Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Aufsehn; wir wären würklich schwerer auf immer
zu fesseln, und es würde vielleicht nicht schwer
halten, die Ursachen davon anzugeben, wenn
das hierher gehörte.

6.

Treue, ächte Liebe freuet sich in der Stille
des seligen Genusses, prahlt nicht nur nie mit
Gunstbezeugungen, sondern gesteht sich's sogar
selbst kaum, wie froh sie ist. Die glücklichsten
Augenblicke in der Liebe sind da, wo man sich
noch nicht gegen einander mit Worten entdeckt
hat, und doch jede Miene, jeden Blick versteht.
Die wonnevollsten Freuden sind die, welche man
mittheilt und empfängt, ohne dem Verstande
davon Rechenschaft zu geben. Die Feinheit des
Gefühls leidet oft nicht, daß man sich über Dinge
erkläre, die ganz ihren hohen Werth verliehren,
der anständiger Weise ohne Beleidigung der Deli¬
catesse gar nicht mehr gegeben und angenommen
werden können, sobald man etwas darüber gesagt
hat. Man verwilligt stillschweigend, was man
nicht verwilligen darf, wenn es erbethen, oder
wenn es merkbar wird, daß es mit Absicht gege¬
ben werden soll.

7.

Aufſehn; wir waͤren wuͤrklich ſchwerer auf immer
zu feſſeln, und es wuͤrde vielleicht nicht ſchwer
halten, die Urſachen davon anzugeben, wenn
das hierher gehoͤrte.

6.

Treue, aͤchte Liebe freuet ſich in der Stille
des ſeligen Genuſſes, prahlt nicht nur nie mit
Gunſtbezeugungen, ſondern geſteht ſich's ſogar
ſelbſt kaum, wie froh ſie iſt. Die gluͤcklichſten
Augenblicke in der Liebe ſind da, wo man ſich
noch nicht gegen einander mit Worten entdeckt
hat, und doch jede Miene, jeden Blick verſteht.
Die wonnevollſten Freuden ſind die, welche man
mittheilt und empfaͤngt, ohne dem Verſtande
davon Rechenſchaft zu geben. Die Feinheit des
Gefuͤhls leidet oft nicht, daß man ſich uͤber Dinge
erklaͤre, die ganz ihren hohen Werth verliehren,
der anſtaͤndiger Weiſe ohne Beleidigung der Deli¬
cateſſe gar nicht mehr gegeben und angenommen
werden koͤnnen, ſobald man etwas daruͤber geſagt
hat. Man verwilligt ſtillſchweigend, was man
nicht verwilligen darf, wenn es erbethen, oder
wenn es merkbar wird, daß es mit Abſicht gege¬
ben werden ſoll.

7.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0201" n="171"/>
Auf&#x017F;ehn; wir wa&#x0364;ren wu&#x0364;rklich &#x017F;chwerer auf immer<lb/>
zu fe&#x017F;&#x017F;eln, und es wu&#x0364;rde vielleicht nicht &#x017F;chwer<lb/>
halten, die Ur&#x017F;achen davon anzugeben, wenn<lb/>
das hierher geho&#x0364;rte.</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>6.<lb/></head>
            <p>Treue, a&#x0364;chte Liebe freuet &#x017F;ich in der Stille<lb/>
des &#x017F;eligen Genu&#x017F;&#x017F;es, prahlt nicht nur nie mit<lb/>
Gun&#x017F;tbezeugungen, &#x017F;ondern ge&#x017F;teht &#x017F;ich's &#x017F;ogar<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t kaum, wie froh &#x017F;ie i&#x017F;t. Die glu&#x0364;cklich&#x017F;ten<lb/>
Augenblicke in der Liebe &#x017F;ind da, wo man &#x017F;ich<lb/>
noch nicht gegen einander mit Worten entdeckt<lb/>
hat, und doch jede Miene, jeden Blick ver&#x017F;teht.<lb/>
Die wonnevoll&#x017F;ten Freuden &#x017F;ind die, welche man<lb/>
mittheilt und empfa&#x0364;ngt, ohne dem Ver&#x017F;tande<lb/>
davon Rechen&#x017F;chaft zu geben. Die Feinheit des<lb/>
Gefu&#x0364;hls leidet oft nicht, daß man &#x017F;ich u&#x0364;ber Dinge<lb/>
erkla&#x0364;re, die ganz ihren hohen Werth verliehren,<lb/>
der an&#x017F;ta&#x0364;ndiger Wei&#x017F;e ohne Beleidigung der Deli¬<lb/>
cate&#x017F;&#x017F;e gar nicht mehr gegeben und angenommen<lb/>
werden ko&#x0364;nnen, &#x017F;obald man etwas daru&#x0364;ber ge&#x017F;agt<lb/>
hat. Man verwilligt &#x017F;till&#x017F;chweigend, was man<lb/>
nicht verwilligen darf, wenn es erbethen, oder<lb/>
wenn es merkbar wird, daß es mit Ab&#x017F;icht gege¬<lb/>
ben werden &#x017F;oll.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">7.<lb/></fw>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0201] Aufſehn; wir waͤren wuͤrklich ſchwerer auf immer zu feſſeln, und es wuͤrde vielleicht nicht ſchwer halten, die Urſachen davon anzugeben, wenn das hierher gehoͤrte. 6. Treue, aͤchte Liebe freuet ſich in der Stille des ſeligen Genuſſes, prahlt nicht nur nie mit Gunſtbezeugungen, ſondern geſteht ſich's ſogar ſelbſt kaum, wie froh ſie iſt. Die gluͤcklichſten Augenblicke in der Liebe ſind da, wo man ſich noch nicht gegen einander mit Worten entdeckt hat, und doch jede Miene, jeden Blick verſteht. Die wonnevollſten Freuden ſind die, welche man mittheilt und empfaͤngt, ohne dem Verſtande davon Rechenſchaft zu geben. Die Feinheit des Gefuͤhls leidet oft nicht, daß man ſich uͤber Dinge erklaͤre, die ganz ihren hohen Werth verliehren, der anſtaͤndiger Weiſe ohne Beleidigung der Deli¬ cateſſe gar nicht mehr gegeben und angenommen werden koͤnnen, ſobald man etwas daruͤber geſagt hat. Man verwilligt ſtillſchweigend, was man nicht verwilligen darf, wenn es erbethen, oder wenn es merkbar wird, daß es mit Abſicht gege¬ ben werden ſoll. 7.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/201
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/201>, abgerufen am 21.12.2024.