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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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V. Gegenstände. §. 16. Schriften.
und ähnlichen Aufzeichnungen, die durch zufällige, mit der Per-
son ihres Verfassers oder mit Ort und Zeit ihrer Abfassung
verknüpfte Umstände einen literarischen Werth erlangen kön-
nen, den sie ursprünglich nicht besassen und nicht beanspruchten.

Man muss hiernach das aufgestellte Kriterium der ursprüng-
lichen Bestimmung für den schriftstellerischen Verkehr unbe-
dingt verwerfen und den Satz aufstellen, dass jede zur Mit-
theilung von Gedanken bestimmte Schrift ein mögliches Ob-
ject des Schrifteigenthumes ist. Ob an derselben demnächst
ein Schrifteigenthum entsteht und ausgeübt wird, ob die Schrift
Gegenstand eines Verlagsvertrages oder eines unbefugten Nach-
druckes wird, hängt von äusseren Umständen ab, die keines-
weges immer in der Form und dem Inhalte der Schrift begründet
sind. Manche der schönsten Blüthen unserer Lyrik ist entstanden,
ohne ursprünglich für den Verlag bestimmt zu sein und manche
Schrift, die weder für den literarischen Verkehr verfasst, noch
ihrem geistigen Gehalte nach für denselben geeignet war, hat
durch die Launen des Zufalls dennoch eine literarische Verbrei-
tung erlangt 1).

Noch weniger als auf den geistigen Gehalt und die schrift-
stellerische Tendenz kommt es auf den Umfang der Mitthei-
lung an. Die Frage, wie viel Druckseiten oder Zeilen eine
Schrift zählen muss, um als selbständiger Träger eines ver-
mögensrechtlichen Interesses gelten zu können, ist rein that-
sächlicher Natur 2). Sobald ein solches vermögensrechtliches
Interesse vorhanden ist, muss das Recht der ausschliesslichen
Vervielfältigung anerkannt und geschützt werden 3). Es kann
nur als ein verfehlter Versuch bezeichnet werden, wenn die

1) Ein Beispiel, in Bezug auf welches allerdings die Annahme eines
geistigen Eigenthumes aus mehr als einem Grunde ausgeschlossen bleibt,
ist das sogenannte Buch der Wilden: das Schmierheft eines deut-
schen Hinterwäldler-Jungen aus Ober-Canada, welches dem Abbe Do-
menech in die Hände fiel und von dem der deutschen Schriftzüge Un-
kundigen als eine Hieroglyphenschrift der Rothhäute angesehen und
veröffentlicht wurde.
2) Vergl. das Gutachten betreffend den Nachdruck eines Flugblat-
tes bei Heydemann und Dambach a. a. O. S. 187.
3) Renouard, Traite des droits d'auteurs etc. Tom I p. 16. Une
petite propriete est aussi sacree qu'une grande et droit trouver dans
la loi la meme protection.

V. Gegenstände. §. 16. Schriften.
und ähnlichen Aufzeichnungen, die durch zufällige, mit der Per-
son ihres Verfassers oder mit Ort und Zeit ihrer Abfassung
verknüpfte Umstände einen literarischen Werth erlangen kön-
nen, den sie ursprünglich nicht besassen und nicht beanspruchten.

Man muss hiernach das aufgestellte Kriterium der ursprüng-
lichen Bestimmung für den schriftstellerischen Verkehr unbe-
dingt verwerfen und den Satz aufstellen, dass jede zur Mit-
theilung von Gedanken bestimmte Schrift ein mögliches Ob-
ject des Schrifteigenthumes ist. Ob an derselben demnächst
ein Schrifteigenthum entsteht und ausgeübt wird, ob die Schrift
Gegenstand eines Verlagsvertrages oder eines unbefugten Nach-
druckes wird, hängt von äusseren Umständen ab, die keines-
weges immer in der Form und dem Inhalte der Schrift begründet
sind. Manche der schönsten Blüthen unserer Lyrik ist entstanden,
ohne ursprünglich für den Verlag bestimmt zu sein und manche
Schrift, die weder für den literarischen Verkehr verfasst, noch
ihrem geistigen Gehalte nach für denselben geeignet war, hat
durch die Launen des Zufalls dennoch eine literarische Verbrei-
tung erlangt 1).

Noch weniger als auf den geistigen Gehalt und die schrift-
stellerische Tendenz kommt es auf den Umfang der Mitthei-
lung an. Die Frage, wie viel Druckseiten oder Zeilen eine
Schrift zählen muss, um als selbständiger Träger eines ver-
mögensrechtlichen Interesses gelten zu können, ist rein that-
sächlicher Natur 2). Sobald ein solches vermögensrechtliches
Interesse vorhanden ist, muss das Recht der ausschliesslichen
Vervielfältigung anerkannt und geschützt werden 3). Es kann
nur als ein verfehlter Versuch bezeichnet werden, wenn die

1) Ein Beispiel, in Bezug auf welches allerdings die Annahme eines
geistigen Eigenthumes aus mehr als einem Grunde ausgeschlossen bleibt,
ist das sogenannte Buch der Wilden: das Schmierheft eines deut-
schen Hinterwäldler-Jungen aus Ober-Canada, welches dem Abbé Do-
menech in die Hände fiel und von dem der deutschen Schriftzüge Un-
kundigen als eine Hieroglyphenschrift der Rothhäute angesehen und
veröffentlicht wurde.
2) Vergl. das Gutachten betreffend den Nachdruck eines Flugblat-
tes bei Heydemann und Dambach a. a. O. S. 187.
3) Renouard, Traité des droits d’auteurs etc. Tom I p. 16. Une
petite propriété est aussi sacrée qu’une grande et droit trouver dans
la loi la même protection.
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[152/0168] V. Gegenstände. §. 16. Schriften. und ähnlichen Aufzeichnungen, die durch zufällige, mit der Per- son ihres Verfassers oder mit Ort und Zeit ihrer Abfassung verknüpfte Umstände einen literarischen Werth erlangen kön- nen, den sie ursprünglich nicht besassen und nicht beanspruchten. Man muss hiernach das aufgestellte Kriterium der ursprüng- lichen Bestimmung für den schriftstellerischen Verkehr unbe- dingt verwerfen und den Satz aufstellen, dass jede zur Mit- theilung von Gedanken bestimmte Schrift ein mögliches Ob- ject des Schrifteigenthumes ist. Ob an derselben demnächst ein Schrifteigenthum entsteht und ausgeübt wird, ob die Schrift Gegenstand eines Verlagsvertrages oder eines unbefugten Nach- druckes wird, hängt von äusseren Umständen ab, die keines- weges immer in der Form und dem Inhalte der Schrift begründet sind. Manche der schönsten Blüthen unserer Lyrik ist entstanden, ohne ursprünglich für den Verlag bestimmt zu sein und manche Schrift, die weder für den literarischen Verkehr verfasst, noch ihrem geistigen Gehalte nach für denselben geeignet war, hat durch die Launen des Zufalls dennoch eine literarische Verbrei- tung erlangt 1). Noch weniger als auf den geistigen Gehalt und die schrift- stellerische Tendenz kommt es auf den Umfang der Mitthei- lung an. Die Frage, wie viel Druckseiten oder Zeilen eine Schrift zählen muss, um als selbständiger Träger eines ver- mögensrechtlichen Interesses gelten zu können, ist rein that- sächlicher Natur 2). Sobald ein solches vermögensrechtliches Interesse vorhanden ist, muss das Recht der ausschliesslichen Vervielfältigung anerkannt und geschützt werden 3). Es kann nur als ein verfehlter Versuch bezeichnet werden, wenn die 1) Ein Beispiel, in Bezug auf welches allerdings die Annahme eines geistigen Eigenthumes aus mehr als einem Grunde ausgeschlossen bleibt, ist das sogenannte Buch der Wilden: das Schmierheft eines deut- schen Hinterwäldler-Jungen aus Ober-Canada, welches dem Abbé Do- menech in die Hände fiel und von dem der deutschen Schriftzüge Un- kundigen als eine Hieroglyphenschrift der Rothhäute angesehen und veröffentlicht wurde. 2) Vergl. das Gutachten betreffend den Nachdruck eines Flugblat- tes bei Heydemann und Dambach a. a. O. S. 187. 3) Renouard, Traité des droits d’auteurs etc. Tom I p. 16. Une petite propriété est aussi sacrée qu’une grande et droit trouver dans la loi la même protection.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/168>, abgerufen am 24.11.2024.