Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Innominatverträge.
beiden die Wahl offen bliebe, von dem Vertrage zurückzutreten
statt die Erfüllung zu fordern. Dem Autor würde also das
Recht zustehen, sein Werk zurückzufordern, wenn die Veröf-
fentlichung unterbleibt. Der Verleger würde ebenso den Auf-
wand der erfolgten Vervielfältigung condiciren können, wenn
die bedungene Fortsetzung des Werkes nicht geliefert wird.

Vielleicht würde die Anwendung dieser Regeln des früheren
Römischen Rechtes mit den Bedürfnissen des heutigen Verkehrs
nicht gerade in Widerspruch stehen. Die Unterscheidung des
Römischen Rechtes, kraft welcher die unbedingte Klagbarkeit
nur gewissen benannten Verträgen von scharf ausgeprägtem
Inhalte beigelegt wurde, während die vielgestaltete Zahl der
sonstigen Geschäfte des täglichen Lebens erst durch die Lei-
stung von einer Seite die durch das Rücktrittsrecht modifizirte
Klagbarkeit erhielt, beruhte ja eben auf dem richtig erkannten
Bedürfnisse des Verkehrs selbst. Es war keine Beschränkung
des Verkehrs, wenn die Klagbarkeit der blossen Verabredungen
davon abhängig gemacht wurde, dass entweder eine der be-
stimmten durch das Gesetz anerkannten Contractsformen ge-
wählt wurde, oder doch die Leistung von einer Seite bereits
erfolgt war. Ebensowenig widersprach es der Natur des Ge-
schäftsverkehres, dass im letzteren Falle die Wahl zwischen
dem Rücktritte und der Klage auf Erfüllung gelassen war.
Die blossen Verabredungen, wenn sie sich nicht an eine der
bestimmten Vertragsformen anschliessen, entbehren häufig der
zur Klagbarkeit erforderlichen Bestimmtheit des Inhaltes. Wo
diese Unbestimmtheit nicht wie bei den benannten Verträgen
(Kauf, Miethe u. dgl.) durch gesetzliche Normen ergänzt wird,
da entspricht die durch die Klage erzwingbare Gegenleistung
in der That selten dem rechtlichen Interesse des vorleistenden
Theiles, zumal wenn es sich um nicht fungible, oder doch um
solche Leistungen handelt, bei denen es nicht gleichgültig ist,
von wem das Bedungene geleistet wird. Daher kann auch bei
dem Verlagsvertrage die Klage des Verlegers auf Lieferung
des bedungenen Werkes, und unter Umständen auch die Klage
des Autors auf Veröffentlichung mit Recht als ein gänzlich un-
genügendes Rechtsmittel bezeichnet werden, welchem in der
Regel der Rücktritt von dem Vertrage vorgezogen werden wird.

Das heutige Recht, welches den Grundsatz der beschränkten
Klagbarkeit der Rechtsgeschäfte verlassen hat, trägt diesen

Innominatverträge.
beiden die Wahl offen bliebe, von dem Vertrage zurückzutreten
statt die Erfüllung zu fordern. Dem Autor würde also das
Recht zustehen, sein Werk zurückzufordern, wenn die Veröf-
fentlichung unterbleibt. Der Verleger würde ebenso den Auf-
wand der erfolgten Vervielfältigung condiciren können, wenn
die bedungene Fortsetzung des Werkes nicht geliefert wird.

Vielleicht würde die Anwendung dieser Regeln des früheren
Römischen Rechtes mit den Bedürfnissen des heutigen Verkehrs
nicht gerade in Widerspruch stehen. Die Unterscheidung des
Römischen Rechtes, kraft welcher die unbedingte Klagbarkeit
nur gewissen benannten Verträgen von scharf ausgeprägtem
Inhalte beigelegt wurde, während die vielgestaltete Zahl der
sonstigen Geschäfte des täglichen Lebens erst durch die Lei-
stung von einer Seite die durch das Rücktrittsrecht modifizirte
Klagbarkeit erhielt, beruhte ja eben auf dem richtig erkannten
Bedürfnisse des Verkehrs selbst. Es war keine Beschränkung
des Verkehrs, wenn die Klagbarkeit der blossen Verabredungen
davon abhängig gemacht wurde, dass entweder eine der be-
stimmten durch das Gesetz anerkannten Contractsformen ge-
wählt wurde, oder doch die Leistung von einer Seite bereits
erfolgt war. Ebensowenig widersprach es der Natur des Ge-
schäftsverkehres, dass im letzteren Falle die Wahl zwischen
dem Rücktritte und der Klage auf Erfüllung gelassen war.
Die blossen Verabredungen, wenn sie sich nicht an eine der
bestimmten Vertragsformen anschliessen, entbehren häufig der
zur Klagbarkeit erforderlichen Bestimmtheit des Inhaltes. Wo
diese Unbestimmtheit nicht wie bei den benannten Verträgen
(Kauf, Miethe u. dgl.) durch gesetzliche Normen ergänzt wird,
da entspricht die durch die Klage erzwingbare Gegenleistung
in der That selten dem rechtlichen Interesse des vorleistenden
Theiles, zumal wenn es sich um nicht fungible, oder doch um
solche Leistungen handelt, bei denen es nicht gleichgültig ist,
von wem das Bedungene geleistet wird. Daher kann auch bei
dem Verlagsvertrage die Klage des Verlegers auf Lieferung
des bedungenen Werkes, und unter Umständen auch die Klage
des Autors auf Veröffentlichung mit Recht als ein gänzlich un-
genügendes Rechtsmittel bezeichnet werden, welchem in der
Regel der Rücktritt von dem Vertrage vorgezogen werden wird.

Das heutige Recht, welches den Grundsatz der beschränkten
Klagbarkeit der Rechtsgeschäfte verlassen hat, trägt diesen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0327" n="311"/><fw place="top" type="header">Innominatverträge.</fw><lb/>
beiden die Wahl offen bliebe, von dem Vertrage zurückzutreten<lb/>
statt die Erfüllung zu fordern. Dem Autor würde also das<lb/>
Recht zustehen, sein Werk zurückzufordern, wenn die Veröf-<lb/>
fentlichung unterbleibt. Der Verleger würde ebenso den Auf-<lb/>
wand der erfolgten Vervielfältigung condiciren können, wenn<lb/>
die bedungene Fortsetzung des Werkes nicht geliefert wird.</p><lb/>
            <p>Vielleicht würde die Anwendung dieser Regeln des früheren<lb/>
Römischen Rechtes mit den Bedürfnissen des heutigen Verkehrs<lb/>
nicht gerade in Widerspruch stehen. Die Unterscheidung des<lb/>
Römischen Rechtes, kraft welcher die unbedingte Klagbarkeit<lb/>
nur gewissen benannten Verträgen von scharf ausgeprägtem<lb/>
Inhalte beigelegt wurde, während die vielgestaltete Zahl der<lb/>
sonstigen Geschäfte des täglichen Lebens erst durch die Lei-<lb/>
stung von einer Seite die durch das Rücktrittsrecht modifizirte<lb/>
Klagbarkeit erhielt, beruhte ja eben auf dem richtig erkannten<lb/>
Bedürfnisse des Verkehrs selbst. Es war keine Beschränkung<lb/>
des Verkehrs, wenn die Klagbarkeit der blossen Verabredungen<lb/>
davon abhängig gemacht wurde, dass entweder eine der be-<lb/>
stimmten durch das Gesetz anerkannten Contractsformen ge-<lb/>
wählt wurde, oder doch die Leistung von einer Seite bereits<lb/>
erfolgt war. Ebensowenig widersprach es der Natur des Ge-<lb/>
schäftsverkehres, dass im letzteren Falle die Wahl zwischen<lb/>
dem Rücktritte und der Klage auf Erfüllung gelassen war.<lb/>
Die blossen Verabredungen, wenn sie sich nicht an eine der<lb/>
bestimmten Vertragsformen anschliessen, entbehren häufig der<lb/>
zur Klagbarkeit erforderlichen Bestimmtheit des Inhaltes. Wo<lb/>
diese Unbestimmtheit nicht wie bei den benannten Verträgen<lb/>
(Kauf, Miethe u. dgl.) durch gesetzliche Normen ergänzt wird,<lb/>
da entspricht die durch die Klage erzwingbare Gegenleistung<lb/>
in der That selten dem rechtlichen Interesse des vorleistenden<lb/>
Theiles, zumal wenn es sich um nicht fungible, oder doch um<lb/>
solche Leistungen handelt, bei denen es nicht gleichgültig ist,<lb/>
von wem das Bedungene geleistet wird. Daher kann auch bei<lb/>
dem Verlagsvertrage die Klage des Verlegers auf Lieferung<lb/>
des bedungenen Werkes, und unter Umständen auch die Klage<lb/>
des Autors auf Veröffentlichung mit Recht als ein gänzlich un-<lb/>
genügendes Rechtsmittel bezeichnet werden, welchem in der<lb/>
Regel der Rücktritt von dem Vertrage vorgezogen werden wird.</p><lb/>
            <p>Das heutige Recht, welches den Grundsatz der beschränkten<lb/>
Klagbarkeit der Rechtsgeschäfte verlassen hat, trägt diesen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0327] Innominatverträge. beiden die Wahl offen bliebe, von dem Vertrage zurückzutreten statt die Erfüllung zu fordern. Dem Autor würde also das Recht zustehen, sein Werk zurückzufordern, wenn die Veröf- fentlichung unterbleibt. Der Verleger würde ebenso den Auf- wand der erfolgten Vervielfältigung condiciren können, wenn die bedungene Fortsetzung des Werkes nicht geliefert wird. Vielleicht würde die Anwendung dieser Regeln des früheren Römischen Rechtes mit den Bedürfnissen des heutigen Verkehrs nicht gerade in Widerspruch stehen. Die Unterscheidung des Römischen Rechtes, kraft welcher die unbedingte Klagbarkeit nur gewissen benannten Verträgen von scharf ausgeprägtem Inhalte beigelegt wurde, während die vielgestaltete Zahl der sonstigen Geschäfte des täglichen Lebens erst durch die Lei- stung von einer Seite die durch das Rücktrittsrecht modifizirte Klagbarkeit erhielt, beruhte ja eben auf dem richtig erkannten Bedürfnisse des Verkehrs selbst. Es war keine Beschränkung des Verkehrs, wenn die Klagbarkeit der blossen Verabredungen davon abhängig gemacht wurde, dass entweder eine der be- stimmten durch das Gesetz anerkannten Contractsformen ge- wählt wurde, oder doch die Leistung von einer Seite bereits erfolgt war. Ebensowenig widersprach es der Natur des Ge- schäftsverkehres, dass im letzteren Falle die Wahl zwischen dem Rücktritte und der Klage auf Erfüllung gelassen war. Die blossen Verabredungen, wenn sie sich nicht an eine der bestimmten Vertragsformen anschliessen, entbehren häufig der zur Klagbarkeit erforderlichen Bestimmtheit des Inhaltes. Wo diese Unbestimmtheit nicht wie bei den benannten Verträgen (Kauf, Miethe u. dgl.) durch gesetzliche Normen ergänzt wird, da entspricht die durch die Klage erzwingbare Gegenleistung in der That selten dem rechtlichen Interesse des vorleistenden Theiles, zumal wenn es sich um nicht fungible, oder doch um solche Leistungen handelt, bei denen es nicht gleichgültig ist, von wem das Bedungene geleistet wird. Daher kann auch bei dem Verlagsvertrage die Klage des Verlegers auf Lieferung des bedungenen Werkes, und unter Umständen auch die Klage des Autors auf Veröffentlichung mit Recht als ein gänzlich un- genügendes Rechtsmittel bezeichnet werden, welchem in der Regel der Rücktritt von dem Vertrage vorgezogen werden wird. Das heutige Recht, welches den Grundsatz der beschränkten Klagbarkeit der Rechtsgeschäfte verlassen hat, trägt diesen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/327
Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/327>, abgerufen am 24.11.2024.