Mitten in Stürmen, die er aus allen Welten herbeyrief, Rauscht er zum Sieg unaufhaltsam daher. Ach fliehe nur, Satan! Fliehe, damit er dich nicht mit seinem allmächtigen Don- ner Ungestüm fasse, bis du durch tausend Erden geworfen, Sinnlos bezwungen, ja todt, im Unerweßlichen liegest. Seht, so dacht ich, ihr Götter; allein ihm gefiel es noch itzo, Daß er ein Mensch blieb, ein weinendes Kind, wie die Söhne der Erde, Die schon bey ihrer Geburt um ihre Sterblichkeit weinen. Zwar sang um seine Geburtszeit ein Chor der himmlischen Geister. (Denn sie kommen bisweilen hernieder, die Erde zu sehen, Wo wir herrschen; da Hügel der Todten und Grüfte zu sehen, Wo vordem Paradiese nur stunden: dann kehren sie thränend, Um sich zu trösten, mit feyrenden Liedern gen Himmel zurücke; Also war es auch itzt) Sie eilten, und liessen den Knaben, Oder hört ihrs so lieber, die weinende Gottheit, alleine. Drauf entfloh er vor mir, ich ließ ihn immer entfliehen. Einen so furchtsamen Feind zu verfolgen, war meiner nicht würdig. Unterdeß ließ ich, nicht müßig zu seyn, durch meinen Er- wählten, Meinen König, und Opferpriester Herodes, zu Bethlem Säuglinge würgen. Das rinnende Blut, der Sterbenden Winseln,
Und
Der Meſſias.
Mitten in Stuͤrmen, die er aus allen Welten herbeyrief, Rauſcht er zum Sieg unaufhaltſam daher. Ach fliehe nur, Satan! Fliehe, damit er dich nicht mit ſeinem allmaͤchtigen Don- ner Ungeſtuͤm faſſe, bis du durch tauſend Erden geworfen, Sinnlos bezwungen, ja todt, im Unerweßlichen liegeſt. Seht, ſo dacht ich, ihr Goͤtter; allein ihm gefiel es noch itzo, Daß er ein Menſch blieb, ein weinendes Kind, wie die Soͤhne der Erde, Die ſchon bey ihrer Geburt um ihre Sterblichkeit weinen. Zwar ſang um ſeine Geburtszeit ein Chor der himmliſchen Geiſter. (Denn ſie kommen bisweilen hernieder, die Erde zu ſehen, Wo wir herrſchen; da Huͤgel der Todten und Gruͤfte zu ſehen, Wo vordem Paradieſe nur ſtunden: dann kehren ſie thraͤnend, Um ſich zu troͤſten, mit feyrenden Liedern gen Himmel zuruͤcke; Alſo war es auch itzt) Sie eilten, und lieſſen den Knaben, Oder hoͤrt ihrs ſo lieber, die weinende Gottheit, alleine. Drauf entfloh er vor mir, ich ließ ihn immer entfliehen. Einen ſo furchtſamen Feind zu verfolgen, war meiner nicht wuͤrdig. Unterdeß ließ ich, nicht muͤßig zu ſeyn, durch meinen Er- waͤhlten, Meinen Koͤnig, und Opferprieſter Herodes, zu Bethlem Saͤuglinge wuͤrgen. Das rinnende Blut, der Sterbenden Winſeln,
Und
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Der Meſſias.
Mitten in Stuͤrmen, die er aus allen Welten herbeyrief,
Rauſcht er zum Sieg unaufhaltſam daher. Ach fliehe nur,
Satan!
Fliehe, damit er dich nicht mit ſeinem allmaͤchtigen Don-
ner
Ungeſtuͤm faſſe, bis du durch tauſend Erden geworfen,
Sinnlos bezwungen, ja todt, im Unerweßlichen liegeſt.
Seht, ſo dacht ich, ihr Goͤtter; allein ihm gefiel es noch
itzo,
Daß er ein Menſch blieb, ein weinendes Kind, wie die
Soͤhne der Erde,
Die ſchon bey ihrer Geburt um ihre Sterblichkeit weinen.
Zwar ſang um ſeine Geburtszeit ein Chor der himmliſchen
Geiſter.
(Denn ſie kommen bisweilen hernieder, die Erde zu ſehen,
Wo wir herrſchen; da Huͤgel der Todten und Gruͤfte zu
ſehen,
Wo vordem Paradieſe nur ſtunden: dann kehren ſie
thraͤnend,
Um ſich zu troͤſten, mit feyrenden Liedern gen Himmel
zuruͤcke;
Alſo war es auch itzt) Sie eilten, und lieſſen den Knaben,
Oder hoͤrt ihrs ſo lieber, die weinende Gottheit, alleine.
Drauf entfloh er vor mir, ich ließ ihn immer entfliehen.
Einen ſo furchtſamen Feind zu verfolgen, war meiner
nicht wuͤrdig.
Unterdeß ließ ich, nicht muͤßig zu ſeyn, durch meinen Er-
waͤhlten,
Meinen Koͤnig, und Opferprieſter Herodes, zu Bethlem
Saͤuglinge wuͤrgen. Das rinnende Blut, der Sterbenden
Winſeln,
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Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr]
Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ erschienen zunächst in den ‚Neuen Beiträgen zum Vergnügen des Verstandes und des Witzes‘ (Bremen und Leipzig). Im Deutschen Textarchiv finden Sie mit dem 1749 in Halle erschienenen Druck die erste selbstständige Publikation des ersten bis dritten Gesangs. Ab 1751 erschienen diese und die weiteren Gesänge in vier Bänden, die Sie ebenfalls im DTA finden.
Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/76>, abgerufen am 29.07.2024.
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