Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Erfindung.
findung, welche neue Mittel zur Beherrschung der Materie pro-
duzirt, zu unterscheiden ist von der blossen industriellen Va-
riation bereits vorhandener Prozesse und Einrichtungen.

Hier ist zunächst nur zu constatiren, dass auch auf dem
Gebiete der Erfindungen, wie auf demjenigen der Künste und
der Literatur ein geistiges Eigenthum nur insoweit anerkannt
werden darf, als der geistige Gehalt der Production die blosse
stoffliche und mechanische Hervorbringung überwiegt.

Die Schwierigkeit dieser Unterscheidung im einzelnen Falle
und die noch grössere Schwierigkeit, allgemeine juristische Re-
geln für diese Unterscheidung aufzustellen, hat zu der Behaup-
tung Veranlassung gegeben, dass die gewerblichen Erfindungen
nicht als Gegenstände des geistigen Eigenthumes oder des Au-
torrechtes zu betrachten seien, weil es sich bei ihnen um eine
von der schriftstellerischen und künstlerischen Production we-
sentlich verschiedene geistige Thätigkeit handle, und weil es
bei ihnen wesentlich auf den verarbeiteten Stoff ankomme 1).

Dass diese Distinction nicht dazu berechtigt, das Urheber-
recht des Erfinders aus dem Kreise des geistigen Eigenthumes
auszuschliessen, ist bereits von Beseler 2) anerkannt worden.
Gleichwohl verwirft auch Beseler das geistige Eigenthum des
Erfinders, "weil nicht so sehr die Veröffentlichung und Verviel-
fältigung des Werkes, als die Benutzung zum eigenen Gebrauche
verboten werden solle, eine solche freie Aneignung aber auch
bei literarischen und künstlerischen Erzeugnissen von dem Ur-
heber nicht verhindert werden könne, indem sein Urheberrecht
dadurch nicht verletzt werde. -- Man begnüge sich daher für
die gewerblichen Erfindungen nach Art der früheren Nach-
drucksprivilegien mit Erfindungspatenten."

Das Letztere ist für die Länder des blossen Anmeldungsyste-
mes, zu denen auch verschiedene deutsche Staaten wie Bayern und
Würtemberg gehören, offenbar nicht richtig, da in diesen Ländern
Jeder, der die Bedingungen des Gesetzes erfüllt, durch die blosse
Anmeldung und nicht erst durch Verleihung eines Privilegiums
den Rechtsschutz für eine wirklich neue Erfindung erlangt. Der
Inhalt des Rechtes des Erfinders ist allerdings von demjenigen des

1) Jolly, Die Lehre vom Nachdruck S. 190 ff. Bluntschli,
Deutsches Privatrecht §. 47 Anm. 1.
2) System des Deutschen Privatrechts 2. Auflage S. 323.

Erfindung.
findung, welche neue Mittel zur Beherrschung der Materie pro-
duzirt, zu unterscheiden ist von der blossen industriellen Va-
riation bereits vorhandener Prozesse und Einrichtungen.

Hier ist zunächst nur zu constatiren, dass auch auf dem
Gebiete der Erfindungen, wie auf demjenigen der Künste und
der Literatur ein geistiges Eigenthum nur insoweit anerkannt
werden darf, als der geistige Gehalt der Production die blosse
stoffliche und mechanische Hervorbringung überwiegt.

Die Schwierigkeit dieser Unterscheidung im einzelnen Falle
und die noch grössere Schwierigkeit, allgemeine juristische Re-
geln für diese Unterscheidung aufzustellen, hat zu der Behaup-
tung Veranlassung gegeben, dass die gewerblichen Erfindungen
nicht als Gegenstände des geistigen Eigenthumes oder des Au-
torrechtes zu betrachten seien, weil es sich bei ihnen um eine
von der schriftstellerischen und künstlerischen Production we-
sentlich verschiedene geistige Thätigkeit handle, und weil es
bei ihnen wesentlich auf den verarbeiteten Stoff ankomme 1).

Dass diese Distinction nicht dazu berechtigt, das Urheber-
recht des Erfinders aus dem Kreise des geistigen Eigenthumes
auszuschliessen, ist bereits von Beseler 2) anerkannt worden.
Gleichwohl verwirft auch Beseler das geistige Eigenthum des
Erfinders, »weil nicht so sehr die Veröffentlichung und Verviel-
fältigung des Werkes, als die Benutzung zum eigenen Gebrauche
verboten werden solle, eine solche freie Aneignung aber auch
bei literarischen und künstlerischen Erzeugnissen von dem Ur-
heber nicht verhindert werden könne, indem sein Urheberrecht
dadurch nicht verletzt werde. — Man begnüge sich daher für
die gewerblichen Erfindungen nach Art der früheren Nach-
drucksprivilegien mit Erfindungspatenten.«

Das Letztere ist für die Länder des blossen Anmeldungsyste-
mes, zu denen auch verschiedene deutsche Staaten wie Bayern und
Würtemberg gehören, offenbar nicht richtig, da in diesen Ländern
Jeder, der die Bedingungen des Gesetzes erfüllt, durch die blosse
Anmeldung und nicht erst durch Verleihung eines Privilegiums
den Rechtsschutz für eine wirklich neue Erfindung erlangt. Der
Inhalt des Rechtes des Erfinders ist allerdings von demjenigen des

1) Jolly, Die Lehre vom Nachdruck S. 190 ff. Bluntschli,
Deutsches Privatrecht §. 47 Anm. 1.
2) System des Deutschen Privatrechts 2. Auflage S. 323.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0147" n="131"/><fw place="top" type="header">Erfindung.</fw><lb/>
findung, welche neue Mittel zur Beherrschung der Materie pro-<lb/>
duzirt, zu unterscheiden ist von der blossen industriellen Va-<lb/>
riation bereits vorhandener Prozesse und Einrichtungen.</p><lb/>
            <p>Hier ist zunächst nur zu constatiren, dass auch auf dem<lb/>
Gebiete der Erfindungen, wie auf demjenigen der Künste und<lb/>
der Literatur ein geistiges Eigenthum nur insoweit anerkannt<lb/>
werden darf, als der geistige Gehalt der Production die blosse<lb/>
stoffliche und mechanische Hervorbringung überwiegt.</p><lb/>
            <p>Die Schwierigkeit dieser Unterscheidung im einzelnen Falle<lb/>
und die noch grössere Schwierigkeit, allgemeine juristische Re-<lb/>
geln für diese Unterscheidung aufzustellen, hat zu der Behaup-<lb/>
tung Veranlassung gegeben, dass die gewerblichen Erfindungen<lb/>
nicht als Gegenstände des geistigen Eigenthumes oder des Au-<lb/>
torrechtes zu betrachten seien, weil es sich bei ihnen um eine<lb/>
von der schriftstellerischen und künstlerischen Production we-<lb/>
sentlich verschiedene geistige Thätigkeit handle, und weil es<lb/>
bei ihnen wesentlich auf den verarbeiteten Stoff ankomme <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Jolly,</hi> Die Lehre vom Nachdruck S. 190 ff. <hi rendition="#g">Bluntschli</hi>,<lb/>
Deutsches Privatrecht §. 47 Anm. 1.</note>.</p><lb/>
            <p>Dass diese Distinction nicht dazu berechtigt, das Urheber-<lb/>
recht des Erfinders aus dem Kreise des geistigen Eigenthumes<lb/>
auszuschliessen, ist bereits von Beseler <note place="foot" n="2)">System des Deutschen Privatrechts 2. Auflage S. 323.</note> anerkannt worden.<lb/>
Gleichwohl verwirft auch Beseler das geistige Eigenthum des<lb/>
Erfinders, »weil nicht so sehr die Veröffentlichung und Verviel-<lb/>
fältigung des Werkes, als die Benutzung zum eigenen Gebrauche<lb/>
verboten werden solle, eine solche freie Aneignung aber auch<lb/>
bei literarischen und künstlerischen Erzeugnissen von dem Ur-<lb/>
heber nicht verhindert werden könne, indem sein Urheberrecht<lb/>
dadurch nicht verletzt werde. &#x2014; Man begnüge sich daher für<lb/>
die gewerblichen Erfindungen nach Art der früheren Nach-<lb/>
drucksprivilegien mit Erfindungspatenten.«</p><lb/>
            <p>Das Letztere ist für die Länder des blossen Anmeldungsyste-<lb/>
mes, zu denen auch verschiedene deutsche Staaten wie Bayern und<lb/>
Würtemberg gehören, offenbar nicht richtig, da in diesen Ländern<lb/>
Jeder, der die Bedingungen des Gesetzes erfüllt, durch die blosse<lb/>
Anmeldung und nicht erst durch Verleihung eines Privilegiums<lb/>
den Rechtsschutz für eine wirklich neue Erfindung erlangt. Der<lb/>
Inhalt des Rechtes des Erfinders ist allerdings von demjenigen des<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0147] Erfindung. findung, welche neue Mittel zur Beherrschung der Materie pro- duzirt, zu unterscheiden ist von der blossen industriellen Va- riation bereits vorhandener Prozesse und Einrichtungen. Hier ist zunächst nur zu constatiren, dass auch auf dem Gebiete der Erfindungen, wie auf demjenigen der Künste und der Literatur ein geistiges Eigenthum nur insoweit anerkannt werden darf, als der geistige Gehalt der Production die blosse stoffliche und mechanische Hervorbringung überwiegt. Die Schwierigkeit dieser Unterscheidung im einzelnen Falle und die noch grössere Schwierigkeit, allgemeine juristische Re- geln für diese Unterscheidung aufzustellen, hat zu der Behaup- tung Veranlassung gegeben, dass die gewerblichen Erfindungen nicht als Gegenstände des geistigen Eigenthumes oder des Au- torrechtes zu betrachten seien, weil es sich bei ihnen um eine von der schriftstellerischen und künstlerischen Production we- sentlich verschiedene geistige Thätigkeit handle, und weil es bei ihnen wesentlich auf den verarbeiteten Stoff ankomme 1). Dass diese Distinction nicht dazu berechtigt, das Urheber- recht des Erfinders aus dem Kreise des geistigen Eigenthumes auszuschliessen, ist bereits von Beseler 2) anerkannt worden. Gleichwohl verwirft auch Beseler das geistige Eigenthum des Erfinders, »weil nicht so sehr die Veröffentlichung und Verviel- fältigung des Werkes, als die Benutzung zum eigenen Gebrauche verboten werden solle, eine solche freie Aneignung aber auch bei literarischen und künstlerischen Erzeugnissen von dem Ur- heber nicht verhindert werden könne, indem sein Urheberrecht dadurch nicht verletzt werde. — Man begnüge sich daher für die gewerblichen Erfindungen nach Art der früheren Nach- drucksprivilegien mit Erfindungspatenten.« Das Letztere ist für die Länder des blossen Anmeldungsyste- mes, zu denen auch verschiedene deutsche Staaten wie Bayern und Würtemberg gehören, offenbar nicht richtig, da in diesen Ländern Jeder, der die Bedingungen des Gesetzes erfüllt, durch die blosse Anmeldung und nicht erst durch Verleihung eines Privilegiums den Rechtsschutz für eine wirklich neue Erfindung erlangt. Der Inhalt des Rechtes des Erfinders ist allerdings von demjenigen des 1) Jolly, Die Lehre vom Nachdruck S. 190 ff. Bluntschli, Deutsches Privatrecht §. 47 Anm. 1. 2) System des Deutschen Privatrechts 2. Auflage S. 323.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/147
Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/147>, abgerufen am 28.11.2024.