Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite
7.

Hüte Dich daher auch, in Gegenwart einer
Dame, die Ansprüche von irgend einer Art macht,
eine Andre wegen gleicher Eigenschaften zu sehr
zu loben, besonders eine Nebenbuhlerinn, mit
den nemlichen Ansprüchen! Es pflegt allen
Menschen, die ein Gefühl von eigenem Werthe
und Begierde zu glänzen haben, vorzüglich
aber den Damen eigen zu seyn, daß sie gern
ausschließlich bewundert werden mögen, es sey
nun wegen Schönheit, wegen Geschmack, we¬
gen Pracht, wegen Talente, wegen Gelehr¬
samkeit, oder weswegen es auch sey. Sprich
daher auch nicht von Aehnlichkeiten, die Du
findest zwischen der Frau, mit welcher Du re¬
dest, und ihren Kindern, oder irgend einer an¬
dern Person. Frauenzimmer haben zuweilen
sonderbare Grillen; man weiß nicht immer,
wie sie sich vorstellen, daß sie aussehen, wie sie
gern aussehn mögten. Die Eine affectirt Sim¬
plicität, Unschuld, Naivetät; die Andre macht
Anspruch an hohe Grazie, Adel und Würde
in Gang und Gebehrde; die Eine sähe es
gern, wenn man sagte: ihr Gesicht verrathe
so viel Sanftmuth; eine Andre mögte männ¬

lich
7.

Huͤte Dich daher auch, in Gegenwart einer
Dame, die Anſpruͤche von irgend einer Art macht,
eine Andre wegen gleicher Eigenſchaften zu ſehr
zu loben, beſonders eine Nebenbuhlerinn, mit
den nemlichen Anſpruͤchen! Es pflegt allen
Menſchen, die ein Gefuͤhl von eigenem Werthe
und Begierde zu glaͤnzen haben, vorzuͤglich
aber den Damen eigen zu ſeyn, daß ſie gern
ausſchließlich bewundert werden moͤgen, es ſey
nun wegen Schoͤnheit, wegen Geſchmack, we¬
gen Pracht, wegen Talente, wegen Gelehr¬
ſamkeit, oder weswegen es auch ſey. Sprich
daher auch nicht von Aehnlichkeiten, die Du
findeſt zwiſchen der Frau, mit welcher Du re¬
deſt, und ihren Kindern, oder irgend einer an¬
dern Perſon. Frauenzimmer haben zuweilen
ſonderbare Grillen; man weiß nicht immer,
wie ſie ſich vorſtellen, daß ſie ausſehen, wie ſie
gern ausſehn moͤgten. Die Eine affectirt Sim¬
plicitaͤt, Unſchuld, Naivetaͤt; die Andre macht
Anſpruch an hohe Grazie, Adel und Wuͤrde
in Gang und Gebehrde; die Eine ſaͤhe es
gern, wenn man ſagte: ihr Geſicht verrathe
ſo viel Sanftmuth; eine Andre moͤgte maͤnn¬

lich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0210" n="180"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>7.<lb/></head>
            <p>Hu&#x0364;te Dich daher auch, in Gegenwart einer<lb/>
Dame, die An&#x017F;pru&#x0364;che von irgend einer Art macht,<lb/>
eine Andre wegen gleicher Eigen&#x017F;chaften zu &#x017F;ehr<lb/>
zu loben, be&#x017F;onders eine Nebenbuhlerinn, mit<lb/>
den nemlichen An&#x017F;pru&#x0364;chen! Es pflegt allen<lb/>
Men&#x017F;chen, die ein Gefu&#x0364;hl von eigenem Werthe<lb/>
und Begierde zu gla&#x0364;nzen haben, vorzu&#x0364;glich<lb/>
aber den Damen eigen zu &#x017F;eyn, daß &#x017F;ie gern<lb/>
aus&#x017F;chließlich bewundert werden mo&#x0364;gen, es &#x017F;ey<lb/>
nun wegen Scho&#x0364;nheit, wegen Ge&#x017F;chmack, we¬<lb/>
gen Pracht, wegen Talente, wegen Gelehr¬<lb/>
&#x017F;amkeit, oder weswegen es auch &#x017F;ey. Sprich<lb/>
daher auch nicht von Aehnlichkeiten, die Du<lb/>
finde&#x017F;t zwi&#x017F;chen der Frau, mit welcher Du re¬<lb/>
de&#x017F;t, und ihren Kindern, oder irgend einer an¬<lb/>
dern Per&#x017F;on. Frauenzimmer haben zuweilen<lb/>
&#x017F;onderbare Grillen; man weiß nicht immer,<lb/>
wie &#x017F;ie &#x017F;ich vor&#x017F;tellen, daß &#x017F;ie aus&#x017F;ehen, wie &#x017F;ie<lb/>
gern aus&#x017F;ehn mo&#x0364;gten. Die Eine affectirt Sim¬<lb/>
plicita&#x0364;t, Un&#x017F;chuld, Naiveta&#x0364;t; die Andre macht<lb/>
An&#x017F;pruch an hohe Grazie, Adel und Wu&#x0364;rde<lb/>
in Gang und Gebehrde; die Eine &#x017F;a&#x0364;he es<lb/>
gern, wenn man &#x017F;agte: ihr Ge&#x017F;icht verrathe<lb/>
&#x017F;o viel Sanftmuth; eine Andre mo&#x0364;gte ma&#x0364;nn¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lich<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0210] 7. Huͤte Dich daher auch, in Gegenwart einer Dame, die Anſpruͤche von irgend einer Art macht, eine Andre wegen gleicher Eigenſchaften zu ſehr zu loben, beſonders eine Nebenbuhlerinn, mit den nemlichen Anſpruͤchen! Es pflegt allen Menſchen, die ein Gefuͤhl von eigenem Werthe und Begierde zu glaͤnzen haben, vorzuͤglich aber den Damen eigen zu ſeyn, daß ſie gern ausſchließlich bewundert werden moͤgen, es ſey nun wegen Schoͤnheit, wegen Geſchmack, we¬ gen Pracht, wegen Talente, wegen Gelehr¬ ſamkeit, oder weswegen es auch ſey. Sprich daher auch nicht von Aehnlichkeiten, die Du findeſt zwiſchen der Frau, mit welcher Du re¬ deſt, und ihren Kindern, oder irgend einer an¬ dern Perſon. Frauenzimmer haben zuweilen ſonderbare Grillen; man weiß nicht immer, wie ſie ſich vorſtellen, daß ſie ausſehen, wie ſie gern ausſehn moͤgten. Die Eine affectirt Sim¬ plicitaͤt, Unſchuld, Naivetaͤt; die Andre macht Anſpruch an hohe Grazie, Adel und Wuͤrde in Gang und Gebehrde; die Eine ſaͤhe es gern, wenn man ſagte: ihr Geſicht verrathe ſo viel Sanftmuth; eine Andre moͤgte maͤnn¬ lich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/210
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/210>, abgerufen am 25.11.2024.