Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.Der Messias. Kommt nur, des Himmels zukünftige Bürger, ein helle-res Anschaun, Selbst die Umarmung des göttlichen Mittlers erwartet euch liebreich. Auch die Seelen, die dem kaum gebornen Körper ent- flohen, Sammelten sich um den Seraph herum. Sie flohen mit Weinen, Mit dem zärtlichen Weinen der Kindheit. Jhr schüch- ternes Auge Hatte die Oberfläche der Erde kaum staunend erblicket; Darum durften sie sich auf den grössern Schauplatz der Welten Noch ungebildet so bald hervorzutreten nicht wagen. Jhre Beschützer begleiten sie zu sich, und lehren sie rei- zend, Unter dem Klange belebender Harfen, in lieblichen Lie- dern: Wie und woher sie entstanden; wie groß die menschliche Seele Von dem vollkommensten Geiste gemacht sey; wie ju- gendlich heiter Sonnen und Monde nach ihrer Geburt zum Schöpfer gekommen. Euch erwarten vollendete Väter; ein herrliches An- schaun Eures Erbarmers erwartet euch dort am ewigen Throne. Also lehren sie diese der Weisheit würdige Schüler, Jener erhabenen Weisheit, nach deren flüchtigen Schat- ten Durch
Der Meſſias. Kommt nur, des Himmels zukuͤnftige Buͤrger, ein helle-res Anſchaun, Selbſt die Umarmung des goͤttlichen Mittlers erwartet euch liebreich. Auch die Seelen, die dem kaum gebornen Koͤrper ent- flohen, Sammelten ſich um den Seraph herum. Sie flohen mit Weinen, Mit dem zaͤrtlichen Weinen der Kindheit. Jhr ſchuͤch- ternes Auge Hatte die Oberflaͤche der Erde kaum ſtaunend erblicket; Darum durften ſie ſich auf den groͤſſern Schauplatz der Welten Noch ungebildet ſo bald hervorzutreten nicht wagen. Jhre Beſchuͤtzer begleiten ſie zu ſich, und lehren ſie rei- zend, Unter dem Klange belebender Harfen, in lieblichen Lie- dern: Wie und woher ſie entſtanden; wie groß die menſchliche Seele Von dem vollkommenſten Geiſte gemacht ſey; wie ju- gendlich heiter Sonnen und Monde nach ihrer Geburt zum Schoͤpfer gekommen. Euch erwarten vollendete Vaͤter; ein herrliches An- ſchaun Eures Erbarmers erwartet euch dort am ewigen Throne. Alſo lehren ſie dieſe der Weisheit wuͤrdige Schuͤler, Jener erhabenen Weisheit, nach deren fluͤchtigen Schat- ten Durch
<TEI> <text> <body> <lg type="poem"> <lg n="40"> <pb facs="#f0044" n="40"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meſſias.</hi> </fw><lb/> <l>Kommt nur, des Himmels zukuͤnftige Buͤrger, ein helle-<lb/><hi rendition="#et">res Anſchaun,</hi></l><lb/> <l>Selbſt die Umarmung des goͤttlichen Mittlers erwartet<lb/><hi rendition="#et">euch liebreich.</hi></l> </lg><lb/> <lg n="41"> <l>Auch die Seelen, die dem kaum gebornen Koͤrper ent-<lb/><hi rendition="#et">flohen,</hi></l><lb/> <l>Sammelten ſich um den Seraph herum. Sie flohen mit<lb/><hi rendition="#et">Weinen,</hi></l><lb/> <l>Mit dem zaͤrtlichen Weinen der Kindheit. Jhr ſchuͤch-<lb/><hi rendition="#et">ternes Auge</hi></l><lb/> <l>Hatte die Oberflaͤche der Erde kaum ſtaunend erblicket;</l><lb/> <l>Darum durften ſie ſich auf den groͤſſern Schauplatz der<lb/><hi rendition="#et">Welten</hi></l><lb/> <l>Noch ungebildet ſo bald hervorzutreten nicht wagen.</l><lb/> <l>Jhre Beſchuͤtzer begleiten ſie zu ſich, und lehren ſie rei-<lb/><hi rendition="#et">zend,</hi></l><lb/> <l>Unter dem Klange belebender Harfen, in lieblichen Lie-<lb/><hi rendition="#et">dern:</hi></l><lb/> <l>Wie und woher ſie entſtanden; wie groß die menſchliche<lb/><hi rendition="#et">Seele</hi></l><lb/> <l>Von dem vollkommenſten Geiſte gemacht ſey; wie ju-<lb/><hi rendition="#et">gendlich heiter</hi></l><lb/> <l>Sonnen und Monde nach ihrer Geburt zum Schoͤpfer<lb/><hi rendition="#et">gekommen.</hi></l><lb/> <l>Euch erwarten vollendete Vaͤter; ein herrliches An-<lb/><hi rendition="#et">ſchaun</hi></l><lb/> <l>Eures Erbarmers erwartet euch dort am ewigen Throne.</l><lb/> <l>Alſo lehren ſie dieſe der Weisheit wuͤrdige Schuͤler,</l><lb/> <l>Jener erhabenen Weisheit, nach deren fluͤchtigen Schat-<lb/><hi rendition="#et">ten</hi></l> <fw place="bottom" type="catch">Durch</fw><lb/> </lg> </lg> </body> </text> </TEI> [40/0044]
Der Meſſias.
Kommt nur, des Himmels zukuͤnftige Buͤrger, ein helle-
res Anſchaun,
Selbſt die Umarmung des goͤttlichen Mittlers erwartet
euch liebreich.
Auch die Seelen, die dem kaum gebornen Koͤrper ent-
flohen,
Sammelten ſich um den Seraph herum. Sie flohen mit
Weinen,
Mit dem zaͤrtlichen Weinen der Kindheit. Jhr ſchuͤch-
ternes Auge
Hatte die Oberflaͤche der Erde kaum ſtaunend erblicket;
Darum durften ſie ſich auf den groͤſſern Schauplatz der
Welten
Noch ungebildet ſo bald hervorzutreten nicht wagen.
Jhre Beſchuͤtzer begleiten ſie zu ſich, und lehren ſie rei-
zend,
Unter dem Klange belebender Harfen, in lieblichen Lie-
dern:
Wie und woher ſie entſtanden; wie groß die menſchliche
Seele
Von dem vollkommenſten Geiſte gemacht ſey; wie ju-
gendlich heiter
Sonnen und Monde nach ihrer Geburt zum Schoͤpfer
gekommen.
Euch erwarten vollendete Vaͤter; ein herrliches An-
ſchaun
Eures Erbarmers erwartet euch dort am ewigen Throne.
Alſo lehren ſie dieſe der Weisheit wuͤrdige Schuͤler,
Jener erhabenen Weisheit, nach deren fluͤchtigen Schat-
ten Durch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/44 |
Zitationshilfe: | Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/44>, abgerufen am 16.02.2025. |