Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821.II. Th. II. Tit. BedingteRechte; in friedl. Verhältn. Schutz eines angegriffenen Rechtes, so weit esnöthig, angewandt ward e). Der ungerechte Zwang, wodurch ein Dritter den versprechen- den Staat einzuwilligen nöthigte, macht den Ver- trag nur dann ungültig, wenn der das Ver- sprechen annehmende Theil zu der unrechtmä- sigen Handlung des Dritten wissentlich mitgewirkt hat f). a) Bynkershoek quaest. juris publ. lib. I. c. 10. N. G. Gund- ling lib. sing. de efficientia metus, tum in promissionibus liberar. gentium etc. Hal. 1711. u. in s. Exercit. acad. T. II. n. 2. Christ. Otto van Boeckelen de exceptionibus tacitis in pactis publicis. Groening. 1730. 4. u. in s. Opusc. A. E. Rossmann von den Ausflüchten im Völkerrecht (in den Er- lang. gel. Anzeigen, 1744, Num. 37 u. 38, u. in J. C. Sie- benkees jurist. Magazin, Bd. I, Num. 4, S. 40 ff.) §. 26. Schmalz a. a. O., S. 55 f. b) Etliche behaupten, dass nur ein schriftlicher Staatsvertrag verbindende Kraft habe. S. oben §. 141, Note a. c) Beispiele in de Martens recueil, III. 103. 166. 248. IV. 565. Moser's Versuch, X. 2. 377. d) So der Handelsvertrag zwischen Oestreich und Russland, von 1785, in de Martens recueil, II. 620. 632. e) So bei einem Friedensschluss, durch welchen der Sieger einen von seiner Seite gerechten Krieg endigt. -- Für un- gültig wird der Vertrag mit einer unterjochten Nation er- klärt, nicht weil er erzwungen sey, sondern weil er "von Jemand eingegangen worden, der als keine Rechte habend angesehen werde", in der Minerva, Jun. 1817, S. 425. f) Da es meist an Evidenz, bald der Thatsache des Zwanges, bald seiner Unrechtmäsigkeit fehlt, und in solchem Fall Be- weisführung und deren Prüfung nöthig wäre, so wird die Anwendung obiger Grundsätze in hypothesi oft mit vielen Schwierigkeiten verbunden seyn. Desswegen kann selbst das StaatsInteresse anrathen, einen Staatsvertrag aus dem Grunde des unrechtmäsigen Zwanges nicht anzufechten. II. Th. II. Tit. BedingteRechte; in friedl. Verhältn. Schutz eines angegriffenen Rechtes, so weit esnöthig, angewandt ward e). Der ungerechte Zwang, wodurch ein Dritter den versprechen- den Staat einzuwilligen nöthigte, macht den Ver- trag nur dann ungültig, wenn der das Ver- sprechen annehmende Theil zu der unrechtmä- sigen Handlung des Dritten wissentlich mitgewirkt hat f). a) Bynkershoek quaest. juris publ. lib. I. c. 10. N. G. Gund- ling lib. sing. de efficientia metus, tum in promissionibus liberar. gentium etc. Hal. 1711. u. in s. Exercit. acad. T. II. n. 2. Christ. Otto van Boeckelen de exceptionibus tacitis in pactis publicis. Groening. 1730. 4. u. in s. Opusc. A. E. Rossmann von den Ausflüchten im Völkerrecht (in den Er- lang. gel. Anzeigen, 1744, Num. 37 u. 38, u. in J. C. Sie- benkees jurist. Magazin, Bd. I, Num. 4, S. 40 ff.) §. 26. Schmalz a. a. O., S. 55 f. b) Etliche behaupten, daſs nur ein schriftlicher Staatsvertrag verbindende Kraft habe. S. oben §. 141, Note a. c) Beispiele in de Martens recueil, III. 103. 166. 248. IV. 565. Moser’s Versuch, X. 2. 377. d) So der Handelsvertrag zwischen Oestreich und Ruſsland, von 1785, in de Martens recueil, II. 620. 632. e) So bei einem Friedensschluſs, durch welchen der Sieger einen von seiner Seite gerechten Krieg endigt. — Für un- gültig wird der Vertrag mit einer unterjochten Nation er- klärt, nicht weil er erzwungen sey, sondern weil er „von Jemand eingegangen worden, der als keine Rechte habend angesehen werde“, in der Minerva, Jun. 1817, S. 425. f) Da es meist an Evidenz, bald der Thatsache des Zwanges, bald seiner Unrechtmäsigkeit fehlt, und in solchem Fall Be- weisführung und deren Prüfung nöthig wäre, so wird die Anwendung obiger Grundsätze in hypothesi oft mit vielen Schwierigkeiten verbunden seyn. Deſswegen kann selbst das StaatsInteresse anrathen, einen Staatsvertrag aus dem Grunde des unrechtmäsigen Zwanges nicht anzufechten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0238" n="232"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">II. Th. II. Tit. BedingteRechte; in friedl. Verhältn.</hi></fw><lb/> Schutz eines angegriffenen Rechtes, so weit es<lb/> nöthig, angewandt ward <hi rendition="#i">e</hi>). Der ungerechte<lb/> Zwang, wodurch ein Dritter den versprechen-<lb/> den Staat einzuwilligen nöthigte, macht den Ver-<lb/> trag nur dann ungültig, wenn der das Ver-<lb/> sprechen annehmende Theil zu der unrechtmä-<lb/> sigen Handlung des Dritten wissentlich mitgewirkt<lb/> hat <hi rendition="#i">f</hi>).</p><lb/> <note place="end" n="a)"><hi rendition="#k">Bynkershoek</hi> quaest. juris publ. lib. I. c. 10. N. 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II. Th. II. Tit. BedingteRechte; in friedl. Verhältn.
Schutz eines angegriffenen Rechtes, so weit es
nöthig, angewandt ward e). Der ungerechte
Zwang, wodurch ein Dritter den versprechen-
den Staat einzuwilligen nöthigte, macht den Ver-
trag nur dann ungültig, wenn der das Ver-
sprechen annehmende Theil zu der unrechtmä-
sigen Handlung des Dritten wissentlich mitgewirkt
hat f).
a⁾ Bynkershoek quaest. juris publ. lib. I. c. 10. N. G. Gund-
ling lib. sing. de efficientia metus, tum in promissionibus
liberar. gentium etc. Hal. 1711. u. in s. Exercit. acad. T. II.
n. 2. Christ. Otto van Boeckelen de exceptionibus tacitis
in pactis publicis. Groening. 1730. 4. u. in s. Opusc. A. E.
Rossmann von den Ausflüchten im Völkerrecht (in den Er-
lang. gel. Anzeigen, 1744, Num. 37 u. 38, u. in J. C. Sie-
benkees jurist. Magazin, Bd. I, Num. 4, S. 40 ff.) §. 26.
Schmalz a. a. O., S. 55 f.
b⁾ Etliche behaupten, daſs nur ein schriftlicher Staatsvertrag
verbindende Kraft habe. S. oben §. 141, Note a.
c⁾ Beispiele in de Martens recueil, III. 103. 166. 248. IV. 565.
Moser’s Versuch, X. 2. 377.
d⁾ So der Handelsvertrag zwischen Oestreich und Ruſsland,
von 1785, in de Martens recueil, II. 620. 632.
e⁾ So bei einem Friedensschluſs, durch welchen der Sieger
einen von seiner Seite gerechten Krieg endigt. — Für un-
gültig wird der Vertrag mit einer unterjochten Nation er-
klärt, nicht weil er erzwungen sey, sondern weil er „von
Jemand eingegangen worden, der als keine Rechte habend
angesehen werde“, in der Minerva, Jun. 1817, S. 425.
f⁾ Da es meist an Evidenz, bald der Thatsache des Zwanges,
bald seiner Unrechtmäsigkeit fehlt, und in solchem Fall Be-
weisführung und deren Prüfung nöthig wäre, so wird die
Anwendung obiger Grundsätze in hypothesi oft mit vielen
Schwierigkeiten verbunden seyn. Deſswegen kann selbst das
StaatsInteresse anrathen, einen Staatsvertrag aus dem Grunde
des unrechtmäsigen Zwanges nicht anzufechten.
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Zitationshilfe: | Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klueber_voelkerrecht01_1821/238>, abgerufen am 16.07.2024. |