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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Photographische Aufnahmen.
Kunstwerkes zu bezeichnen ist. Der Photograph gibt nicht
empfangene Eindrücke und Vorstellungen durch willkürliche
Formen wieder. Er ist nur im Stande, die Lichteindrücke, welche
sein Auge empfängt, unmittelbar chemisch zu fixiren. Er würde
ebensowenig im Stande sein, ein photographisches Portrait aus
dem Gedächtnisse herzustellen, als er vermöchte, das Bild eines
Aufzuges, einer Beleuchtung oder einer Sonnenfinsterniss auch
nur wenige Augenblicke nach deren Verlaufe zu fixiren.

Man hat geltend gemacht, dass der Photograph in der
Wahl seines Ohjectes und des zur Aufnahme geeigneten Mo-
mentes und in der richtigen Gruppirung der beweglichen Ob-
jecte ebensowohl künstlerische Conception anwenden müsse, als
der Zeichner und der Maler 1). Allein dies zugegeben, würde
doch selbst die Aufnahme eines mit dem höchsten Kunstge-
schmack gruppirten und drapirten lebenden Bildes, oder das
Portrait eines Dawison als König Lear oder Shylok nicht selbst
ein Kunstwerk, sondern nur die Copie eines Kunstwerkes sein
und auf Schutz gegen Vervielfältigung keinen Anspruch haben,
da die mimische und die darstellende Kunst selbst nicht gegen
Nachahmung geschützt ist.

Ferner wird erinnert, dass die Photographie vielfach der
Nachhülfe durch die zeichnende Kunst bedarf, dass photogra-
phische Aufnahmen nach Gemälden und selbst grössere pho-
tographische Portraits so dargestellt werden, dass die directe
Photographie nur als Unterlage für die Retouche, d. h. für
eine freie künstlerische Zeichnung dient, von der dann erst das
zur Vervielfältigung bestimmte Negativ genommen wird. Allein
auch in diesem Falle ist nicht die Photographie, sondern das
retouchirte Blatt das Kunstwerk und es fehlt dem Künstler
auch nach der bestehenden Gesetzgebung nicht die Möglichkeit,
sich das Recht der Vervielfältigung dieser Zeichnung -- als
solche ist die Retouche ohne Frage zu betrachten -- ebenso
durch Anmeldung zu sichern, als dies mit andern photogra-
phisch vervielfaltigten Zeichnungen (z. B. den Götheschen Frauen-
gestalten von Kaulbach) geschehen ist.

Die Praxis sämmtlicher Rechtsgebiete 2) hat daher auch

1) Bluntschli, Deutsches Privatrecht 3. Aufl. S. 120.
2) Mit Ausnahme des neuesten Bayerischen Rechts.

Photographische Aufnahmen.
Kunstwerkes zu bezeichnen ist. Der Photograph gibt nicht
empfangene Eindrücke und Vorstellungen durch willkürliche
Formen wieder. Er ist nur im Stande, die Lichteindrücke, welche
sein Auge empfängt, unmittelbar chemisch zu fixiren. Er würde
ebensowenig im Stande sein, ein photographisches Portrait aus
dem Gedächtnisse herzustellen, als er vermöchte, das Bild eines
Aufzuges, einer Beleuchtung oder einer Sonnenfinsterniss auch
nur wenige Augenblicke nach deren Verlaufe zu fixiren.

Man hat geltend gemacht, dass der Photograph in der
Wahl seines Ohjectes und des zur Aufnahme geeigneten Mo-
mentes und in der richtigen Gruppirung der beweglichen Ob-
jecte ebensowohl künstlerische Conception anwenden müsse, als
der Zeichner und der Maler 1). Allein dies zugegeben, würde
doch selbst die Aufnahme eines mit dem höchsten Kunstge-
schmack gruppirten und drapirten lebenden Bildes, oder das
Portrait eines Dawison als König Lear oder Shylok nicht selbst
ein Kunstwerk, sondern nur die Copie eines Kunstwerkes sein
und auf Schutz gegen Vervielfältigung keinen Anspruch haben,
da die mimische und die darstellende Kunst selbst nicht gegen
Nachahmung geschützt ist.

Ferner wird erinnert, dass die Photographie vielfach der
Nachhülfe durch die zeichnende Kunst bedarf, dass photogra-
phische Aufnahmen nach Gemälden und selbst grössere pho-
tographische Portraits so dargestellt werden, dass die directe
Photographie nur als Unterlage für die Retouche, d. h. für
eine freie künstlerische Zeichnung dient, von der dann erst das
zur Vervielfältigung bestimmte Negativ genommen wird. Allein
auch in diesem Falle ist nicht die Photographie, sondern das
retouchirte Blatt das Kunstwerk und es fehlt dem Künstler
auch nach der bestehenden Gesetzgebung nicht die Möglichkeit,
sich das Recht der Vervielfältigung dieser Zeichnung — als
solche ist die Retouche ohne Frage zu betrachten — ebenso
durch Anmeldung zu sichern, als dies mit andern photogra-
phisch vervielfaltigten Zeichnungen (z. B. den Götheschen Frauen-
gestalten von Kaulbach) geschehen ist.

Die Praxis sämmtlicher Rechtsgebiete 2) hat daher auch

1) Bluntschli, Deutsches Privatrecht 3. Aufl. S. 120.
2) Mit Ausnahme des neuesten Bayerischen Rechts.
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[189/0205] Photographische Aufnahmen. Kunstwerkes zu bezeichnen ist. Der Photograph gibt nicht empfangene Eindrücke und Vorstellungen durch willkürliche Formen wieder. Er ist nur im Stande, die Lichteindrücke, welche sein Auge empfängt, unmittelbar chemisch zu fixiren. Er würde ebensowenig im Stande sein, ein photographisches Portrait aus dem Gedächtnisse herzustellen, als er vermöchte, das Bild eines Aufzuges, einer Beleuchtung oder einer Sonnenfinsterniss auch nur wenige Augenblicke nach deren Verlaufe zu fixiren. Man hat geltend gemacht, dass der Photograph in der Wahl seines Ohjectes und des zur Aufnahme geeigneten Mo- mentes und in der richtigen Gruppirung der beweglichen Ob- jecte ebensowohl künstlerische Conception anwenden müsse, als der Zeichner und der Maler 1). Allein dies zugegeben, würde doch selbst die Aufnahme eines mit dem höchsten Kunstge- schmack gruppirten und drapirten lebenden Bildes, oder das Portrait eines Dawison als König Lear oder Shylok nicht selbst ein Kunstwerk, sondern nur die Copie eines Kunstwerkes sein und auf Schutz gegen Vervielfältigung keinen Anspruch haben, da die mimische und die darstellende Kunst selbst nicht gegen Nachahmung geschützt ist. Ferner wird erinnert, dass die Photographie vielfach der Nachhülfe durch die zeichnende Kunst bedarf, dass photogra- phische Aufnahmen nach Gemälden und selbst grössere pho- tographische Portraits so dargestellt werden, dass die directe Photographie nur als Unterlage für die Retouche, d. h. für eine freie künstlerische Zeichnung dient, von der dann erst das zur Vervielfältigung bestimmte Negativ genommen wird. Allein auch in diesem Falle ist nicht die Photographie, sondern das retouchirte Blatt das Kunstwerk und es fehlt dem Künstler auch nach der bestehenden Gesetzgebung nicht die Möglichkeit, sich das Recht der Vervielfältigung dieser Zeichnung — als solche ist die Retouche ohne Frage zu betrachten — ebenso durch Anmeldung zu sichern, als dies mit andern photogra- phisch vervielfaltigten Zeichnungen (z. B. den Götheschen Frauen- gestalten von Kaulbach) geschehen ist. Die Praxis sämmtlicher Rechtsgebiete 2) hat daher auch 1) Bluntschli, Deutsches Privatrecht 3. Aufl. S. 120. 2) Mit Ausnahme des neuesten Bayerischen Rechts.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/205>, abgerufen am 25.11.2024.