der Verfuͤhrung ſey, der die Gefahr kennt, als Der, welcher nie in Verſuchung gefuͤhrt wor¬ den: allein es bleibt bey dieſer Art von Verge¬ hungen immer eine misliche Sache um die ſichre, dauerhafte Beſſerung, und keine Lage iſt de¬ muͤthigender und beunruhigender, als wenn man die Perſon, an welcher unſer Herz haͤngt, von Andern verachtet ſieht, wenn man ſich vor der Welt der Bande ſchaͤmen muß, die uns ſo theuer ſind. Liebe, reine Liebe, ſichert uͤbrigens am beſten gegen Ausſchweifungen, und der Umgang mit edlen, ſittſamen Weibern verfei¬ nert den Sinn des Juͤnglings fuͤr Tugend und Unſchuld, wafnet ſein verwoͤhntes Herz gegen ſtudierte und freche Buhlerkuͤnſte — Wenden
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nicht! traue nicht! Ein Weib, das die erſten
und heiligſten aller weiblichen Tugenden, die
Keuſchheit und Sittſamkeit fuͤr nichts achtet;
wie kann die wahre Ehrfurcht fuͤr feinere Pflich¬
ten haben! Doch bin ich weit entfernt, alle
ungluͤcklichen Gefallenen und Verfuͤhrten in
die Claſſe verachtungswerther Buhlerinnen ſe¬
tzen zu wollen. Wahre Liebe kann auch ein
verirrtes Herz zur Tugend zuruͤckfuͤhren; Es
iſt ſchon oft geſagt worden, daß Derjenige ſichrer
vor der Verfuͤhrung ſey, der die Gefahr kennt,
als Der, welcher nie in Verſuchung gefuͤhrt wor¬
den: allein es bleibt bey dieſer Art von Verge¬
hungen immer eine misliche Sache um die ſichre,
dauerhafte Beſſerung, und keine Lage iſt de¬
muͤthigender und beunruhigender, als wenn
man die Perſon, an welcher unſer Herz haͤngt,
von Andern verachtet ſieht, wenn man ſich vor
der Welt der Bande ſchaͤmen muß, die uns ſo
theuer ſind. Liebe, reine Liebe, ſichert uͤbrigens
am beſten gegen Ausſchweifungen, und der
Umgang mit edlen, ſittſamen Weibern verfei¬
nert den Sinn des Juͤnglings fuͤr Tugend und
Unſchuld, wafnet ſein verwoͤhntes Herz gegen
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/223>, abgerufen am 22.11.2024.
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