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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.

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Dritter Gesang.

Wenn die Seele mit Lichte bekleidet dem Körper entflie-
het.

Doch blieb dieses zwar leise Gefühl der traurigen Stim-
men

Mächtig genung, die erste Gestalt der Seele zu bilden.
Sie hab ich sanft im Schosse leichtfliessender Morgen-
wolken

Bis zur sterblichen Hütte gebracht. Die Mutter gebahr ihn,
Unter den Palmen. Da kam ich vom Wipfel der rauschen-
den Palmen

Unsichtbar her, und kühlte den Knaben mit lieblichen
Lüften.

Aber er weinte schon dazumal mehr, als die Sterblichen
weinen,

Wenn sie mit dunkler Empfindung den Tod von ferne
schon fühlen.

Also bracht er bey jeglicher Thräne, die Freunde ver-
gossen,

Zärtlich gerührt, beym leichtesten Schmerz der Menschen
empfindlich,

Seine wehmüthige Jugendzeit hin. So ist er bey JEsu
Jmmer gewesen. Wie sehr bin ich deinentwegen beküm-
mert!

Wenn der Erlöser erst stirbt, da wirst du, heiliger Jüng-
ling,

Unter der Last des Elends vergehn. Ach stärk ihn, Er-
löser,

Stärk ihn alsdann, erbarmender Heiland, damit er
nicht sterbe.

Siehe! dort kömmt er selbst, tiefsinnig mit wankenden
Schritten,

Zu
H

Dritter Geſang.

Wenn die Seele mit Lichte bekleidet dem Koͤrper entflie-
het.

Doch blieb dieſes zwar leiſe Gefuͤhl der traurigen Stim-
men

Maͤchtig genung, die erſte Geſtalt der Seele zu bilden.
Sie hab ich ſanft im Schoſſe leichtflieſſender Morgen-
wolken

Bis zur ſterblichen Huͤtte gebracht. Die Mutter gebahr ihn,
Unter den Palmen. Da kam ich vom Wipfel der rauſchen-
den Palmen

Unſichtbar her, und kuͤhlte den Knaben mit lieblichen
Luͤften.

Aber er weinte ſchon dazumal mehr, als die Sterblichen
weinen,

Wenn ſie mit dunkler Empfindung den Tod von ferne
ſchon fuͤhlen.

Alſo bracht er bey jeglicher Thraͤne, die Freunde ver-
goſſen,

Zaͤrtlich geruͤhrt, beym leichteſten Schmerz der Menſchen
empfindlich,

Seine wehmuͤthige Jugendzeit hin. So iſt er bey JEſu
Jmmer geweſen. Wie ſehr bin ich deinentwegen bekuͤm-
mert!

Wenn der Erloͤſer erſt ſtirbt, da wirſt du, heiliger Juͤng-
ling,

Unter der Laſt des Elends vergehn. Ach ſtaͤrk ihn, Er-
loͤſer,

Staͤrk ihn alsdann, erbarmender Heiland, damit er
nicht ſterbe.

Siehe! dort koͤmmt er ſelbſt, tiefſinnig mit wankenden
Schritten,

Zu
H
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[113/0117] Dritter Geſang. Wenn die Seele mit Lichte bekleidet dem Koͤrper entflie- het. Doch blieb dieſes zwar leiſe Gefuͤhl der traurigen Stim- men Maͤchtig genung, die erſte Geſtalt der Seele zu bilden. Sie hab ich ſanft im Schoſſe leichtflieſſender Morgen- wolken Bis zur ſterblichen Huͤtte gebracht. Die Mutter gebahr ihn, Unter den Palmen. Da kam ich vom Wipfel der rauſchen- den Palmen Unſichtbar her, und kuͤhlte den Knaben mit lieblichen Luͤften. Aber er weinte ſchon dazumal mehr, als die Sterblichen weinen, Wenn ſie mit dunkler Empfindung den Tod von ferne ſchon fuͤhlen. Alſo bracht er bey jeglicher Thraͤne, die Freunde ver- goſſen, Zaͤrtlich geruͤhrt, beym leichteſten Schmerz der Menſchen empfindlich, Seine wehmuͤthige Jugendzeit hin. So iſt er bey JEſu Jmmer geweſen. Wie ſehr bin ich deinentwegen bekuͤm- mert! Wenn der Erloͤſer erſt ſtirbt, da wirſt du, heiliger Juͤng- ling, Unter der Laſt des Elends vergehn. Ach ſtaͤrk ihn, Er- loͤſer, Staͤrk ihn alsdann, erbarmender Heiland, damit er nicht ſterbe. Siehe! dort koͤmmt er ſelbſt, tiefſinnig mit wankenden Schritten, Zu H

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Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/117>, abgerufen am 23.11.2024.