Und der gewaltig einladende Lerm der Kriegesposaunen, Und die Heldenschaar, jeder ein GOtt, vor ihm ausge- breitet, Uebermannten sein Herz, und rissen ihn stürmisch zu- rücke. Hier noch wollt ihn sein Freund mit Blicken drohender Liebe Fortzueilen bewegen, allein von künftiger Gottheit Trunken und umnebelt sah er die sonst mächtigen Blicke Seines Freundes nicht mehr. Er kam im Triumphe zu Satan. Jammernd und in sich verhüllt, denkt er an diese Ge- schichte Seiner heiligen Jugend, und an den lieblichen Morgen Seiner Geburtszeit zurück; der Ewige schuf sie auf ein- mal. Damals besprachen sie sich mit angeborner Entzückung Unter einander: Ach, Seraph, was sind wir? Woher, mein Geliebter? Sahst du zuerst mich? Wie lange bist du? Ach, sind wir auch wirklich? Komm, umarme mich, göttlicher Freund, erzähle, was denkst du? Jndem kam die Herrlichkeit GOttes aus lichtheller Ferne Segnend einher. Sie sahen um sich nicht zu zählende Schaaren Neuer Unsterblichen wandeln. Ein wallend silbern Ge- wölke Hub sie zum Ewigen auf: Sie sahn ihn, und nannten ihn, Schöpfer. Diese Gedanken zermarterten Abbadonaa, sein Auge
Floß
Der Meſſias.
Und der gewaltig einladende Lerm der Kriegespoſaunen, Und die Heldenſchaar, jeder ein GOtt, vor ihm ausge- breitet, Uebermannten ſein Herz, und riſſen ihn ſtuͤrmiſch zu- ruͤcke. Hier noch wollt ihn ſein Freund mit Blicken drohender Liebe Fortzueilen bewegen, allein von kuͤnftiger Gottheit Trunken und umnebelt ſah er die ſonſt maͤchtigen Blicke Seines Freundes nicht mehr. Er kam im Triumphe zu Satan. Jammernd und in ſich verhuͤllt, denkt er an dieſe Ge- ſchichte Seiner heiligen Jugend, und an den lieblichen Morgen Seiner Geburtszeit zuruͤck; der Ewige ſchuf ſie auf ein- mal. Damals beſprachen ſie ſich mit angeborner Entzuͤckung Unter einander: Ach, Seraph, was ſind wir? Woher, mein Geliebter? Sahſt du zuerſt mich? Wie lange biſt du? Ach, ſind wir auch wirklich? Komm, umarme mich, goͤttlicher Freund, erzaͤhle, was denkſt du? Jndem kam die Herrlichkeit GOttes aus lichtheller Ferne Segnend einher. Sie ſahen um ſich nicht zu zaͤhlende Schaaren Neuer Unſterblichen wandeln. Ein wallend ſilbern Ge- woͤlke Hub ſie zum Ewigen auf: Sie ſahn ihn, und nannten ihn, Schoͤpfer. Dieſe Gedanken zermarterten Abbadonaa, ſein Auge
Floß
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Der Meſſias.
Und der gewaltig einladende Lerm der Kriegespoſaunen,
Und die Heldenſchaar, jeder ein GOtt, vor ihm ausge-
breitet,
Uebermannten ſein Herz, und riſſen ihn ſtuͤrmiſch zu-
ruͤcke.
Hier noch wollt ihn ſein Freund mit Blicken drohender
Liebe
Fortzueilen bewegen, allein von kuͤnftiger Gottheit
Trunken und umnebelt ſah er die ſonſt maͤchtigen Blicke
Seines Freundes nicht mehr. Er kam im Triumphe zu
Satan.
Jammernd und in ſich verhuͤllt, denkt er an dieſe Ge-
ſchichte
Seiner heiligen Jugend, und an den lieblichen Morgen
Seiner Geburtszeit zuruͤck; der Ewige ſchuf ſie auf ein-
mal.
Damals beſprachen ſie ſich mit angeborner Entzuͤckung
Unter einander: Ach, Seraph, was ſind wir? Woher,
mein Geliebter?
Sahſt du zuerſt mich? Wie lange biſt du? Ach, ſind wir
auch wirklich?
Komm, umarme mich, goͤttlicher Freund, erzaͤhle, was
denkſt du?
Jndem kam die Herrlichkeit GOttes aus lichtheller Ferne
Segnend einher. Sie ſahen um ſich nicht zu zaͤhlende
Schaaren
Neuer Unſterblichen wandeln. Ein wallend ſilbern Ge-
woͤlke
Hub ſie zum Ewigen auf: Sie ſahn ihn, und nannten ihn,
Schoͤpfer.
Dieſe Gedanken zermarterten Abbadonaa, ſein Auge
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr]
Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ erschienen zunächst in den ‚Neuen Beiträgen zum Vergnügen des Verstandes und des Witzes‘ (Bremen und Leipzig). Im Deutschen Textarchiv finden Sie mit dem 1749 in Halle erschienenen Druck die erste selbstständige Publikation des ersten bis dritten Gesangs. Ab 1751 erschienen diese und die weiteren Gesänge in vier Bänden, die Sie ebenfalls im DTA finden.
Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/84>, abgerufen am 16.02.2025.
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