ches gesehn und erlebt hat und davon zu er¬ zählen weiß, nicht an Reiz fehlt.
5.
So viel über das Betragen bejahrter Personen gegen jüngere Leute! Jetzt noch et¬ was von der Aufführung der Jünglinge im Umgange mit Männern und Greisen!
In unsern von Vorurtheilen so säuberlich gereinigten, aufgeklärten Zeiten werden man¬ che Empfindungen, welche Mutter Natur uns eingeprägt hat, wegraisonnirt. Dahin gehört denn auch das Gefühl der Ehrerbietung gegen das hohe Alter. Unsre Jünglinge werden früher reif, früher klug, früher gelehrt; Durch fleißige Lectur, besonders der reichhaltigen Journale, ersetzen sie, was ihnen an Erfah¬ rung und Fleiß mangeln könnte; Dies macht sie so weise, über Dinge entscheiden zu können, wovon man ehemals glaubte, es würde viel¬ jähriges, ämsiges Studium dazu erfordert, nur einigermaßen klar darinn zu sehn. Da¬ her entsteht auch jene edle Selbstigkeit und Zu¬ versicht, die schwächere Köpfe für Unverschämt¬ heit halten, jene Ueberzeugung des eigenen Werths, mit welcher unbärtige Knaben heut
zu
ches geſehn und erlebt hat und davon zu er¬ zaͤhlen weiß, nicht an Reiz fehlt.
5.
So viel uͤber das Betragen bejahrter Perſonen gegen juͤngere Leute! Jetzt noch et¬ was von der Auffuͤhrung der Juͤnglinge im Umgange mit Maͤnnern und Greiſen!
In unſern von Vorurtheilen ſo ſaͤuberlich gereinigten, aufgeklaͤrten Zeiten werden man¬ che Empfindungen, welche Mutter Natur uns eingepraͤgt hat, wegraiſonnirt. Dahin gehoͤrt denn auch das Gefuͤhl der Ehrerbietung gegen das hohe Alter. Unſre Juͤnglinge werden fruͤher reif, fruͤher klug, fruͤher gelehrt; Durch fleißige Lectur, beſonders der reichhaltigen Journale, erſetzen ſie, was ihnen an Erfah¬ rung und Fleiß mangeln koͤnnte; Dies macht ſie ſo weiſe, uͤber Dinge entſcheiden zu koͤnnen, wovon man ehemals glaubte, es wuͤrde viel¬ jaͤhriges, aͤmſiges Studium dazu erfordert, nur einigermaßen klar darinn zu ſehn. Da¬ her entſteht auch jene edle Selbſtigkeit und Zu¬ verſicht, die ſchwaͤchere Koͤpfe fuͤr Unverſchaͤmt¬ heit halten, jene Ueberzeugung des eigenen Werths, mit welcher unbaͤrtige Knaben heut
zu
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ches geſehn und erlebt hat und davon zu er¬
zaͤhlen weiß, nicht an Reiz fehlt.
5.
So viel uͤber das Betragen bejahrter
Perſonen gegen juͤngere Leute! Jetzt noch et¬
was von der Auffuͤhrung der Juͤnglinge im
Umgange mit Maͤnnern und Greiſen!
In unſern von Vorurtheilen ſo ſaͤuberlich
gereinigten, aufgeklaͤrten Zeiten werden man¬
che Empfindungen, welche Mutter Natur uns
eingepraͤgt hat, wegraiſonnirt. Dahin gehoͤrt
denn auch das Gefuͤhl der Ehrerbietung gegen
das hohe Alter. Unſre Juͤnglinge werden
fruͤher reif, fruͤher klug, fruͤher gelehrt; Durch
fleißige Lectur, beſonders der reichhaltigen
Journale, erſetzen ſie, was ihnen an Erfah¬
rung und Fleiß mangeln koͤnnte; Dies macht
ſie ſo weiſe, uͤber Dinge entſcheiden zu koͤnnen,
wovon man ehemals glaubte, es wuͤrde viel¬
jaͤhriges, aͤmſiges Studium dazu erfordert,
nur einigermaßen klar darinn zu ſehn. Da¬
her entſteht auch jene edle Selbſtigkeit und Zu¬
verſicht, die ſchwaͤchere Koͤpfe fuͤr Unverſchaͤmt¬
heit halten, jene Ueberzeugung des eigenen
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/124>, abgerufen am 23.02.2025.
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