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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Verschiedene Praxis der Gesetzgebungen.

Die andere Klasse von Gesetzen, welche die Prüfung des
Gegenstandes der Erfindung lediglich in das Ermessen der
Verwaltungsbehörde legt, ohne durch ein geordnetes Verfahren
sowohl dem Erfinder als den concurrirenden Gewerbtreibenden
die Möglichkeit zu geben, ihre Rechte und Interessen geltend
zu machen, scheitert an den unausbleiblichen Mängeln jedes
Untersuchungsverfahrens. Die Verwaltung, die lediglich auf
Grund ihres selbst gewonnenen, keiner Berufung unterworfenen
Urtheils über die Gegenstände der Erfindungen entscheidet,
beraubt sich selbst des wirksamsten Hülfsmittels zur Erfor-
schung der Wahrheit, nämlich der Wachsamkeit der Bethei-
ligten, welche durch ihre Kenntniss und durch ihr Interesse am
meisten befähigt sind, das zur Entscheidung über die Neuheit
und die Identität der Gegenstände dienliche Material herbeizu-
schaffen. Welche Behörde vermöchte bei dem gegenwärtigen
Stande der Technik den Anspruch zu erheben, dass sie dieses
Material als ein für alle Fälle bereites Mittel der Entscheidung
vollständig beherrschte? Fehler und Irrthümer sind allerdings
auch bei einem contradictorischen Verfahren und bei dem best
geordneten Instanzenzuge unvermeidlich. Sie werden aber in
diesem Falle mit Recht den Fehlern der Partheien und der
Unvollkommenheit der menschlichen Dinge aufgebürdet, nicht
der entscheidenden Behörde, die auf Grund der Verhandlungen
entscheidet und nicht den Anspruch erhebt, selbst alle von
Anfang her gemachten und veröffentlichten Erfindungen zu
kennen.

Es gereicht der Preussischen Patentverwaltung zu nicht
geringem Ruhme, dass sie mit einem so unvollkommenen Ver-
fahren bisher so anerkennenswerthe Resultate erzielt hat. Allein
es sind weniger die auch hier unvermeidlichen Fehler, als das
Verfahren selbst mit seinen fast despotischen Formen, welche
das Selbstgefühl des betheiligten Publikums verletzen und dem
Preussischen Systeme eine Menge zum Theil ungerechter Vor-
würfe eingetragen haben und noch eintragen werden, bis man
davon abgeht, die entscheidende Behörde dem schutzsuchenden
Erfinder gewissermassen als einzigen Gegner gegenüber zu
stellen.

Ein weiterer Nachtheil unseres einheimischen Systemes ist
der, dass mit den in den Acten der Ministerialabtheilung und
der technischen Deputation für Gewerbe vergrabenen Entschei-

Verschiedene Praxis der Gesetzgebungen.

Die andere Klasse von Gesetzen, welche die Prüfung des
Gegenstandes der Erfindung lediglich in das Ermessen der
Verwaltungsbehörde legt, ohne durch ein geordnetes Verfahren
sowohl dem Erfinder als den concurrirenden Gewerbtreibenden
die Möglichkeit zu geben, ihre Rechte und Interessen geltend
zu machen, scheitert an den unausbleiblichen Mängeln jedes
Untersuchungsverfahrens. Die Verwaltung, die lediglich auf
Grund ihres selbst gewonnenen, keiner Berufung unterworfenen
Urtheils über die Gegenstände der Erfindungen entscheidet,
beraubt sich selbst des wirksamsten Hülfsmittels zur Erfor-
schung der Wahrheit, nämlich der Wachsamkeit der Bethei-
ligten, welche durch ihre Kenntniss und durch ihr Interesse am
meisten befähigt sind, das zur Entscheidung über die Neuheit
und die Identität der Gegenstände dienliche Material herbeizu-
schaffen. Welche Behörde vermöchte bei dem gegenwärtigen
Stande der Technik den Anspruch zu erheben, dass sie dieses
Material als ein für alle Fälle bereites Mittel der Entscheidung
vollständig beherrschte? Fehler und Irrthümer sind allerdings
auch bei einem contradictorischen Verfahren und bei dem best
geordneten Instanzenzuge unvermeidlich. Sie werden aber in
diesem Falle mit Recht den Fehlern der Partheien und der
Unvollkommenheit der menschlichen Dinge aufgebürdet, nicht
der entscheidenden Behörde, die auf Grund der Verhandlungen
entscheidet und nicht den Anspruch erhebt, selbst alle von
Anfang her gemachten und veröffentlichten Erfindungen zu
kennen.

Es gereicht der Preussischen Patentverwaltung zu nicht
geringem Ruhme, dass sie mit einem so unvollkommenen Ver-
fahren bisher so anerkennenswerthe Resultate erzielt hat. Allein
es sind weniger die auch hier unvermeidlichen Fehler, als das
Verfahren selbst mit seinen fast despotischen Formen, welche
das Selbstgefühl des betheiligten Publikums verletzen und dem
Preussischen Systeme eine Menge zum Theil ungerechter Vor-
würfe eingetragen haben und noch eintragen werden, bis man
davon abgeht, die entscheidende Behörde dem schutzsuchenden
Erfinder gewissermassen als einzigen Gegner gegenüber zu
stellen.

Ein weiterer Nachtheil unseres einheimischen Systemes ist
der, dass mit den in den Acten der Ministerialabtheilung und
der technischen Deputation für Gewerbe vergrabenen Entschei-

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[197/0213] Verschiedene Praxis der Gesetzgebungen. Die andere Klasse von Gesetzen, welche die Prüfung des Gegenstandes der Erfindung lediglich in das Ermessen der Verwaltungsbehörde legt, ohne durch ein geordnetes Verfahren sowohl dem Erfinder als den concurrirenden Gewerbtreibenden die Möglichkeit zu geben, ihre Rechte und Interessen geltend zu machen, scheitert an den unausbleiblichen Mängeln jedes Untersuchungsverfahrens. Die Verwaltung, die lediglich auf Grund ihres selbst gewonnenen, keiner Berufung unterworfenen Urtheils über die Gegenstände der Erfindungen entscheidet, beraubt sich selbst des wirksamsten Hülfsmittels zur Erfor- schung der Wahrheit, nämlich der Wachsamkeit der Bethei- ligten, welche durch ihre Kenntniss und durch ihr Interesse am meisten befähigt sind, das zur Entscheidung über die Neuheit und die Identität der Gegenstände dienliche Material herbeizu- schaffen. Welche Behörde vermöchte bei dem gegenwärtigen Stande der Technik den Anspruch zu erheben, dass sie dieses Material als ein für alle Fälle bereites Mittel der Entscheidung vollständig beherrschte? Fehler und Irrthümer sind allerdings auch bei einem contradictorischen Verfahren und bei dem best geordneten Instanzenzuge unvermeidlich. Sie werden aber in diesem Falle mit Recht den Fehlern der Partheien und der Unvollkommenheit der menschlichen Dinge aufgebürdet, nicht der entscheidenden Behörde, die auf Grund der Verhandlungen entscheidet und nicht den Anspruch erhebt, selbst alle von Anfang her gemachten und veröffentlichten Erfindungen zu kennen. Es gereicht der Preussischen Patentverwaltung zu nicht geringem Ruhme, dass sie mit einem so unvollkommenen Ver- fahren bisher so anerkennenswerthe Resultate erzielt hat. Allein es sind weniger die auch hier unvermeidlichen Fehler, als das Verfahren selbst mit seinen fast despotischen Formen, welche das Selbstgefühl des betheiligten Publikums verletzen und dem Preussischen Systeme eine Menge zum Theil ungerechter Vor- würfe eingetragen haben und noch eintragen werden, bis man davon abgeht, die entscheidende Behörde dem schutzsuchenden Erfinder gewissermassen als einzigen Gegner gegenüber zu stellen. Ein weiterer Nachtheil unseres einheimischen Systemes ist der, dass mit den in den Acten der Ministerialabtheilung und der technischen Deputation für Gewerbe vergrabenen Entschei-

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/213>, abgerufen am 22.11.2024.