VII. Die Englische Gesetzgebung. §. 34. Neuere Reformbestrebungen.
lichen Kosten der Erlangung eines Erfindungspatentes beklagt hatte, wurden jetzt Klagen über die überhand nehmende Zahl werthloser Patente und über die Belästigung des Gewerbes durch die Ueberzahl der ertheilten Patente laut. Auf der an- dern Seite verlangten allerdings auch die Erfinder und ihre Stimmführer eine weitere Ermässigung der Patentabgabe, wel- che von ihrem jetzigen Betrage von 175 Lvr. auf den Betrag der wirklich durch die Patentertheilung entstehenden Kosten herabzusetzen sei.
Mehr Uebereinstimmung herrschte in den Beschwerden über das weitläuftige und kostspielige Prozessverfahren, in wel- chem nach der Englischen Prozessgesetzgebung die Contra- ventionen gegen die ertheilten Patente verfolgt und die Strei- tigkeiten über Patentrechte ausgetragen werden müssen. Es wurden Fälle angeführt, in denen die Prozesskosten für beide Theile bis zu der ungeheuren Summe von 26000 Lvr., in einem andern Falle von 15000 Lvr. angewachsen waren.
Zur Prüfung der bisherigen Ergebnisse der bestehenden Patentgesetzgebung und zur Erörterung der vielfach wider- sprechenden Vorschläge zu ihrer Verbesserung wurde durch Königlichen Befehl vom 1. September 1862 eine Commission niedergesetzt, welche unter dem Vorsitze Lord Stanleys aus zehn Mitgliedern, theils hervorragenden Juristen, theils be- rühmten Technikern bestand. Diese Commission vernahm eine grosse Zahl von Geschäftsleuten, Beamten und Technikern als sachverständige Zeugen und forderte zugleich schriftliche Gutachten von einer Anzahl von Corporationen und Vereinen über bestimmt formulirte Fragen ein. Sie erstattete unterm 29. Juli 1864 einen Bericht, welcher mit den stenographischen Aufzeichnungen über die Zeugenvernehmungen und den schrift- lichen Gutachten gedruckt und beiden Häusern des Parla- mentes im Jahre 1865 vorgelegt wurde. Dieser Bericht, wel- cher im Vorhergehenden als "Englisches Blaubuch von 1865" citirt ist, verbreitet sich in vier Abschnitten über die Resul- tate des bisherigen Verfahrens, über die Zweckmässigkeit eines Vorprüfungsverfahrens, über die Verbesserung des Prozessver- fahrens in Patentsachen und über die sonstigen Vorschläge zur Verbesserung der Patentgesetzgebung.
Aus dem Berichte der Commission ergibt sich, dass in Folge des Patentgesetzes von 1852 die Zahl der jährlich an-
VII. Die Englische Gesetzgebung. §. 34. Neuere Reformbestrebungen.
lichen Kosten der Erlangung eines Erfindungspatentes beklagt hatte, wurden jetzt Klagen über die überhand nehmende Zahl werthloser Patente und über die Belästigung des Gewerbes durch die Ueberzahl der ertheilten Patente laut. Auf der an- dern Seite verlangten allerdings auch die Erfinder und ihre Stimmführer eine weitere Ermässigung der Patentabgabe, wel- che von ihrem jetzigen Betrage von 175 Lvr. auf den Betrag der wirklich durch die Patentertheilung entstehenden Kosten herabzusetzen sei.
Mehr Uebereinstimmung herrschte in den Beschwerden über das weitläuftige und kostspielige Prozessverfahren, in wel- chem nach der Englischen Prozessgesetzgebung die Contra- ventionen gegen die ertheilten Patente verfolgt und die Strei- tigkeiten über Patentrechte ausgetragen werden müssen. Es wurden Fälle angeführt, in denen die Prozesskosten für beide Theile bis zu der ungeheuren Summe von 26000 Lvr., in einem andern Falle von 15000 Lvr. angewachsen waren.
Zur Prüfung der bisherigen Ergebnisse der bestehenden Patentgesetzgebung und zur Erörterung der vielfach wider- sprechenden Vorschläge zu ihrer Verbesserung wurde durch Königlichen Befehl vom 1. September 1862 eine Commission niedergesetzt, welche unter dem Vorsitze Lord Stanleys aus zehn Mitgliedern, theils hervorragenden Juristen, theils be- rühmten Technikern bestand. Diese Commission vernahm eine grosse Zahl von Geschäftsleuten, Beamten und Technikern als sachverständige Zeugen und forderte zugleich schriftliche Gutachten von einer Anzahl von Corporationen und Vereinen über bestimmt formulirte Fragen ein. Sie erstattete unterm 29. Juli 1864 einen Bericht, welcher mit den stenographischen Aufzeichnungen über die Zeugenvernehmungen und den schrift- lichen Gutachten gedruckt und beiden Häusern des Parla- mentes im Jahre 1865 vorgelegt wurde. Dieser Bericht, wel- cher im Vorhergehenden als »Englisches Blaubuch von 1865« citirt ist, verbreitet sich in vier Abschnitten über die Resul- tate des bisherigen Verfahrens, über die Zweckmässigkeit eines Vorprüfungsverfahrens, über die Verbesserung des Prozessver- fahrens in Patentsachen und über die sonstigen Vorschläge zur Verbesserung der Patentgesetzgebung.
Aus dem Berichte der Commission ergibt sich, dass in Folge des Patentgesetzes von 1852 die Zahl der jährlich an-
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VII. Die Englische Gesetzgebung. §. 34. Neuere Reformbestrebungen.
lichen Kosten der Erlangung eines Erfindungspatentes beklagt
hatte, wurden jetzt Klagen über die überhand nehmende Zahl
werthloser Patente und über die Belästigung des Gewerbes
durch die Ueberzahl der ertheilten Patente laut. Auf der an-
dern Seite verlangten allerdings auch die Erfinder und ihre
Stimmführer eine weitere Ermässigung der Patentabgabe, wel-
che von ihrem jetzigen Betrage von 175 Lvr. auf den Betrag
der wirklich durch die Patentertheilung entstehenden Kosten
herabzusetzen sei.
Mehr Uebereinstimmung herrschte in den Beschwerden
über das weitläuftige und kostspielige Prozessverfahren, in wel-
chem nach der Englischen Prozessgesetzgebung die Contra-
ventionen gegen die ertheilten Patente verfolgt und die Strei-
tigkeiten über Patentrechte ausgetragen werden müssen. Es
wurden Fälle angeführt, in denen die Prozesskosten für beide
Theile bis zu der ungeheuren Summe von 26000 Lvr., in einem
andern Falle von 15000 Lvr. angewachsen waren.
Zur Prüfung der bisherigen Ergebnisse der bestehenden
Patentgesetzgebung und zur Erörterung der vielfach wider-
sprechenden Vorschläge zu ihrer Verbesserung wurde durch
Königlichen Befehl vom 1. September 1862 eine Commission
niedergesetzt, welche unter dem Vorsitze Lord Stanleys aus
zehn Mitgliedern, theils hervorragenden Juristen, theils be-
rühmten Technikern bestand. Diese Commission vernahm eine
grosse Zahl von Geschäftsleuten, Beamten und Technikern
als sachverständige Zeugen und forderte zugleich schriftliche
Gutachten von einer Anzahl von Corporationen und Vereinen
über bestimmt formulirte Fragen ein. Sie erstattete unterm
29. Juli 1864 einen Bericht, welcher mit den stenographischen
Aufzeichnungen über die Zeugenvernehmungen und den schrift-
lichen Gutachten gedruckt und beiden Häusern des Parla-
mentes im Jahre 1865 vorgelegt wurde. Dieser Bericht, wel-
cher im Vorhergehenden als »Englisches Blaubuch von 1865«
citirt ist, verbreitet sich in vier Abschnitten über die Resul-
tate des bisherigen Verfahrens, über die Zweckmässigkeit eines
Vorprüfungsverfahrens, über die Verbesserung des Prozessver-
fahrens in Patentsachen und über die sonstigen Vorschläge
zur Verbesserung der Patentgesetzgebung.
Aus dem Berichte der Commission ergibt sich, dass in
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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/283>, abgerufen am 16.02.2025.
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