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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.

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Zweyter Gesang.

Oder, was ich vielmehr von meiner Gottheit erwarte!
Was du vielmehr, unsterblicher Adramelech, vollendest,
Wenn ich Satan vor ihm noch verderbe, so sey er der
Erstling

Meiner Besiegten, mit deren Vernichtung mein neues
Reich anfängt.

Armer Satan, wie schwer wird dirs, den Leib des Messias
Nur zu erwürgen! Erwürg ihn nur! Ja, so kleine Ge-
schäffte

Laß ich dir, eh du vergehst; ich aber tödte die Seele!
Die vernicht ich; den sterblichen Staub magst du mühsam
zerstreuen!

Und wenn der Ewige sie vor andern Seelen erwählte,
Wenn er sie, sich zu verherrlichen, schuf: so soll er voll
Jammer

Um sie in einsamer Ewigkeit klagen! Drey schreckliche
Nächte

Soll er um sie klagen! Wenn er sich ins Dunkle verhüllt
hat,

Soll drey schreckliche Nächte kein Seraph sein Angesicht
sehen!

Dann will ich durch die ganze Natur ein tiefes Geheule
Hören, ein tiefes Geheul, am dunkeln verfinsterten
Throne,

Und ein Geheul in der Seelen Gefild, ein Geheul in den
Sternen,

Da, wo der Ewige wandelt, das will ich hören, und GOtt
seyn!

Also verlohr sich sein Geist, vom wünschenden Herzen
empöret,
Jn

Zweyter Geſang.

Oder, was ich vielmehr von meiner Gottheit erwarte!
Was du vielmehr, unſterblicher Adramelech, vollendeſt,
Wenn ich Satan vor ihm noch verderbe, ſo ſey er der
Erſtling

Meiner Beſiegten, mit deren Vernichtung mein neues
Reich anfaͤngt.

Armer Satan, wie ſchwer wird dirs, den Leib des Meſſias
Nur zu erwuͤrgen! Erwuͤrg ihn nur! Ja, ſo kleine Ge-
ſchaͤffte

Laß ich dir, eh du vergehſt; ich aber toͤdte die Seele!
Die vernicht ich; den ſterblichen Staub magſt du muͤhſam
zerſtreuen!

Und wenn der Ewige ſie vor andern Seelen erwaͤhlte,
Wenn er ſie, ſich zu verherrlichen, ſchuf: ſo ſoll er voll
Jammer

Um ſie in einſamer Ewigkeit klagen! Drey ſchreckliche
Naͤchte

Soll er um ſie klagen! Wenn er ſich ins Dunkle verhuͤllt
hat,

Soll drey ſchreckliche Naͤchte kein Seraph ſein Angeſicht
ſehen!

Dann will ich durch die ganze Natur ein tiefes Geheule
Hoͤren, ein tiefes Geheul, am dunkeln verfinſterten
Throne,

Und ein Geheul in der Seelen Gefild, ein Geheul in den
Sternen,

Da, wo der Ewige wandelt, das will ich hoͤren, und GOtt
ſeyn!

Alſo verlohr ſich ſein Geiſt, vom wuͤnſchenden Herzen
empoͤret,
Jn
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[93/0097] Zweyter Geſang. Oder, was ich vielmehr von meiner Gottheit erwarte! Was du vielmehr, unſterblicher Adramelech, vollendeſt, Wenn ich Satan vor ihm noch verderbe, ſo ſey er der Erſtling Meiner Beſiegten, mit deren Vernichtung mein neues Reich anfaͤngt. Armer Satan, wie ſchwer wird dirs, den Leib des Meſſias Nur zu erwuͤrgen! Erwuͤrg ihn nur! Ja, ſo kleine Ge- ſchaͤffte Laß ich dir, eh du vergehſt; ich aber toͤdte die Seele! Die vernicht ich; den ſterblichen Staub magſt du muͤhſam zerſtreuen! Und wenn der Ewige ſie vor andern Seelen erwaͤhlte, Wenn er ſie, ſich zu verherrlichen, ſchuf: ſo ſoll er voll Jammer Um ſie in einſamer Ewigkeit klagen! Drey ſchreckliche Naͤchte Soll er um ſie klagen! Wenn er ſich ins Dunkle verhuͤllt hat, Soll drey ſchreckliche Naͤchte kein Seraph ſein Angeſicht ſehen! Dann will ich durch die ganze Natur ein tiefes Geheule Hoͤren, ein tiefes Geheul, am dunkeln verfinſterten Throne, Und ein Geheul in der Seelen Gefild, ein Geheul in den Sternen, Da, wo der Ewige wandelt, das will ich hoͤren, und GOtt ſeyn! Alſo verlohr ſich ſein Geiſt, vom wuͤnſchenden Herzen empoͤret, Jn

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Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/97>, abgerufen am 24.11.2024.