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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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V. Gegenstände. §. 16. Schriften.

Es wurde hierauf dem Literarischen Sachverständigen-Verein
die Frage vorgelegt,

ob nicht in Bezug auf die factische Lage der Sache in der
Benutzung der Dichtung ein strafbarer Nachdruck im Sinne
des Gesetzes zu finden sei oder nicht?

Diese Frage wurde in dem Gutachten vom 21. Dezember 1848
verneint und zur Begründung Folgendes ausgeführt:

"Im vorliegenden Falle erscheint die Composition als das
essentiale, das Gedicht kann nur, wenn nicht als accidens, doch
nur als der dünne Faden betrachtet werden, um den der Kaufmann
die Rosinen, die Korallen reiht, der Lichtzieher die Kerzen zieht.
Es ist Niemanden eingefallen, einem Componisten es zu verwehren,
jedes beliebige Gedicht, das er irgendwo sieht oder hört, abzu-
schreiben, es zu componiren und die Composition mit dem Texte
herauszugeben. Das Publikum kauft nicht das Gedicht, sondern
die Noten.

Ein allgemeines Gesetz lässt sich aus dieser Sitte freilich nicht
herstellen. Ein Gedicht kann einen ganz besondern Werth der
Neuheit und Schönheit haben, die Composition kann nur ein obligates
Accompagnement sein. Es könnte der Fall sein, dass die Musik
gegen die Poesie augenfällig zurückträte, dass eine Musikalienhand-
lung sich daran machte, eine leichtfertige Begleitung dazu anfer-
tigen zu lassen, um unter diesem Scheine das Gedicht zu verkau-
fen. Dies findet indess hier nicht statt, weder die Länge noch
der Werth des Gedichtes kann zu einem solchen Manoeuvre ver-
anlassen."


Die weiter folgenden Ausführungen über den Werth des
Gedichtes könnten zu der Auffassung verleiten, als ob der Li-
terarische Sachverständigen-Verein das immerhin subjective Ur-
theil über den geistigen Werth und den Umfang der Production
zur Grundlage seines rechtlichen Gutachtens machte. Die Ver-
gleichung mit dem spätern Gutachten vom 7. November 1859,
welches den Nachdruck von vier Theater-Couplets 1) betrifft,
bestätigt indess, dass diese Erörterung nur die relative Be-
deutung des Textes gegenüber der Melodie zum Gegenstande
hat, dass also nach der Auffassung des Literarischen Sachver-
ständigen-Vereines der Text, sei er gut oder schlecht, gegen
Nachdruck geschützt ist, wenn er als selbständiges Object der

1) a. a. O. S. 458.
V. Gegenstände. §. 16. Schriften.

Es wurde hierauf dem Literarischen Sachverständigen-Verein
die Frage vorgelegt,

ob nicht in Bezug auf die factische Lage der Sache in der
Benutzung der Dichtung ein strafbarer Nachdruck im Sinne
des Gesetzes zu finden sei oder nicht?

Diese Frage wurde in dem Gutachten vom 21. Dezember 1848
verneint und zur Begründung Folgendes ausgeführt:

»Im vorliegenden Falle erscheint die Composition als das
essentiale, das Gedicht kann nur, wenn nicht als accidens, doch
nur als der dünne Faden betrachtet werden, um den der Kaufmann
die Rosinen, die Korallen reiht, der Lichtzieher die Kerzen zieht.
Es ist Niemanden eingefallen, einem Componisten es zu verwehren,
jedes beliebige Gedicht, das er irgendwo sieht oder hört, abzu-
schreiben, es zu componiren und die Composition mit dem Texte
herauszugeben. Das Publikum kauft nicht das Gedicht, sondern
die Noten.

Ein allgemeines Gesetz lässt sich aus dieser Sitte freilich nicht
herstellen. Ein Gedicht kann einen ganz besondern Werth der
Neuheit und Schönheit haben, die Composition kann nur ein obligates
Accompagnement sein. Es könnte der Fall sein, dass die Musik
gegen die Poesie augenfällig zurückträte, dass eine Musikalienhand-
lung sich daran machte, eine leichtfertige Begleitung dazu anfer-
tigen zu lassen, um unter diesem Scheine das Gedicht zu verkau-
fen. Dies findet indess hier nicht statt, weder die Länge noch
der Werth des Gedichtes kann zu einem solchen Manoeuvre ver-
anlassen.«


Die weiter folgenden Ausführungen über den Werth des
Gedichtes könnten zu der Auffassung verleiten, als ob der Li-
terarische Sachverständigen-Verein das immerhin subjective Ur-
theil über den geistigen Werth und den Umfang der Production
zur Grundlage seines rechtlichen Gutachtens machte. Die Ver-
gleichung mit dem spätern Gutachten vom 7. November 1859,
welches den Nachdruck von vier Theater-Couplets 1) betrifft,
bestätigt indess, dass diese Erörterung nur die relative Be-
deutung des Textes gegenüber der Melodie zum Gegenstande
hat, dass also nach der Auffassung des Literarischen Sachver-
ständigen-Vereines der Text, sei er gut oder schlecht, gegen
Nachdruck geschützt ist, wenn er als selbständiges Object der

1) a. a. O. S. 458.
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[148/0164] V. Gegenstände. §. 16. Schriften. Es wurde hierauf dem Literarischen Sachverständigen-Verein die Frage vorgelegt, ob nicht in Bezug auf die factische Lage der Sache in der Benutzung der Dichtung ein strafbarer Nachdruck im Sinne des Gesetzes zu finden sei oder nicht? Diese Frage wurde in dem Gutachten vom 21. Dezember 1848 verneint und zur Begründung Folgendes ausgeführt: »Im vorliegenden Falle erscheint die Composition als das essentiale, das Gedicht kann nur, wenn nicht als accidens, doch nur als der dünne Faden betrachtet werden, um den der Kaufmann die Rosinen, die Korallen reiht, der Lichtzieher die Kerzen zieht. Es ist Niemanden eingefallen, einem Componisten es zu verwehren, jedes beliebige Gedicht, das er irgendwo sieht oder hört, abzu- schreiben, es zu componiren und die Composition mit dem Texte herauszugeben. Das Publikum kauft nicht das Gedicht, sondern die Noten. Ein allgemeines Gesetz lässt sich aus dieser Sitte freilich nicht herstellen. Ein Gedicht kann einen ganz besondern Werth der Neuheit und Schönheit haben, die Composition kann nur ein obligates Accompagnement sein. Es könnte der Fall sein, dass die Musik gegen die Poesie augenfällig zurückträte, dass eine Musikalienhand- lung sich daran machte, eine leichtfertige Begleitung dazu anfer- tigen zu lassen, um unter diesem Scheine das Gedicht zu verkau- fen. Dies findet indess hier nicht statt, weder die Länge noch der Werth des Gedichtes kann zu einem solchen Manoeuvre ver- anlassen.« Die weiter folgenden Ausführungen über den Werth des Gedichtes könnten zu der Auffassung verleiten, als ob der Li- terarische Sachverständigen-Verein das immerhin subjective Ur- theil über den geistigen Werth und den Umfang der Production zur Grundlage seines rechtlichen Gutachtens machte. Die Ver- gleichung mit dem spätern Gutachten vom 7. November 1859, welches den Nachdruck von vier Theater-Couplets 1) betrifft, bestätigt indess, dass diese Erörterung nur die relative Be- deutung des Textes gegenüber der Melodie zum Gegenstande hat, dass also nach der Auffassung des Literarischen Sachver- ständigen-Vereines der Text, sei er gut oder schlecht, gegen Nachdruck geschützt ist, wenn er als selbständiges Object der 1) a. a. O. S. 458.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/164>, abgerufen am 24.11.2024.