Geschmacke eines Jeden überlassen bleiben. Ich habe oben gesagt, daß ich glaube, es werde nicht durchaus Gleichheit von Neigungen, Temperamenten und Geschmack zum Ehe¬ glücke erfordert. Unerträgliche Sclaverey wäre es daher, sich dergleichen aufdringen lassen zu müssen. Es ist wahrlich schon hart genug, wenn man die Freude entbehren soll, edle Empfindungen, erhabene Gedanken, fei¬ nere Eindrücke, welche seelenerhebende Bü¬ cher, schöne Künste und dergleichen auf uns machen, mit der Gefärthinn unsers Lebens theilen zu können, weil die stumpfen Organen derselben dafür nicht empfänglich sind; aber nun gar diesem Allen entsagen, oder sich in der Wahl seines Umgangs und seiner Freunde nach den abgeschmackten, gefühllosen Grillen eines schiefen Kopfs und kalten Herzens richten, al¬ len wohlthätigen Erquickungen von der Art entsagen zu müssen -- Das ist Höllenpein! und ich brauche wohl nicht hinzuzufügen, daß am wenigsten der Mann, der doch von der Natur und der bürgerlichen Verfassung be¬ stimmt ist, das Haupt, der Regent der Fa¬ milie zu seyn, und der oft Gründe haben
kann,
Geſchmacke eines Jeden uͤberlaſſen bleiben. Ich habe oben geſagt, daß ich glaube, es werde nicht durchaus Gleichheit von Neigungen, Temperamenten und Geſchmack zum Ehe¬ gluͤcke erfordert. Unertraͤgliche Sclaverey waͤre es daher, ſich dergleichen aufdringen laſſen zu muͤſſen. Es iſt wahrlich ſchon hart genug, wenn man die Freude entbehren ſoll, edle Empfindungen, erhabene Gedanken, fei¬ nere Eindruͤcke, welche ſeelenerhebende Buͤ¬ cher, ſchoͤne Kuͤnſte und dergleichen auf uns machen, mit der Gefaͤrthinn unſers Lebens theilen zu koͤnnen, weil die ſtumpfen Organen derſelben dafuͤr nicht empfaͤnglich ſind; aber nun gar dieſem Allen entſagen, oder ſich in der Wahl ſeines Umgangs und ſeiner Freunde nach den abgeſchmackten, gefuͤhlloſen Grillen eines ſchiefen Kopfs und kalten Herzens richten, al¬ len wohlthaͤtigen Erquickungen von der Art entſagen zu muͤſſen — Das iſt Hoͤllenpein! und ich brauche wohl nicht hinzuzufuͤgen, daß am wenigſten der Mann, der doch von der Natur und der buͤrgerlichen Verfaſſung be¬ ſtimmt iſt, das Haupt, der Regent der Fa¬ milie zu ſeyn, und der oft Gruͤnde haben
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Geſchmacke eines Jeden uͤberlaſſen bleiben. Ich
habe oben geſagt, daß ich glaube, es werde
nicht durchaus Gleichheit von Neigungen,
Temperamenten und Geſchmack zum Ehe¬
gluͤcke erfordert. Unertraͤgliche Sclaverey
waͤre es daher, ſich dergleichen aufdringen
laſſen zu muͤſſen. Es iſt wahrlich ſchon hart
genug, wenn man die Freude entbehren ſoll,
edle Empfindungen, erhabene Gedanken, fei¬
nere Eindruͤcke, welche ſeelenerhebende Buͤ¬
cher, ſchoͤne Kuͤnſte und dergleichen auf uns
machen, mit der Gefaͤrthinn unſers Lebens
theilen zu koͤnnen, weil die ſtumpfen Organen
derſelben dafuͤr nicht empfaͤnglich ſind; aber nun
gar dieſem Allen entſagen, oder ſich in der Wahl
ſeines Umgangs und ſeiner Freunde nach den
abgeſchmackten, gefuͤhlloſen Grillen eines
ſchiefen Kopfs und kalten Herzens richten, al¬
len wohlthaͤtigen Erquickungen von der Art
entſagen zu muͤſſen — Das iſt Hoͤllenpein!
und ich brauche wohl nicht hinzuzufuͤgen, daß
am wenigſten der Mann, der doch von der
Natur und der buͤrgerlichen Verfaſſung be¬
ſtimmt iſt, das Haupt, der Regent der Fa¬
milie zu ſeyn, und der oft Gruͤnde haben
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/162>, abgerufen am 26.11.2024.
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