I. Vorbegriffe. §. 5. Neuheit der Erfindung (Fortsetzung).
cher zu dem so eben angeführten Falle Hare v. Harford & Taylor in einem bemerkenswerthen Gegensatze steht1).
Minter erhielt ein Patent auf einen stellbaren Stuhl mit selbstwirkender Stellvorrichtung, bei welchem der Druck der sitzenden Person auf die Rücklehne mit dem auf den Sitz wir- kenden Gewichte so in Gleichgewicht gebracht ist, dass dem Stuhle durch einen Druck gegen die Rücklehne jede beliebige Neigung gegeben werden kann, ohne dass es einer Vorrichtung bedarf, ihn in dieser Lage festzuhalten. Es wurde erwiesen, dass dieselbe Construction eines stellbaren Stuhles früher von Browne erfunden und veröffentlicht war, ohne dass indess der Erfinder die selbstwirkende Thätigkeit seiner Vorrichtung erkannt hatte. Er hatte dieselbe vielmehr mit einer ganz entbehrlichen Vorrichtung verbunden, welche die Bewegung der Rücklehne ver- hinderte, so lange dieselbe nicht durch den Druck auf eine Feder gelöst wurde. Die Jury hatte ihr Verdict für die Neuheit der Minterschen Erfindung gegeben, indem sie fand, dass Browne zwar das Prinzip der fraglichen Construction erfunden und veröf- fentlicht habe, nicht aber den practischen Nutzen entdeckt habe, zu welchem die Erfindung Minters dieselbe verwendet habe. Der Gerichtshof erkannte indess auf Abweisung, indem er ausführte: "Minter sei ohne Zweifel berechtigt gewesen, ein Ver- besserungspatent zu lösen, dessen Gegenstand die Weglassung der überflüssigen Vorrichtung an Brownes Stuhl betroffen hätte, da er jedoch ein Patent auf den bereits in allen seinen Theilen be- schriebenen und veröffentlichten stellbaren Stuhl selbst genom- men habe, so sei das Patent ungültig, weil dasselhe offenbar den Erfinder Browne verhindern würde, den von ihm construir- ten Stuhl weiter zu fabriziren."
Der Thatbestand der Veröffentlichung allein genügt, um das Requisit der Neuheit der Erfindung auszuschliessen. Es kommt also nicht darauf an, von wem die Veröffentlichung ausgegangen ist, welche Personen von derselben Kenntniss ge- nommen haben, oder zu welchem Zwecke dieselbe stattgefun- den hat. Daher bleibt der Patentschutz auch in dem Falle aus- geschlossen, wenn eine von dem Erfinder geheim gehaltene Erfindung ohne sein Vorwissen von einem Unberechtigten pu- blicirt wird. Auch wenn die Mittheilung durch einen Betrug
1) Godson l. c. p. 157 f.
I. Vorbegriffe. §. 5. Neuheit der Erfindung (Fortsetzung).
cher zu dem so eben angeführten Falle Hare v. Harford & Taylor in einem bemerkenswerthen Gegensatze steht1).
Minter erhielt ein Patent auf einen stellbaren Stuhl mit selbstwirkender Stellvorrichtung, bei welchem der Druck der sitzenden Person auf die Rücklehne mit dem auf den Sitz wir- kenden Gewichte so in Gleichgewicht gebracht ist, dass dem Stuhle durch einen Druck gegen die Rücklehne jede beliebige Neigung gegeben werden kann, ohne dass es einer Vorrichtung bedarf, ihn in dieser Lage festzuhalten. Es wurde erwiesen, dass dieselbe Construction eines stellbaren Stuhles früher von Browne erfunden und veröffentlicht war, ohne dass indess der Erfinder die selbstwirkende Thätigkeit seiner Vorrichtung erkannt hatte. Er hatte dieselbe vielmehr mit einer ganz entbehrlichen Vorrichtung verbunden, welche die Bewegung der Rücklehne ver- hinderte, so lange dieselbe nicht durch den Druck auf eine Feder gelöst wurde. Die Jury hatte ihr Verdict für die Neuheit der Minterschen Erfindung gegeben, indem sie fand, dass Browne zwar das Prinzip der fraglichen Construction erfunden und veröf- fentlicht habe, nicht aber den practischen Nutzen entdeckt habe, zu welchem die Erfindung Minters dieselbe verwendet habe. Der Gerichtshof erkannte indess auf Abweisung, indem er ausführte: »Minter sei ohne Zweifel berechtigt gewesen, ein Ver- besserungspatent zu lösen, dessen Gegenstand die Weglassung der überflüssigen Vorrichtung an Brownes Stuhl betroffen hätte, da er jedoch ein Patent auf den bereits in allen seinen Theilen be- schriebenen und veröffentlichten stellbaren Stuhl selbst genom- men habe, so sei das Patent ungültig, weil dasselhe offenbar den Erfinder Browne verhindern würde, den von ihm construir- ten Stuhl weiter zu fabriziren.«
Der Thatbestand der Veröffentlichung allein genügt, um das Requisit der Neuheit der Erfindung auszuschliessen. Es kommt also nicht darauf an, von wem die Veröffentlichung ausgegangen ist, welche Personen von derselben Kenntniss ge- nommen haben, oder zu welchem Zwecke dieselbe stattgefun- den hat. Daher bleibt der Patentschutz auch in dem Falle aus- geschlossen, wenn eine von dem Erfinder geheim gehaltene Erfindung ohne sein Vorwissen von einem Unberechtigten pu- blicirt wird. Auch wenn die Mittheilung durch einen Betrug
1) Godson l. c. p. 157 f.
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I. Vorbegriffe. §. 5. Neuheit der Erfindung (Fortsetzung).
cher zu dem so eben angeführten Falle Hare v. Harford &
Taylor in einem bemerkenswerthen Gegensatze steht 1).
Minter erhielt ein Patent auf einen stellbaren Stuhl mit
selbstwirkender Stellvorrichtung, bei welchem der Druck der
sitzenden Person auf die Rücklehne mit dem auf den Sitz wir-
kenden Gewichte so in Gleichgewicht gebracht ist, dass dem
Stuhle durch einen Druck gegen die Rücklehne jede beliebige
Neigung gegeben werden kann, ohne dass es einer Vorrichtung
bedarf, ihn in dieser Lage festzuhalten. Es wurde erwiesen,
dass dieselbe Construction eines stellbaren Stuhles früher von
Browne erfunden und veröffentlicht war, ohne dass indess der
Erfinder die selbstwirkende Thätigkeit seiner Vorrichtung erkannt
hatte. Er hatte dieselbe vielmehr mit einer ganz entbehrlichen
Vorrichtung verbunden, welche die Bewegung der Rücklehne ver-
hinderte, so lange dieselbe nicht durch den Druck auf eine Feder
gelöst wurde. Die Jury hatte ihr Verdict für die Neuheit der
Minterschen Erfindung gegeben, indem sie fand, dass Browne
zwar das Prinzip der fraglichen Construction erfunden und veröf-
fentlicht habe, nicht aber den practischen Nutzen entdeckt
habe, zu welchem die Erfindung Minters dieselbe verwendet
habe. Der Gerichtshof erkannte indess auf Abweisung, indem er
ausführte: »Minter sei ohne Zweifel berechtigt gewesen, ein Ver-
besserungspatent zu lösen, dessen Gegenstand die Weglassung der
überflüssigen Vorrichtung an Brownes Stuhl betroffen hätte, da
er jedoch ein Patent auf den bereits in allen seinen Theilen be-
schriebenen und veröffentlichten stellbaren Stuhl selbst genom-
men habe, so sei das Patent ungültig, weil dasselhe offenbar
den Erfinder Browne verhindern würde, den von ihm construir-
ten Stuhl weiter zu fabriziren.«
Der Thatbestand der Veröffentlichung allein genügt, um
das Requisit der Neuheit der Erfindung auszuschliessen. Es
kommt also nicht darauf an, von wem die Veröffentlichung
ausgegangen ist, welche Personen von derselben Kenntniss ge-
nommen haben, oder zu welchem Zwecke dieselbe stattgefun-
den hat. Daher bleibt der Patentschutz auch in dem Falle aus-
geschlossen, wenn eine von dem Erfinder geheim gehaltene
Erfindung ohne sein Vorwissen von einem Unberechtigten pu-
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1) Godson l. c. p. 157 f.
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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/79>, abgerufen am 23.11.2024.
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