Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

muss jeder von ihnen alle Rechte haben, welche
unbedingt daraus fliessen. Es gebühren also
von Natur allen Staaten gleiche Rechte, die
rechtliche Gleichheit. Da das natürliche gegen-
seitige Verhältniss der Staaten überall dasselbe,
mithin wesentlich ist, so wird jene Gleichheit
durch zufällige Eigenschaften eines Staates nicht
gemindert, noch aufgehoben; nicht durch Ver-
hältnisse des Alters, der Volksmenge, des Staats-
gebietes, der Macht, der Staatsform, des Re-
gentenTitels, der Cultur jeder Art a), des An-
sehens, der von andern Staaten erhaltenen Eh-
renbezeugungen, u. d. Insbesondere gestattet
die rechtliche Gleichheit nicht die Anmassung
eines Vorranges, einer Oberherrschaft, der Gericht-
barkeit, des Strafrechtes, gegen andere Staaten.

a) Wie unter einzelnen Menschen in dem Naturstande, so giebt
es auch unter unabhängigen Staaten keine NaturSclaven (non
dantur gentes a natura servae). Was Aristoteles Polit.
lib. I. c. 3.), und lang nach ihm ein Ungenannter (Deut-
scher Mercur, Nov. 1777) für das Gegentheil behaupteten,
ist gründlich widerlegt von Jacobi, in dem Deutschen Mu-
seum v. 1781, St. VI, S. 522 ff. Vergl. auch Franc. Hut-
gheson
's System of moral Philosophy, B. III, ch. 10, §. 14.
§. 90.
Auch in dem Ceremoniel.

Die rechtliche Gleichheit äussert ihre Wir-
kung in der Regel auch in dem Ceremoniel der
Staaten unter sich, das heisst, in dem Inbegriff
der Förmlichkeiten bei ihrem gegenseitigen Be-

muſs jeder von ihnen alle Rechte haben, welche
unbedingt daraus fliessen. Es gebühren also
von Natur allen Staaten gleiche Rechte, die
rechtliche Gleichheit. Da das natürliche gegen-
seitige Verhältniſs der Staaten überall dasselbe,
mithin wesentlich ist, so wird jene Gleichheit
durch zufällige Eigenschaften eines Staates nicht
gemindert, noch aufgehoben; nicht durch Ver-
hältnisse des Alters, der Volksmenge, des Staats-
gebietes, der Macht, der Staatsform, des Re-
gentenTitels, der Cultur jeder Art a), des An-
sehens, der von andern Staaten erhaltenen Eh-
renbezeugungen, u. d. Insbesondere gestattet
die rechtliche Gleichheit nicht die Anmassung
eines Vorranges, einer Oberherrschaft, der Gericht-
barkeit, des Strafrechtes, gegen andere Staaten.

a) Wie unter einzelnen Menschen in dem Naturstande, so giebt
es auch unter unabhängigen Staaten keine NaturSclaven (non
dantur gentes a natura servae). Was Aristoteles Polit.
lib. I. c. 3.), und lang nach ihm ein Ungenannter (Deut-
scher Mercur, Nov. 1777) für das Gegentheil behaupteten,
ist gründlich widerlegt von Jacobi, in dem Deutschen Mu-
seum v. 1781, St. VI, S. 522 ff. Vergl. auch Franc. Hut-
gheson
’s System of moral Philosophy, B. III, ch. 10, §. 14.
§. 90.
Auch in dem Ceremoniel.

Die rechtliche Gleichheit äussert ihre Wir-
kung in der Regel auch in dem Ceremoniel der
Staaten unter sich, das heiſst, in dem Inbegriff
der Förmlichkeiten bei ihrem gegenseitigen Be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0153" n="147"/>
mu&#x017F;s <hi rendition="#i">jeder</hi> von ihnen <hi rendition="#i">alle</hi> Rechte haben, welche<lb/>
unbedingt daraus fliessen. Es gebühren also<lb/>
von Natur allen Staaten gleiche Rechte, die<lb/><hi rendition="#i">rechtliche Gleichheit</hi>. Da das natürliche gegen-<lb/>
seitige Verhältni&#x017F;s der Staaten überall dasselbe,<lb/>
mithin wesentlich ist, so wird jene Gleichheit<lb/>
durch zufällige Eigenschaften eines Staates nicht<lb/>
gemindert, noch aufgehoben; nicht durch Ver-<lb/>
hältnisse des Alters, der Volksmenge, des Staats-<lb/>
gebietes, der Macht, der Staatsform, des Re-<lb/>
gentenTitels, der Cultur jeder Art <hi rendition="#i">a</hi>), des An-<lb/>
sehens, der von andern Staaten erhaltenen Eh-<lb/>
renbezeugungen, u. d. Insbesondere gestattet<lb/>
die rechtliche Gleichheit nicht die Anmassung<lb/>
eines Vorranges, einer Oberherrschaft, der Gericht-<lb/>
barkeit, des Strafrechtes, gegen andere Staaten.</p><lb/>
                <note place="end" n="a)">Wie unter einzelnen Menschen in dem Naturstande, so giebt<lb/>
es auch unter unabhängigen Staaten keine <hi rendition="#i">NaturSclaven</hi> (non<lb/>
dantur gentes a natura servae). Was <hi rendition="#k">Aristoteles</hi> Polit.<lb/>
lib. I. c. 3.), und lang nach ihm ein Ungenannter (Deut-<lb/>
scher Mercur, Nov. 1777) für das Gegentheil behaupteten,<lb/>
ist gründlich widerlegt von <hi rendition="#k">Jacobi</hi>, in dem Deutschen Mu-<lb/>
seum v. 1781, St. VI, S. 522 ff. Vergl. auch Franc. <hi rendition="#k">Hut-<lb/>
gheson</hi>&#x2019;s System of moral Philosophy, B. III, ch. 10, §. 14.</note>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>§. 90.<lb/><hi rendition="#i">Auch in dem Ceremoniel.</hi></head><lb/>
                <p>Die rechtliche Gleichheit äussert ihre Wir-<lb/>
kung in der Regel auch in dem <hi rendition="#i">Ceremoniel</hi> der<lb/>
Staaten unter sich, das hei&#x017F;st, in dem Inbegriff<lb/>
der Förmlichkeiten bei ihrem gegenseitigen Be-<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0153] muſs jeder von ihnen alle Rechte haben, welche unbedingt daraus fliessen. Es gebühren also von Natur allen Staaten gleiche Rechte, die rechtliche Gleichheit. Da das natürliche gegen- seitige Verhältniſs der Staaten überall dasselbe, mithin wesentlich ist, so wird jene Gleichheit durch zufällige Eigenschaften eines Staates nicht gemindert, noch aufgehoben; nicht durch Ver- hältnisse des Alters, der Volksmenge, des Staats- gebietes, der Macht, der Staatsform, des Re- gentenTitels, der Cultur jeder Art a), des An- sehens, der von andern Staaten erhaltenen Eh- renbezeugungen, u. d. Insbesondere gestattet die rechtliche Gleichheit nicht die Anmassung eines Vorranges, einer Oberherrschaft, der Gericht- barkeit, des Strafrechtes, gegen andere Staaten. a⁾ Wie unter einzelnen Menschen in dem Naturstande, so giebt es auch unter unabhängigen Staaten keine NaturSclaven (non dantur gentes a natura servae). Was Aristoteles Polit. lib. I. c. 3.), und lang nach ihm ein Ungenannter (Deut- scher Mercur, Nov. 1777) für das Gegentheil behaupteten, ist gründlich widerlegt von Jacobi, in dem Deutschen Mu- seum v. 1781, St. VI, S. 522 ff. Vergl. auch Franc. Hut- gheson’s System of moral Philosophy, B. III, ch. 10, §. 14. §. 90. Auch in dem Ceremoniel. Die rechtliche Gleichheit äussert ihre Wir- kung in der Regel auch in dem Ceremoniel der Staaten unter sich, das heiſst, in dem Inbegriff der Förmlichkeiten bei ihrem gegenseitigen Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klueber_voelkerrecht01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klueber_voelkerrecht01_1821/153
Zitationshilfe: Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klueber_voelkerrecht01_1821/153>, abgerufen am 04.12.2024.