Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 2. Stuttgart, 1821.II. Th. II. Tit. Bedingte Rechte; in feindl. Verhältn. eroberten Sachen oder die Souverainetät überdas Land sich zuzueignen c). Ein solches Recht gebührt, nach dem natürlichen Völkerrecht, nur dem gerechten Feind, und weiter nicht als der Zweck des Kriegs es fordert. Nur ein Mittel ist hier die Eroberung, durch welches das Recht des Gerechten wider den Ungerechten in Wirk- samkeit kommt. Was ein Richterspruch jenem zusprechen würde, wenn ein Richter zwischen beiden stünde, das tritt durch die Eroberung in Kraft, für den der wider das Unrecht kämpfte; nur ein solcher hat ein Recht zur Eroberung. Dieser mag sich seines Rechtes bedienen, und keine Protestation, sie komme von dem feind- lichen Souverain, oder von einem Mitglied sei- ner Familie, oder von seinen Gönnern, Bundes- genossen oder Unterthanen, könnte zu irgend einer Zeit einen schwächenden oder entkräften- den Einfluss von Rechtswegen darauf haben. Weigert sich der ungerechte Feind beharrlich, durch einen Friedensschluss die von dem recht- mäsigen Eroberer verlangte Abtretung der er- oberten Gegenstände anzuerkennen, so ist, seines Widerspruchs ungeachtet, das Recht des Erobe- rers, sich solche zuzueignen, vollkommen be- gründet; denn von seiner, des Ungerechten, Willenserklärung kann des Gerechten Befugniss, sich Genugthuung für das Vergangene und Si- cherheit für die Zukunft in vollem Maas zu ver- schaffen, auf keine Weise abhängen. Die un- II. Th. II. Tit. Bedingte Rechte; in feindl. Verhältn. eroberten Sachen oder die Souverainetät überdas Land sich zuzueignen c). Ein solches Recht gebührt, nach dem natürlichen Völkerrecht, nur dem gerechten Feind, und weiter nicht als der Zweck des Kriegs es fordert. Nur ein Mittel ist hier die Eroberung, durch welches das Recht des Gerechten wider den Ungerechten in Wirk- samkeit kommt. Was ein Richterspruch jenem zusprechen würde, wenn ein Richter zwischen beiden stünde, das tritt durch die Eroberung in Kraft, für den der wider das Unrecht kämpfte; nur ein solcher hat ein Recht zur Eroberung. Dieser mag sich seines Rechtes bedienen, und keine Protestation, sie komme von dem feind- lichen Souverain, oder von einem Mitglied sei- ner Familie, oder von seinen Gönnern, Bundes- genossen oder Unterthanen, könnte zu irgend einer Zeit einen schwächenden oder entkräften- den Einfluſs von Rechtswegen darauf haben. Weigert sich der ungerechte Feind beharrlich, durch einen Friedensschluſs die von dem recht- mäsigen Eroberer verlangte Abtretung der er- oberten Gegenstände anzuerkennen, so ist, seines Widerspruchs ungeachtet, das Recht des Erobe- rers, sich solche zuzueignen, vollkommen be- gründet; denn von seiner, des Ungerechten, Willenserklärung kann des Gerechten Befugniſs, sich Genugthuung für das Vergangene und Si- cherheit für die Zukunft in vollem Maas zu ver- schaffen, auf keine Weise abhängen. Die un- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0044" n="412"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">II. Th. II. Tit. Bedingte Rechte; in feindl. Verhältn.</hi></fw><lb/> eroberten Sachen oder die Souverainetät über<lb/> das Land sich zuzueignen <hi rendition="#i">c</hi>). Ein solches Recht<lb/> gebührt, nach dem <hi rendition="#i">natürlichen</hi> Völkerrecht, nur<lb/> dem gerechten Feind, und weiter nicht als der<lb/> Zweck des Kriegs es fordert. Nur ein Mittel<lb/> ist hier die Eroberung, durch welches das Recht<lb/> des Gerechten wider den Ungerechten in Wirk-<lb/> samkeit kommt. Was ein Richterspruch jenem<lb/> zusprechen würde, wenn ein Richter zwischen<lb/> beiden stünde, das tritt durch die Eroberung in<lb/> Kraft, für den der wider das Unrecht kämpfte;<lb/> nur ein solcher hat ein <hi rendition="#i">Recht</hi> zur Eroberung.<lb/> Dieser mag sich seines Rechtes bedienen, und<lb/> keine Protestation, sie komme von dem feind-<lb/> lichen Souverain, oder von einem Mitglied sei-<lb/> ner Familie, oder von seinen Gönnern, Bundes-<lb/> genossen oder Unterthanen, könnte zu irgend<lb/> einer Zeit einen schwächenden oder entkräften-<lb/> den Einfluſs von Rechtswegen darauf haben.<lb/> Weigert sich der ungerechte Feind beharrlich,<lb/> durch einen Friedensschluſs die von dem recht-<lb/> mäsigen Eroberer verlangte Abtretung der er-<lb/> oberten Gegenstände anzuerkennen, so ist, seines<lb/> Widerspruchs ungeachtet, das Recht des Erobe-<lb/> rers, sich solche zuzueignen, vollkommen be-<lb/> gründet; denn von seiner, des Ungerechten,<lb/> Willenserklärung kann des Gerechten Befugniſs,<lb/> sich Genugthuung für das Vergangene und Si-<lb/> cherheit für die Zukunft in vollem Maas zu ver-<lb/> schaffen, auf keine Weise abhängen. Die un-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [412/0044]
II. Th. II. Tit. Bedingte Rechte; in feindl. Verhältn.
eroberten Sachen oder die Souverainetät über
das Land sich zuzueignen c). Ein solches Recht
gebührt, nach dem natürlichen Völkerrecht, nur
dem gerechten Feind, und weiter nicht als der
Zweck des Kriegs es fordert. Nur ein Mittel
ist hier die Eroberung, durch welches das Recht
des Gerechten wider den Ungerechten in Wirk-
samkeit kommt. Was ein Richterspruch jenem
zusprechen würde, wenn ein Richter zwischen
beiden stünde, das tritt durch die Eroberung in
Kraft, für den der wider das Unrecht kämpfte;
nur ein solcher hat ein Recht zur Eroberung.
Dieser mag sich seines Rechtes bedienen, und
keine Protestation, sie komme von dem feind-
lichen Souverain, oder von einem Mitglied sei-
ner Familie, oder von seinen Gönnern, Bundes-
genossen oder Unterthanen, könnte zu irgend
einer Zeit einen schwächenden oder entkräften-
den Einfluſs von Rechtswegen darauf haben.
Weigert sich der ungerechte Feind beharrlich,
durch einen Friedensschluſs die von dem recht-
mäsigen Eroberer verlangte Abtretung der er-
oberten Gegenstände anzuerkennen, so ist, seines
Widerspruchs ungeachtet, das Recht des Erobe-
rers, sich solche zuzueignen, vollkommen be-
gründet; denn von seiner, des Ungerechten,
Willenserklärung kann des Gerechten Befugniſs,
sich Genugthuung für das Vergangene und Si-
cherheit für die Zukunft in vollem Maas zu ver-
schaffen, auf keine Weise abhängen. Die un-
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Zitationshilfe: | Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 2. Stuttgart, 1821, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klueber_voelkerrecht02_1821/44>, abgerufen am 23.07.2024. |