[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.Heilige Nacht, an der ich stehe, Vielleicht sinket, Nach Jahrtausenden, Dein geheimnisverhüllender Vorhang. Vielleicht schaft Gott Erkenntniß in mir, Die meine Kraft, und was sie entflammt, Wie viel es auch ist, und wie groß, Die ganze Schöpfung mir nicht geben kann! Du mein künftiges Seyn, wie jauchz' ich dir entgegen! Wie fühl' ich es in mir, wie klein ich bin! Aber wie fühl' ich es auch, Wie groß ich werde seyn! O du, die steigt zu dem Himmel hinauf, Hofnung gegeben von Gott! Ein kurzer, schneller, geflügelter Augenblick, Er heisset Tod! dann werd ich es seyn! Von diesem Nun an, schwing' ich mich Selbst über die höchste der Hofnungen auf! Denn selig sind von diesem Nun an, Die Todten, die dem Herrn entschlafen! Er ist der Sünde Lohn, der Augenblick, der Tod heißt! Aber seine gefürchtete Nacht Zeigt auch heller das himmlische Licht, Welches dicht hinter ihr strahlt! Laß
Heilige Nacht, an der ich ſtehe, Vielleicht ſinket, Nach Jahrtauſenden, Dein geheimnisverhuͤllender Vorhang. Vielleicht ſchaft Gott Erkenntniß in mir, Die meine Kraft, und was ſie entflammt, Wie viel es auch iſt, und wie groß, Die ganze Schoͤpfung mir nicht geben kann! Du mein kuͤnftiges Seyn, wie jauchz’ ich dir entgegen! Wie fuͤhl’ ich es in mir, wie klein ich bin! Aber wie fuͤhl’ ich es auch, Wie groß ich werde ſeyn! O du, die ſteigt zu dem Himmel hinauf, Hofnung gegeben von Gott! Ein kurzer, ſchneller, gefluͤgelter Augenblick, Er heiſſet Tod! dann werd ich es ſeyn! Von dieſem Nun an, ſchwing’ ich mich Selbſt uͤber die hoͤchſte der Hofnungen auf! Denn ſelig ſind von dieſem Nun an, Die Todten, die dem Herrn entſchlafen! Er iſt der Suͤnde Lohn, der Augenblick, der Tod heißt! Aber ſeine gefuͤrchtete Nacht Zeigt auch heller das himmliſche Licht, Welches dicht hinter ihr ſtrahlt! Laß
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Heilige Nacht, an der ich ſtehe,
Vielleicht ſinket,
Nach Jahrtauſenden,
Dein geheimnisverhuͤllender Vorhang.
Vielleicht ſchaft Gott Erkenntniß in mir,
Die meine Kraft, und was ſie entflammt,
Wie viel es auch iſt, und wie groß,
Die ganze Schoͤpfung mir nicht geben kann!
Du mein kuͤnftiges Seyn, wie jauchz’ ich dir entgegen!
Wie fuͤhl’ ich es in mir, wie klein ich bin!
Aber wie fuͤhl’ ich es auch,
Wie groß ich werde ſeyn!
O du, die ſteigt zu dem Himmel hinauf,
Hofnung gegeben von Gott!
Ein kurzer, ſchneller, gefluͤgelter Augenblick,
Er heiſſet Tod! dann werd ich es ſeyn!
Von dieſem Nun an, ſchwing’ ich mich
Selbſt uͤber die hoͤchſte der Hofnungen auf!
Denn ſelig ſind von dieſem Nun an,
Die Todten, die dem Herrn entſchlafen!
Er iſt der Suͤnde Lohn, der Augenblick, der Tod heißt!
Aber ſeine gefuͤrchtete Nacht
Zeigt auch heller das himmliſche Licht,
Welches dicht hinter ihr ſtrahlt!
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