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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Die Römischen Juristen.
des körperlichen Eigenthumes wurde nämlich von der Schule
der Proculejaner die sogenannte Specification aufgestellt,
d. h. die Verarbeitung eines fremden Stoffes zu einer neuen
Sache, während die Sabinianer annahmen, dass das Eigenthum
des Stoffes auch für das Eigenthum an dem von fremder Hand
gefertigten Producte entscheidend sei.1)

Justinian entschied sich nach dem Vorgange von Gajus2)
für die mittlere Meinung, dass unterschieden werden müsse, ob
der Stoff in die frühere Form zurückgebracht werden könne
und ob an dem neuen Producte der verwandte Stoff, oder die
erzeugte Form als das Wesentliche betrachtet werden müsse.
Von diesem Gesichtspuncte aus wird die Frage aufgeworfen,
ob ein Gemälde auf fremder Tafel Eigenthum des Malers oder
desjenigen sei, welchem die Tafel gehörte, und diese Frage
wird zu Gunsten des Malers entschieden.3)

Der Entscheidungsgrund ist hier lediglich daraus entnom-
men, dass der Vermögenswerth, den die bemalte Tafel durch
die geistige Arbeit eines Meisters erlangt, unverhältnissmässig
höher ist, als der Werth des verwandten Materiales. Diese
Begründung enthält eine unverkennbare Anerkennung des gei-
stigen Eigenthumes, allerdings nicht in dem Sinne eines Rech-
tes der ausschliesslichen Vervielfältigung, das für die damali-
gen Verkehrsverhältnisse keine hinreichende practische Bedeu-
tung haben konnte, sondern in der singulären Anwendung,
dass das geistige Eigenthum an der Form das körperliche
Eigenthum an dem Stoffe nach sich zieht. Das heutige Recht

1) L. 7. §. 7 Dig. de adquir. dom (41. 1).
2) L. 7. §. 7. l. 9 Dig. l. c. -- §. 25 Inst. de rer. div. (2. 1).
3) §. 34 Inst. l. c. Si quis in aliena tabula pinxerit, quidam pu-
tant tabulam picturae cedere, aliis videtur picturam, qualiscunque sit
tabulae cedere: sed nobis videtur melius esse, tabulam picturae cedere.
Ridiculum est enim picturam Apellis vel Parrhasii in accessionem vi-
lissimae tabulae cedere.
Von der Schrift auf fremdem Pergamente wird im §. 33 l. c. die
entgegengesetzte Regel gegeben, dass die Schrift dem Pergamente
folge, selbst wenn die Buchstaben goldene seien. Dieser Zusatz be-
weist, dass der Jurist bei seiner Entscheidung nicht den Vermögens-
werth der schriftlichen Composition, sondern nur den Werth der
Schreibarbeit im Auge hatte, deren Vergütung er auch dem redlichen
Besitzer des beschriebenen Pergamentes durch die exceptio doli zu-
sichert.

Die Römischen Juristen.
des körperlichen Eigenthumes wurde nämlich von der Schule
der Proculejaner die sogenannte Specification aufgestellt,
d. h. die Verarbeitung eines fremden Stoffes zu einer neuen
Sache, während die Sabinianer annahmen, dass das Eigenthum
des Stoffes auch für das Eigenthum an dem von fremder Hand
gefertigten Producte entscheidend sei.1)

Justinian entschied sich nach dem Vorgange von Gajus2)
für die mittlere Meinung, dass unterschieden werden müsse, ob
der Stoff in die frühere Form zurückgebracht werden könne
und ob an dem neuen Producte der verwandte Stoff, oder die
erzeugte Form als das Wesentliche betrachtet werden müsse.
Von diesem Gesichtspuncte aus wird die Frage aufgeworfen,
ob ein Gemälde auf fremder Tafel Eigenthum des Malers oder
desjenigen sei, welchem die Tafel gehörte, und diese Frage
wird zu Gunsten des Malers entschieden.3)

Der Entscheidungsgrund ist hier lediglich daraus entnom-
men, dass der Vermögenswerth, den die bemalte Tafel durch
die geistige Arbeit eines Meisters erlangt, unverhältnissmässig
höher ist, als der Werth des verwandten Materiales. Diese
Begründung enthält eine unverkennbare Anerkennung des gei-
stigen Eigenthumes, allerdings nicht in dem Sinne eines Rech-
tes der ausschliesslichen Vervielfältigung, das für die damali-
gen Verkehrsverhältnisse keine hinreichende practische Bedeu-
tung haben konnte, sondern in der singulären Anwendung,
dass das geistige Eigenthum an der Form das körperliche
Eigenthum an dem Stoffe nach sich zieht. Das heutige Recht

1) L. 7. §. 7 Dig. de adquir. dom (41. 1).
2) L. 7. §. 7. l. 9 Dig. l. c. — §. 25 Inst. de rer. div. (2. 1).
3) §. 34 Inst. l. c. Si quis in aliena tabula pinxerit, quidam pu-
tant tabulam picturae cedere, aliis videtur picturam, qualiscunque sit
tabulae cedere: sed nobis videtur melius esse, tabulam picturae cedere.
Ridiculum est enim picturam Apellis vel Parrhasii in accessionem vi-
lissimae tabulae cedere.
Von der Schrift auf fremdem Pergamente wird im §. 33 l. c. die
entgegengesetzte Regel gegeben, dass die Schrift dem Pergamente
folge, selbst wenn die Buchstaben goldene seien. Dieser Zusatz be-
weist, dass der Jurist bei seiner Entscheidung nicht den Vermögens-
werth der schriftlichen Composition, sondern nur den Werth der
Schreibarbeit im Auge hatte, deren Vergütung er auch dem redlichen
Besitzer des beschriebenen Pergamentes durch die exceptio doli zu-
sichert.
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[37/0053] Die Römischen Juristen. des körperlichen Eigenthumes wurde nämlich von der Schule der Proculejaner die sogenannte Specification aufgestellt, d. h. die Verarbeitung eines fremden Stoffes zu einer neuen Sache, während die Sabinianer annahmen, dass das Eigenthum des Stoffes auch für das Eigenthum an dem von fremder Hand gefertigten Producte entscheidend sei. 1) Justinian entschied sich nach dem Vorgange von Gajus 2) für die mittlere Meinung, dass unterschieden werden müsse, ob der Stoff in die frühere Form zurückgebracht werden könne und ob an dem neuen Producte der verwandte Stoff, oder die erzeugte Form als das Wesentliche betrachtet werden müsse. Von diesem Gesichtspuncte aus wird die Frage aufgeworfen, ob ein Gemälde auf fremder Tafel Eigenthum des Malers oder desjenigen sei, welchem die Tafel gehörte, und diese Frage wird zu Gunsten des Malers entschieden. 3) Der Entscheidungsgrund ist hier lediglich daraus entnom- men, dass der Vermögenswerth, den die bemalte Tafel durch die geistige Arbeit eines Meisters erlangt, unverhältnissmässig höher ist, als der Werth des verwandten Materiales. Diese Begründung enthält eine unverkennbare Anerkennung des gei- stigen Eigenthumes, allerdings nicht in dem Sinne eines Rech- tes der ausschliesslichen Vervielfältigung, das für die damali- gen Verkehrsverhältnisse keine hinreichende practische Bedeu- tung haben konnte, sondern in der singulären Anwendung, dass das geistige Eigenthum an der Form das körperliche Eigenthum an dem Stoffe nach sich zieht. Das heutige Recht 1) L. 7. §. 7 Dig. de adquir. dom (41. 1). 2) L. 7. §. 7. l. 9 Dig. l. c. — §. 25 Inst. de rer. div. (2. 1). 3) §. 34 Inst. l. c. Si quis in aliena tabula pinxerit, quidam pu- tant tabulam picturae cedere, aliis videtur picturam, qualiscunque sit tabulae cedere: sed nobis videtur melius esse, tabulam picturae cedere. Ridiculum est enim picturam Apellis vel Parrhasii in accessionem vi- lissimae tabulae cedere. Von der Schrift auf fremdem Pergamente wird im §. 33 l. c. die entgegengesetzte Regel gegeben, dass die Schrift dem Pergamente folge, selbst wenn die Buchstaben goldene seien. Dieser Zusatz be- weist, dass der Jurist bei seiner Entscheidung nicht den Vermögens- werth der schriftlichen Composition, sondern nur den Werth der Schreibarbeit im Auge hatte, deren Vergütung er auch dem redlichen Besitzer des beschriebenen Pergamentes durch die exceptio doli zu- sichert.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/53>, abgerufen am 22.11.2024.