ausgesprochen, oder doch stillschweigend nach der übereinstim- menden Auslegung der Gerichtspraxis angenommen ist.
Für das Preussische Recht steht der Sächsischen Entschei- dung das Urtheil des Obertribunals vom 24. Februar 1864 ge- genüber, welches den folgenden Rechtsfall zum Gegenstande hat 1).
Der Bildhauer Franz verfertigte auf Bestellung des Kunst- händlers Eichler nach den beiden Thorwaldsenschen Marmor- reliefs: Nacht und Morgen, Modelle in verkleinertem Massstabe, nach welchen Eichler Formen zur Darstellung von Gypsabgüssen herstellte. Die Gypsabgüsse, deren Modelle Franz zum Schutze gegen unbefugte Nachbildung gemäss §. 27 des Gesetzes vom 11. März 1837 beim Kultusministerium anmeldete, hat der An- geklagte Ceriglioli vervielfältigt und ist deshalb der unbefugten Nachbildung des Franzschen Modells auf mechanischem Wege beschuldigt. Der Angeklagte wandte ein, das von Franz ver- fertigte Modell sei keine rechtmässige Abbildung, weil die Thorwaldsenschen Originale in Preussen nicht geschützt, also Gemeingut seien. Daher habe eine Uebertragung eines Rechtes zu deren Abbildung oder Vervielfältigung nicht erfolgen können. Ausserdem sei die von Franz ausgeführte Modellirung kein an- deres Kunstverfahren, als das bei der Herstellung des Origi- nales angewandte. Es fehle daher an einem geeigneten Gegen- stande des im §. 29 des Gesetzes vom 11. März 1837 bestimm- ten Rechtsschutzes, nämlich an einer rechtmässigen durch ein anderes Kunstverfahren, als bei dem Originale angewendet, her- gestellten Abbildung.
Das Obertribunal hielt die in erster Instanz ausgesprochene Verurtheilung aufrecht. Es stellte die Anwendung eines an- deren Kunstverfahrens, der Modellirung gegenüber der Sculptur in Marmor, fest und führte ferner aus:
"Es fragt sich, ob der §. 29 vermöge des Ausdrucks recht- mässig etwa nur von jenen Abbildungen handelt, welche von dem Künstler selbst oder dessen Rechtsnachfolgern während der Dauer ihres noch geschützten Verlagsrechtes genehmigt worden sind, welche also deshalb "rechtmässige" sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn der Umfang des Verlagsrechtes mit seinem
1) Vergl. Goltdammer, Ueber die strafbare Nachbildung von Kunst- werken (Separatabdruck aus dem Archiv für Strafrecht). Berlin 1864.
V. Gegenstände. §. 18. Kunstwerke.
ausgesprochen, oder doch stillschweigend nach der übereinstim- menden Auslegung der Gerichtspraxis angenommen ist.
Für das Preussische Recht steht der Sächsischen Entschei- dung das Urtheil des Obertribunals vom 24. Februar 1864 ge- genüber, welches den folgenden Rechtsfall zum Gegenstande hat 1).
Der Bildhauer Franz verfertigte auf Bestellung des Kunst- händlers Eichler nach den beiden Thorwaldsenschen Marmor- reliefs: Nacht und Morgen, Modelle in verkleinertem Massstabe, nach welchen Eichler Formen zur Darstellung von Gypsabgüssen herstellte. Die Gypsabgüsse, deren Modelle Franz zum Schutze gegen unbefugte Nachbildung gemäss §. 27 des Gesetzes vom 11. März 1837 beim Kultusministerium anmeldete, hat der An- geklagte Ceriglioli vervielfältigt und ist deshalb der unbefugten Nachbildung des Franzschen Modells auf mechanischem Wege beschuldigt. Der Angeklagte wandte ein, das von Franz ver- fertigte Modell sei keine rechtmässige Abbildung, weil die Thorwaldsenschen Originale in Preussen nicht geschützt, also Gemeingut seien. Daher habe eine Uebertragung eines Rechtes zu deren Abbildung oder Vervielfältigung nicht erfolgen können. Ausserdem sei die von Franz ausgeführte Modellirung kein an- deres Kunstverfahren, als das bei der Herstellung des Origi- nales angewandte. Es fehle daher an einem geeigneten Gegen- stande des im §. 29 des Gesetzes vom 11. März 1837 bestimm- ten Rechtsschutzes, nämlich an einer rechtmässigen durch ein anderes Kunstverfahren, als bei dem Originale angewendet, her- gestellten Abbildung.
Das Obertribunal hielt die in erster Instanz ausgesprochene Verurtheilung aufrecht. Es stellte die Anwendung eines an- deren Kunstverfahrens, der Modellirung gegenüber der Sculptur in Marmor, fest und führte ferner aus:
»Es fragt sich, ob der §. 29 vermöge des Ausdrucks recht- mässig etwa nur von jenen Abbildungen handelt, welche von dem Künstler selbst oder dessen Rechtsnachfolgern während der Dauer ihres noch geschützten Verlagsrechtes genehmigt worden sind, welche also deshalb »rechtmässige« sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn der Umfang des Verlagsrechtes mit seinem
1) Vergl. Goltdammer, Ueber die strafbare Nachbildung von Kunst- werken (Separatabdruck aus dem Archiv für Strafrecht). Berlin 1864.
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[184/0200]
V. Gegenstände. §. 18. Kunstwerke.
ausgesprochen, oder doch stillschweigend nach der übereinstim-
menden Auslegung der Gerichtspraxis angenommen ist.
Für das Preussische Recht steht der Sächsischen Entschei-
dung das Urtheil des Obertribunals vom 24. Februar 1864 ge-
genüber, welches den folgenden Rechtsfall zum Gegenstande
hat 1).
Der Bildhauer Franz verfertigte auf Bestellung des Kunst-
händlers Eichler nach den beiden Thorwaldsenschen Marmor-
reliefs: Nacht und Morgen, Modelle in verkleinertem Massstabe,
nach welchen Eichler Formen zur Darstellung von Gypsabgüssen
herstellte. Die Gypsabgüsse, deren Modelle Franz zum Schutze
gegen unbefugte Nachbildung gemäss §. 27 des Gesetzes vom
11. März 1837 beim Kultusministerium anmeldete, hat der An-
geklagte Ceriglioli vervielfältigt und ist deshalb der unbefugten
Nachbildung des Franzschen Modells auf mechanischem Wege
beschuldigt. Der Angeklagte wandte ein, das von Franz ver-
fertigte Modell sei keine rechtmässige Abbildung, weil die
Thorwaldsenschen Originale in Preussen nicht geschützt, also
Gemeingut seien. Daher habe eine Uebertragung eines Rechtes
zu deren Abbildung oder Vervielfältigung nicht erfolgen können.
Ausserdem sei die von Franz ausgeführte Modellirung kein an-
deres Kunstverfahren, als das bei der Herstellung des Origi-
nales angewandte. Es fehle daher an einem geeigneten Gegen-
stande des im §. 29 des Gesetzes vom 11. März 1837 bestimm-
ten Rechtsschutzes, nämlich an einer rechtmässigen durch ein
anderes Kunstverfahren, als bei dem Originale angewendet, her-
gestellten Abbildung.
Das Obertribunal hielt die in erster Instanz ausgesprochene
Verurtheilung aufrecht. Es stellte die Anwendung eines an-
deren Kunstverfahrens, der Modellirung gegenüber der Sculptur
in Marmor, fest und führte ferner aus:
»Es fragt sich, ob der §. 29 vermöge des Ausdrucks recht-
mässig etwa nur von jenen Abbildungen handelt, welche von
dem Künstler selbst oder dessen Rechtsnachfolgern während der
Dauer ihres noch geschützten Verlagsrechtes genehmigt worden
sind, welche also deshalb »rechtmässige« sind. Dies ist jedoch
nicht der Fall. Denn der Umfang des Verlagsrechtes mit seinem
1) Vergl. Goltdammer, Ueber die strafbare Nachbildung von Kunst-
werken (Separatabdruck aus dem Archiv für Strafrecht). Berlin 1864.
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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/200>, abgerufen am 21.11.2024.
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