Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821.I. Cap. Recht des Staatseigenthums. sung Anderer fortwährend zu bemächtigen, unddieselbe mit einem, die Fortdauer des erlangten eigenthümlichen Besitzes aussprechenden Merk- mal zu versehen, verbunden mit der völker- rechtlichen Unwirksamkeit eines blossen Mental- oder Ideal Besitzes (§. 126), legt allen Staaten die Pflicht auf, die offene See für unbesitzbar, mithin fortdauernd als Niemand gehörig, und eben darum für frei von Eigenthum und Ober- herrschaft (mare liberum) anzuerkennen a). Sie sind folglich gegenseitig verpflichtet, ein- ander an dem Gebrauch derselben nicht zu hin- dern b). Wenn es indess an sich jedem Staat wie an Macht, also auch an Recht fehlt, Ei- genthum und Oberherrschaft über die offene See zu behaupten, so wäre doch deren Einräu- mung durch Vertrag, von Seite der Interessen- ten, aller oder einzelner, ganz oder theilweise, denkbar c). Doch würde dieses nur die Ein- willigenden verpflichten, und auch diese nur gegen den andern contrahirenden Theil. a) Diese merkwürdige Frage ist verschieden beantwortet wor- den. Einige behaupten die Freiheit der offenen See, z. B. Grotius (1609), Graswinkel, Böcler, Glafey, Wolff, Schrodt, Günther, Kant (metaphys. Anfangsgr. der Rechtslehre, S. 95), Hanker a. a. O. §. 18 f., u. a. De la liberte des mers, par M. Gerard de Rayneval. a Paris 1811. 2 vol. 8. Auch ins Englische übersetzt in England und Nordamerika, 1812. -- Andere streiten für Eigenthum und Oberherrschaft, z. B. Freitas (1625), Selden (1635), Strauch, Conring, Bouchaud (1777), u. der Verf. von A general Treatise of the dominion of the Sea and a compleat body of the Sea-laws. Lond. 1709.-- Noch Kläber's europ. Völkerr. I. 14
I. Cap. Recht des Staatseigenthums. sung Anderer fortwährend zu bemächtigen, unddieselbe mit einem, die Fortdauer des erlangten eigenthümlichen Besitzes aussprechenden Merk- mal zu versehen, verbunden mit der völker- rechtlichen Unwirksamkeit eines blossen Mental- oder Ideal Besitzes (§. 126), legt allen Staaten die Pflicht auf, die offene See für unbesitzbar, mithin fortdauernd als Niemand gehörig, und eben darum für frei von Eigenthum und Ober- herrschaft (mare liberum) anzuerkennen a). Sie sind folglich gegenseitig verpflichtet, ein- ander an dem Gebrauch derselben nicht zu hin- dern b). Wenn es indeſs an sich jedem Staat wie an Macht, also auch an Recht fehlt, Ei- genthum und Oberherrschaft über die offene See zu behaupten, so wäre doch deren Einräu- mung durch Vertrag, von Seite der Interessen- ten, aller oder einzelner, ganz oder theilweise, denkbar c). Doch würde dieses nur die Ein- willigenden verpflichten, und auch diese nur gegen den andern contrahirenden Theil. a) Diese merkwürdige Frage ist verschieden beantwortet wor- den. Einige behaupten die Freiheit der offenen See, z. B. Grotius (1609), Graswinkel, Böcler, Glafey, Wolff, Schrodt, Günther, Kant (metaphys. Anfangsgr. der Rechtslehre, S. 95), Hanker a. a. O. §. 18 f., u. a. De la liberté des mers, par M. Gérard de Rayneval. à Paris 1811. 2 vol. 8. Auch ins Englische übersetzt in England und Nordamerika, 1812. — Andere streiten für Eigenthum und Oberherrschaft, z. B. Freitas (1625), Selden (1635), Strauch, Conring, Bouchaud (1777), u. der Verf. von A general Treatise of the dominion of the Sea and a compleat body of the Sea-laws. Lond. 1709.— Noch Kläber’s europ. Völkerr. I. 14
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I. Cap. Recht des Staatseigenthums.
sung Anderer fortwährend zu bemächtigen, und
dieselbe mit einem, die Fortdauer des erlangten
eigenthümlichen Besitzes aussprechenden Merk-
mal zu versehen, verbunden mit der völker-
rechtlichen Unwirksamkeit eines blossen Mental-
oder Ideal Besitzes (§. 126), legt allen Staaten
die Pflicht auf, die offene See für unbesitzbar,
mithin fortdauernd als Niemand gehörig, und
eben darum für frei von Eigenthum und Ober-
herrschaft (mare liberum) anzuerkennen a).
Sie sind folglich gegenseitig verpflichtet, ein-
ander an dem Gebrauch derselben nicht zu hin-
dern b). Wenn es indeſs an sich jedem Staat
wie an Macht, also auch an Recht fehlt, Ei-
genthum und Oberherrschaft über die offene
See zu behaupten, so wäre doch deren Einräu-
mung durch Vertrag, von Seite der Interessen-
ten, aller oder einzelner, ganz oder theilweise,
denkbar c). Doch würde dieses nur die Ein-
willigenden verpflichten, und auch diese nur
gegen den andern contrahirenden Theil.
a⁾ Diese merkwürdige Frage ist verschieden beantwortet wor-
den. Einige behaupten die Freiheit der offenen See, z. B.
Grotius (1609), Graswinkel, Böcler, Glafey, Wolff, Schrodt,
Günther, Kant (metaphys. Anfangsgr. der Rechtslehre, S. 95),
Hanker a. a. O. §. 18 f., u. a. De la liberté des mers,
par M. Gérard de Rayneval. à Paris 1811. 2 vol. 8. Auch
ins Englische übersetzt in England und Nordamerika, 1812. —
Andere streiten für Eigenthum und Oberherrschaft, z. B.
Freitas (1625), Selden (1635), Strauch, Conring, Bouchaud
(1777), u. der Verf. von A general Treatise of the dominion of the
Sea and a compleat body of the Sea-laws. Lond. 1709.— Noch
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