Dort stand ich wider den Ewigen auf. Du, unsterbliche Ruhe, Meine Gespielinn im Thale des Friedens, wo bist du ge- blieben? Ach, an deiner Stat läßt mir mein Nichter ein traurig Erstaunen Kaum noch über sein Weltgebäu zu! O dürft ichs nur wagen, Ohne zu zittern, ihn Schöpfer zu nennen, wie willig und gerne Wollt ich alsdann den zärtlichen Vaternamen entbehren, Mit dem ihn seine Getreuen, die Seraphim, kindlich nennen. O du Richter der Welt! dir darf ich Aermster nicht flehen, Daß du mit einem Blicke mich nur im Abgrund hier an- sähst. Finstrer Gedanke, Gedancke voll Quaal, Und du, wilde Verzweiflung! Wüte, Tyrannin, ja wüte nur fort! - - - Wie bin ich so elend! - - - Wär ich nur nicht! - - - Jch fluche dir, Tag, da der Schöpfung GOtt sagte: Werde! Da er von Osten mit seiner Herrlichkeit ausgieng! Ja, dir fluch ich, o Tag, da die neuen Unsterblichen sprachen: Unser Bruder ist auch! Du, Mutter unendlicher Quaalen, Warum gebahrest du, Ewigkeit, ihn? Und mußt er ja werden, Warum ward er nicht finster und traurig, der ewigen Nacht gleich, Jn der mit Ungewitter gerüstet der Donnerer auszieht,
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Der Meſſias.
Dort ſtand ich wider den Ewigen auf. Du, unſterbliche Ruhe, Meine Geſpielinn im Thale des Friedens, wo biſt du ge- blieben? Ach, an deiner Stat laͤßt mir mein Nichter ein traurig Erſtaunen Kaum noch uͤber ſein Weltgebaͤu zu! O duͤrft ichs nur wagen, Ohne zu zittern, ihn Schoͤpfer zu nennen, wie willig und gerne Wollt ich alsdann den zaͤrtlichen Vaternamen entbehren, Mit dem ihn ſeine Getreuen, die Seraphim, kindlich nennen. O du Richter der Welt! dir darf ich Aermſter nicht flehen, Daß du mit einem Blicke mich nur im Abgrund hier an- ſaͤhſt. Finſtrer Gedanke, Gedancke voll Quaal, Und du, wilde Verzweiflung! Wuͤte, Tyrannin, ja wuͤte nur fort! - - - Wie bin ich ſo elend! - - - Waͤr ich nur nicht! - - - Jch fluche dir, Tag, da der Schoͤpfung GOtt ſagte: Werde! Da er von Oſten mit ſeiner Herrlichkeit ausgieng! Ja, dir fluch ich, o Tag, da die neuen Unſterblichen ſprachen: Unſer Bruder iſt auch! Du, Mutter unendlicher Quaalen, Warum gebahreſt du, Ewigkeit, ihn? Und mußt er ja werden, Warum ward er nicht finſter und traurig, der ewigen Nacht gleich, Jn der mit Ungewitter geruͤſtet der Donnerer auszieht,
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Der Meſſias.
Dort ſtand ich wider den Ewigen auf. Du, unſterbliche
Ruhe,
Meine Geſpielinn im Thale des Friedens, wo biſt du ge-
blieben?
Ach, an deiner Stat laͤßt mir mein Nichter ein traurig
Erſtaunen
Kaum noch uͤber ſein Weltgebaͤu zu! O duͤrft ichs nur
wagen,
Ohne zu zittern, ihn Schoͤpfer zu nennen, wie willig und
gerne
Wollt ich alsdann den zaͤrtlichen Vaternamen entbehren,
Mit dem ihn ſeine Getreuen, die Seraphim, kindlich
nennen.
O du Richter der Welt! dir darf ich Aermſter nicht flehen,
Daß du mit einem Blicke mich nur im Abgrund hier an-
ſaͤhſt.
Finſtrer Gedanke, Gedancke voll Quaal, Und du, wilde
Verzweiflung!
Wuͤte, Tyrannin, ja wuͤte nur fort! - - - Wie bin ich
ſo elend! - - -
Waͤr ich nur nicht! - - - Jch fluche dir, Tag, da der
Schoͤpfung GOtt ſagte:
Werde! Da er von Oſten mit ſeiner Herrlichkeit ausgieng!
Ja, dir fluch ich, o Tag, da die neuen Unſterblichen
ſprachen:
Unſer Bruder iſt auch! Du, Mutter unendlicher Quaalen,
Warum gebahreſt du, Ewigkeit, ihn? Und mußt er ja
werden,
Warum ward er nicht finſter und traurig, der ewigen
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Jn der mit Ungewitter geruͤſtet der Donnerer auszieht,
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Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr]
Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ erschienen zunächst in den ‚Neuen Beiträgen zum Vergnügen des Verstandes und des Witzes‘ (Bremen und Leipzig). Im Deutschen Textarchiv finden Sie mit dem 1749 in Halle erschienenen Druck die erste selbstständige Publikation des ersten bis dritten Gesangs. Ab 1751 erschienen diese und die weiteren Gesänge in vier Bänden, die Sie ebenfalls im DTA finden.
Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/92>, abgerufen am 28.07.2024.
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