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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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XII. Muster- und Formenschutz. §. 49. Einleitung.
land und Oesterreich den Grundsatz auf, das nur die wis-
sentliche und betrügliche Nachahmung des fremden Musters
Strafe nach sich zieht (unten S. 379. S. 385). In Frankreich
dagegen und in Rheinpreussen findet die Strafe der Confisca-
tion auch ohne diese Voraussetzung statt, so dass dieselbe so-
gar bei einer rein zufälligen Wiederholung des geschützten
Musters nicht ausgeschlossen ist.

In Deutschland hat der Musterschutz, abgesehen von der in
der Preussischen Rheinprovinz geltenden aber wenig practisch
gewordenen Französischen Gesetzgebung bisher in keinem Staate
Eingang gefunden. Die Berechtigung des Musterschutzes muss
auch gegenüber den verwandten Gebieten des geistigen Eigen-
thumes als eine sehr zweifelhafte bezeichnet werden.

Das ausschliessliche Recht zur Benutzung von Waaren-
mustern und Formen schliesst sich auf der einen Seite an das
Recht des Erfinders, auf der andern an das ausschliessliche Ver-
vielfältigungsrecht des Urhebers von Kunstwerken an.

Die Gegenstände des Musterschutzes unterscheiden sich
von den Erfindungen dadurch, dass neue Waaren, um als Er-
findungen patentirt zu werden, einem neuen materiellen Ge-
brauche dienen müssen, während neue Waarenmuster nur zur
Befriedigung des Geschmackes oder des Modebedürfnisses dienen.

Von den Kunstwerken unterscheiden sich die Muster und
Formen dadurch, dass sie nicht bestimmt sind, ästhetische
Vorstellungen mitzutheilen, sondern durch Zusammenstellungen
von Linien, Farben und Formen den materiellen Farben- und
Formensinn zu befriedigen1).

Der Musterschutz unterscheidet sich ferner von beiden
verwandten Rechtsgebieten und von allen übrigen Zweigen des
geistigen Eigenthumes überhaupt dadurch, dass seine Objecte
sowohl vom Gesichtspuncte des öffentlichen Interesses als auch
nach der Schätzung des Werthes der geistigen Production auf
der niedrigsten Stufe stehen und dass deshalb das Recht zu
ihrer ausschliesslichen Benutzung keinesweges in der Gesetz-
gebung allgemein anerkannt und noch weniger vom Stand-
puncte der Gesetzgebungspolitik allgemein als berechtigt an-
gesehen wird.

Die ausschliessliche Benutzung eines Waarenmusters kann

1) Vergl. Bd. I S. 206 ff.

XII. Muster- und Formenschutz. §. 49. Einleitung.
land und Oesterreich den Grundsatz auf, das nur die wis-
sentliche und betrügliche Nachahmung des fremden Musters
Strafe nach sich zieht (unten S. 379. S. 385). In Frankreich
dagegen und in Rheinpreussen findet die Strafe der Confisca-
tion auch ohne diese Voraussetzung statt, so dass dieselbe so-
gar bei einer rein zufälligen Wiederholung des geschützten
Musters nicht ausgeschlossen ist.

In Deutschland hat der Musterschutz, abgesehen von der in
der Preussischen Rheinprovinz geltenden aber wenig practisch
gewordenen Französischen Gesetzgebung bisher in keinem Staate
Eingang gefunden. Die Berechtigung des Musterschutzes muss
auch gegenüber den verwandten Gebieten des geistigen Eigen-
thumes als eine sehr zweifelhafte bezeichnet werden.

Das ausschliessliche Recht zur Benutzung von Waaren-
mustern und Formen schliesst sich auf der einen Seite an das
Recht des Erfinders, auf der andern an das ausschliessliche Ver-
vielfältigungsrecht des Urhebers von Kunstwerken an.

Die Gegenstände des Musterschutzes unterscheiden sich
von den Erfindungen dadurch, dass neue Waaren, um als Er-
findungen patentirt zu werden, einem neuen materiellen Ge-
brauche dienen müssen, während neue Waarenmuster nur zur
Befriedigung des Geschmackes oder des Modebedürfnisses dienen.

Von den Kunstwerken unterscheiden sich die Muster und
Formen dadurch, dass sie nicht bestimmt sind, ästhetische
Vorstellungen mitzutheilen, sondern durch Zusammenstellungen
von Linien, Farben und Formen den materiellen Farben- und
Formensinn zu befriedigen1).

Der Musterschutz unterscheidet sich ferner von beiden
verwandten Rechtsgebieten und von allen übrigen Zweigen des
geistigen Eigenthumes überhaupt dadurch, dass seine Objecte
sowohl vom Gesichtspuncte des öffentlichen Interesses als auch
nach der Schätzung des Werthes der geistigen Production auf
der niedrigsten Stufe stehen und dass deshalb das Recht zu
ihrer ausschliesslichen Benutzung keinesweges in der Gesetz-
gebung allgemein anerkannt und noch weniger vom Stand-
puncte der Gesetzgebungspolitik allgemein als berechtigt an-
gesehen wird.

Die ausschliessliche Benutzung eines Waarenmusters kann

1) Vergl. Bd. I S. 206 ff.
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[354/0381] XII. Muster- und Formenschutz. §. 49. Einleitung. land und Oesterreich den Grundsatz auf, das nur die wis- sentliche und betrügliche Nachahmung des fremden Musters Strafe nach sich zieht (unten S. 379. S. 385). In Frankreich dagegen und in Rheinpreussen findet die Strafe der Confisca- tion auch ohne diese Voraussetzung statt, so dass dieselbe so- gar bei einer rein zufälligen Wiederholung des geschützten Musters nicht ausgeschlossen ist. In Deutschland hat der Musterschutz, abgesehen von der in der Preussischen Rheinprovinz geltenden aber wenig practisch gewordenen Französischen Gesetzgebung bisher in keinem Staate Eingang gefunden. Die Berechtigung des Musterschutzes muss auch gegenüber den verwandten Gebieten des geistigen Eigen- thumes als eine sehr zweifelhafte bezeichnet werden. Das ausschliessliche Recht zur Benutzung von Waaren- mustern und Formen schliesst sich auf der einen Seite an das Recht des Erfinders, auf der andern an das ausschliessliche Ver- vielfältigungsrecht des Urhebers von Kunstwerken an. Die Gegenstände des Musterschutzes unterscheiden sich von den Erfindungen dadurch, dass neue Waaren, um als Er- findungen patentirt zu werden, einem neuen materiellen Ge- brauche dienen müssen, während neue Waarenmuster nur zur Befriedigung des Geschmackes oder des Modebedürfnisses dienen. Von den Kunstwerken unterscheiden sich die Muster und Formen dadurch, dass sie nicht bestimmt sind, ästhetische Vorstellungen mitzutheilen, sondern durch Zusammenstellungen von Linien, Farben und Formen den materiellen Farben- und Formensinn zu befriedigen 1). Der Musterschutz unterscheidet sich ferner von beiden verwandten Rechtsgebieten und von allen übrigen Zweigen des geistigen Eigenthumes überhaupt dadurch, dass seine Objecte sowohl vom Gesichtspuncte des öffentlichen Interesses als auch nach der Schätzung des Werthes der geistigen Production auf der niedrigsten Stufe stehen und dass deshalb das Recht zu ihrer ausschliesslichen Benutzung keinesweges in der Gesetz- gebung allgemein anerkannt und noch weniger vom Stand- puncte der Gesetzgebungspolitik allgemein als berechtigt an- gesehen wird. Die ausschliessliche Benutzung eines Waarenmusters kann 1) Vergl. Bd. I S. 206 ff.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/381>, abgerufen am 22.11.2024.