war. Die Literatur einer fremden Nation unentgeltlich auszu- beuten gilt aber noch heute in den Augen gewisser Staats- männer und Nationalökonomen für angemessen und erlaubt.
Die Rechtlosigkeit, welche unter der Geltung dieses Grund- satzes in unserm deutschen Vaterlande in einem staatlich zer- rissenen gemeinsamen Sprachgebiete auf dem Felde des litera- rischen Eigenthums entstanden war und lange Zeit hindurch geherrscht hat, wird weiter unten dargestellt werden. Ebenso die vergeblichen Versuche, diesen Zustand durch das blosse Mittel eines höher gebildeten Gerechtigkeitsgefühles zu besei- tigen. Bis zum Beginne des letzten Menschenalters wurde ver- geblich bei der deutschen Reichsgewalt und beim deutschen Bunde der gleiche Rechtsschutz für alle Erzeugnisse der deut- schen Literatur verlangt. Er wurde vergeblich im Namen des Rechtes und der Nationalität gefordert so lange es Regierungen gab, denen die bedrohten Interessen des einheimischen Nach- drucks höher standen, als Nationalität und Recht. Allein ein wirksameres Mittel wurde gefunden. Die Nothwendigkeit, Ver- kehrserleichterungen für den Austausch der materiellen Güter zu gewinnen, führte zum Abschlusse von Zoll- und Handelsver- trägen, zunächst zwischen den deutschen Staaten und dann zwischen diesen und dem Auslande. Der Abschluss dieser Ver- träge gab Gelegenheit, auch für die Gegenstände des geistigen Eigenthumes den internationalen Rechtsschutz zu bedingen. So gelang es zunächst in Deutschland durch die mit der Bildung des Zollvereines Hand in Hand gehenden Bemühungen der Preussischen Regierung, und später durch die zwischen dem Zollvereine, England, Frankreich, Belgien und anderen Staaten abgeschlossenen Handelsverträge ein internationales Rechtsge- biet für das geistige Eigenthum zu schaffen, welches das lite- rarische und das artistische Eigenthum und den Schutz der Fabrikzeichen umfasst.
Für die Erfindungspatente und den Musterschutz ist eine gleiche Reciprocität des Rechtsschutzes bisher nicht erlangt und voraussichtlich auch künftig nur in engeren Kreisen zu erlangen. Allein auch für diesen Zweig des geistigen Eigen- thumes ist eine gleichzeitige Darstellung des einheimischen und des fremden Rechtes sowohl vom practischen als vom wissenschaftlichen Gesichtspuncte aus als nothwendig zu be- zeichnen. Der Markt des Erfinders und des Fabricanten ist
I. Einleitung. §. 1. Grenzen der Darstellung.
war. Die Literatur einer fremden Nation unentgeltlich auszu- beuten gilt aber noch heute in den Augen gewisser Staats- männer und Nationalökonomen für angemessen und erlaubt.
Die Rechtlosigkeit, welche unter der Geltung dieses Grund- satzes in unserm deutschen Vaterlande in einem staatlich zer- rissenen gemeinsamen Sprachgebiete auf dem Felde des litera- rischen Eigenthums entstanden war und lange Zeit hindurch geherrscht hat, wird weiter unten dargestellt werden. Ebenso die vergeblichen Versuche, diesen Zustand durch das blosse Mittel eines höher gebildeten Gerechtigkeitsgefühles zu besei- tigen. Bis zum Beginne des letzten Menschenalters wurde ver- geblich bei der deutschen Reichsgewalt und beim deutschen Bunde der gleiche Rechtsschutz für alle Erzeugnisse der deut- schen Literatur verlangt. Er wurde vergeblich im Namen des Rechtes und der Nationalität gefordert so lange es Regierungen gab, denen die bedrohten Interessen des einheimischen Nach- drucks höher standen, als Nationalität und Recht. Allein ein wirksameres Mittel wurde gefunden. Die Nothwendigkeit, Ver- kehrserleichterungen für den Austausch der materiellen Güter zu gewinnen, führte zum Abschlusse von Zoll- und Handelsver- trägen, zunächst zwischen den deutschen Staaten und dann zwischen diesen und dem Auslande. Der Abschluss dieser Ver- träge gab Gelegenheit, auch für die Gegenstände des geistigen Eigenthumes den internationalen Rechtsschutz zu bedingen. So gelang es zunächst in Deutschland durch die mit der Bildung des Zollvereines Hand in Hand gehenden Bemühungen der Preussischen Regierung, und später durch die zwischen dem Zollvereine, England, Frankreich, Belgien und anderen Staaten abgeschlossenen Handelsverträge ein internationales Rechtsge- biet für das geistige Eigenthum zu schaffen, welches das lite- rarische und das artistische Eigenthum und den Schutz der Fabrikzeichen umfasst.
Für die Erfindungspatente und den Musterschutz ist eine gleiche Reciprocität des Rechtsschutzes bisher nicht erlangt und voraussichtlich auch künftig nur in engeren Kreisen zu erlangen. Allein auch für diesen Zweig des geistigen Eigen- thumes ist eine gleichzeitige Darstellung des einheimischen und des fremden Rechtes sowohl vom practischen als vom wissenschaftlichen Gesichtspuncte aus als nothwendig zu be- zeichnen. Der Markt des Erfinders und des Fabricanten ist
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I. Einleitung. §. 1. Grenzen der Darstellung.
war. Die Literatur einer fremden Nation unentgeltlich auszu-
beuten gilt aber noch heute in den Augen gewisser Staats-
männer und Nationalökonomen für angemessen und erlaubt.
Die Rechtlosigkeit, welche unter der Geltung dieses Grund-
satzes in unserm deutschen Vaterlande in einem staatlich zer-
rissenen gemeinsamen Sprachgebiete auf dem Felde des litera-
rischen Eigenthums entstanden war und lange Zeit hindurch
geherrscht hat, wird weiter unten dargestellt werden. Ebenso
die vergeblichen Versuche, diesen Zustand durch das blosse
Mittel eines höher gebildeten Gerechtigkeitsgefühles zu besei-
tigen. Bis zum Beginne des letzten Menschenalters wurde ver-
geblich bei der deutschen Reichsgewalt und beim deutschen
Bunde der gleiche Rechtsschutz für alle Erzeugnisse der deut-
schen Literatur verlangt. Er wurde vergeblich im Namen des
Rechtes und der Nationalität gefordert so lange es Regierungen
gab, denen die bedrohten Interessen des einheimischen Nach-
drucks höher standen, als Nationalität und Recht. Allein ein
wirksameres Mittel wurde gefunden. Die Nothwendigkeit, Ver-
kehrserleichterungen für den Austausch der materiellen Güter
zu gewinnen, führte zum Abschlusse von Zoll- und Handelsver-
trägen, zunächst zwischen den deutschen Staaten und dann
zwischen diesen und dem Auslande. Der Abschluss dieser Ver-
träge gab Gelegenheit, auch für die Gegenstände des geistigen
Eigenthumes den internationalen Rechtsschutz zu bedingen. So
gelang es zunächst in Deutschland durch die mit der Bildung
des Zollvereines Hand in Hand gehenden Bemühungen der
Preussischen Regierung, und später durch die zwischen dem
Zollvereine, England, Frankreich, Belgien und anderen Staaten
abgeschlossenen Handelsverträge ein internationales Rechtsge-
biet für das geistige Eigenthum zu schaffen, welches das lite-
rarische und das artistische Eigenthum und den Schutz der
Fabrikzeichen umfasst.
Für die Erfindungspatente und den Musterschutz ist eine
gleiche Reciprocität des Rechtsschutzes bisher nicht erlangt
und voraussichtlich auch künftig nur in engeren Kreisen zu
erlangen. Allein auch für diesen Zweig des geistigen Eigen-
thumes ist eine gleichzeitige Darstellung des einheimischen
und des fremden Rechtes sowohl vom practischen als vom
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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/22>, abgerufen am 24.11.2024.
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