[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.Dich soll der schönsten Mutter geliebteste Und schönste Tochter lesen, und reizender Im Lesen werden, dich in Unschuld, Sieht sie dich etwa wo schlummern, küssen. Auf meinem Schooß, in meinen Umarmungen Soll einst die Freundin, welche mich lieben wird, Dein süß Geschwätz mir sanft erzählen Und es zugleich an der Hand als Mutter Die kleine Zilie lehren. Des Herzens Werth Zeigt auf dem Schauplatz keine mit jenem Reitz, Den du ihm gabst. Da einst die beyden Edleren Mädchen mit stiller Großmuth, Euch unnachahmbar, welchen nur Schönheit blüht, Sich in die Blumen setzten, da weint' ich, Freund, Da flossen ungesehne Thränen Aus dem gerührten entzückten Auge. Da schwebte lange freudiger Ernst um mich. O Tugend! rief ich, Tugend, wie schön bist du! Welch göttlich Meisterstück sind Seelen, Die sich hinauf bis zu dir erheben! Der du uns auch liebst, Olde, komm näher her, Du Kenner, der du edel und feuervoll Unbiegsam beyden, beyden furchtbar, Stümper der Tugend und Schriften hassest! Du, E
Dich ſoll der ſchoͤnſten Mutter geliebteſte Und ſchoͤnſte Tochter leſen, und reizender Im Leſen werden, dich in Unſchuld, Sieht ſie dich etwa wo ſchlummern, kuͤſſen. Auf meinem Schooß, in meinen Umarmungen Soll einſt die Freundin, welche mich lieben wird, Dein ſuͤß Geſchwaͤtz mir ſanft erzaͤhlen Und es zugleich an der Hand als Mutter Die kleine Zilie lehren. Des Herzens Werth Zeigt auf dem Schauplatz keine mit jenem Reitz, Den du ihm gabſt. Da einſt die beyden Edleren Maͤdchen mit ſtiller Großmuth, Euch unnachahmbar, welchen nur Schoͤnheit bluͤht, Sich in die Blumen ſetzten, da weint’ ich, Freund, Da floſſen ungeſehne Thraͤnen Aus dem geruͤhrten entzuͤckten Auge. Da ſchwebte lange freudiger Ernſt um mich. O Tugend! rief ich, Tugend, wie ſchoͤn biſt du! Welch goͤttlich Meiſterſtuͤck ſind Seelen, Die ſich hinauf bis zu dir erheben! Der du uns auch liebſt, Olde, komm naͤher her, Du Kenner, der du edel und feuervoll Unbiegſam beyden, beyden furchtbar, Stuͤmper der Tugend und Schriften haſſeſt! Du, E
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Auf meinem Schooß, in meinen Umarmungen
Soll einſt die Freundin, welche mich lieben wird,
Dein ſuͤß Geſchwaͤtz mir ſanft erzaͤhlen
Und es zugleich an der Hand als Mutter
Die kleine Zilie lehren. Des Herzens Werth
Zeigt auf dem Schauplatz keine mit jenem Reitz,
Den du ihm gabſt. Da einſt die beyden
Edleren Maͤdchen mit ſtiller Großmuth,
Euch unnachahmbar, welchen nur Schoͤnheit bluͤht,
Sich in die Blumen ſetzten, da weint’ ich, Freund,
Da floſſen ungeſehne Thraͤnen
Aus dem geruͤhrten entzuͤckten Auge.
Da ſchwebte lange freudiger Ernſt um mich.
O Tugend! rief ich, Tugend, wie ſchoͤn biſt du!
Welch goͤttlich Meiſterſtuͤck ſind Seelen,
Die ſich hinauf bis zu dir erheben!
Der du uns auch liebſt, Olde, komm naͤher her,
Du Kenner, der du edel und feuervoll
Unbiegſam beyden, beyden furchtbar,
Stuͤmper der Tugend und Schriften haſſeſt!
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