[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.Siebzehnter Gesang. Mit mir Armen! ich flehe dich nicht um himmlischen Lohn an;Aber um Mitleid fleh ich dich an, so erbarme dich meiner, Bote Gottes, erhabener Jüngling! mein Freund, du sagtest Mir ja selber, du wärest mein Freund! kaum wag' ich, es endlich Auszusprechen, warum ich dich fleh, ... so erscheine mir, Bote Dessen, der auferstand! und der mich Armen zum Jünger Auserkohr, und dem ich nicht folgte ... Jedidoth vermochte Länger sich nicht zu halten, und fiel um den Hals ihm, und weinte Lange mit ihm, bis endlich Bethoron mitten in Strahlen Niedersank, und Himmel und Erd' um den Glücklichen schwanden. Unterdeß stand der Versöhner auf Tabors Höhen, und sahe, Welche Seligkeit denen ward, die bey Lazarus weilten. Bersebon, einer der Zehne, die Jesus vom Aussatz heilte, Aber der dankbar allein | zurückkam, hörte jezt, näher Jener umlagerten Palme, die Stimme der Gidith, und Harfe, Und der vereinten Asoor. Mit trunknem Ohre, mit süßer Ueberwallung der Freude, vernahm er der innigen Töne Gang und Verhalt; und schnelle, geflügelte Bilder umschwebten Jhm die Seele: bald aber erblickt' er, sehendes Auges, Bey der Palme, doch sie, wie in helle Nebel gehüllet, Leuchtende Menschengestalten, und immer, da er sie sahe, Wurde das Harfengetön ihm lieblicher, himmlischer immer. Schrecken der Freude befiel ihn, als eine der edlen Gestalten Jhm sich nähert', und ihm die Hand ergriff, und ihn führte Jn das helle Gewölk. Da er in dem Gewölk ist, eröfnet Jhm sich weitres Gefild, und Licht, wie er niemals noch sahe, Schwebt auf dem frohen Gefild. Ein Unsterblicher redet', und sagte: Brich
Siebzehnter Geſang. Mit mir Armen! ich flehe dich nicht um himmliſchen Lohn an;Aber um Mitleid fleh ich dich an, ſo erbarme dich meiner, Bote Gottes, erhabener Juͤngling! mein Freund, du ſagteſt Mir ja ſelber, du waͤreſt mein Freund! kaum wag’ ich, es endlich Auszuſprechen, warum ich dich fleh, … ſo erſcheine mir, Bote Deſſen, der auferſtand! und der mich Armen zum Juͤnger Auserkohr, und dem ich nicht folgte … Jedidoth vermochte Laͤnger ſich nicht zu halten, und fiel um den Hals ihm, und weinte Lange mit ihm, bis endlich Bethoron mitten in Strahlen Niederſank, und Himmel und Erd’ um den Gluͤcklichen ſchwanden. Unterdeß ſtand der Verſoͤhner auf Tabors Hoͤhen, und ſahe, Welche Seligkeit denen ward, die bey Lazarus weilten. Berſebon, einer der Zehne, die Jeſus vom Auſſatz heilte, Aber der dankbar allein | zuruͤckkam, hoͤrte jezt, naͤher Jener umlagerten Palme, die Stimme der Gidith, und Harfe, Und der vereinten Aſoor. Mit trunknem Ohre, mit ſuͤßer Ueberwallung der Freude, vernahm er der innigen Toͤne Gang und Verhalt; und ſchnelle, gefluͤgelte Bilder umſchwebten Jhm die Seele: bald aber erblickt’ er, ſehendes Auges, Bey der Palme, doch ſie, wie in helle Nebel gehuͤllet, Leuchtende Menſchengeſtalten, und immer, da er ſie ſahe, Wurde das Harfengetoͤn ihm lieblicher, himmliſcher immer. Schrecken der Freude befiel ihn, als eine der edlen Geſtalten Jhm ſich naͤhert’, und ihm die Hand ergriff, und ihn fuͤhrte Jn das helle Gewoͤlk. Da er in dem Gewoͤlk iſt, eroͤfnet Jhm ſich weitres Gefild, und Licht, wie er niemals noch ſahe, Schwebt auf dem frohen Gefild. Ein Unſterblicher redet’, und ſagte: Brich
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="65"> <pb facs="#f0079" n="79"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Siebzehnter Geſang.</hi> </fw><lb/> <l>Mit mir Armen! ich flehe dich nicht um himmliſchen Lohn an;</l><lb/> <l>Aber um Mitleid fleh ich dich an, ſo erbarme dich meiner,</l><lb/> <l>Bote Gottes, erhabener Juͤngling! mein Freund, du ſagteſt</l><lb/> <l>Mir ja ſelber, du waͤreſt mein Freund! kaum wag’ ich, es endlich</l><lb/> <l>Auszuſprechen, warum ich dich fleh, … ſo erſcheine mir, Bote</l><lb/> <l>Deſſen, der auferſtand! und der mich Armen zum Juͤnger</l><lb/> <l>Auserkohr, und dem ich nicht folgte … Jedidoth vermochte</l><lb/> <l>Laͤnger ſich nicht zu halten, und fiel um den Hals ihm, und weinte</l><lb/> <l>Lange mit ihm, bis endlich Bethoron mitten in Strahlen</l><lb/> <l>Niederſank, und Himmel und Erd’ um den Gluͤcklichen ſchwanden.</l> </lg><lb/> <lg n="66"> <l>Unterdeß ſtand der Verſoͤhner auf Tabors Hoͤhen, und ſahe,</l><lb/> <l>Welche Seligkeit denen ward, die bey Lazarus weilten.</l> </lg><lb/> <lg n="67"> <l>Berſebon, einer der Zehne, die Jeſus vom Auſſatz heilte,</l><lb/> <l>Aber der dankbar allein | zuruͤckkam, hoͤrte jezt, naͤher</l><lb/> <l>Jener umlagerten Palme, die Stimme der Gidith, und Harfe,</l><lb/> <l>Und der vereinten Aſoor. Mit trunknem Ohre, mit ſuͤßer</l><lb/> <l>Ueberwallung der Freude, vernahm er der innigen Toͤne</l><lb/> <l>Gang und Verhalt; und ſchnelle, gefluͤgelte Bilder umſchwebten</l><lb/> <l>Jhm die Seele: bald aber erblickt’ er, ſehendes Auges,</l><lb/> <l>Bey der Palme, doch ſie, wie in helle Nebel gehuͤllet,</l><lb/> <l>Leuchtende Menſchengeſtalten, und immer, da er ſie ſahe,</l><lb/> <l>Wurde das Harfengetoͤn ihm lieblicher, himmliſcher immer.</l><lb/> <l>Schrecken der Freude befiel ihn, als eine der edlen Geſtalten</l><lb/> <l>Jhm ſich naͤhert’, und ihm die Hand ergriff, und ihn fuͤhrte</l><lb/> <l>Jn das helle Gewoͤlk. Da er in dem Gewoͤlk iſt, eroͤfnet</l><lb/> <l>Jhm ſich weitres Gefild, und Licht, wie er niemals noch ſahe,</l><lb/> <l>Schwebt auf dem frohen Gefild. Ein Unſterblicher redet’, und ſagte:</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Brich</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0079]
Siebzehnter Geſang.
Mit mir Armen! ich flehe dich nicht um himmliſchen Lohn an;
Aber um Mitleid fleh ich dich an, ſo erbarme dich meiner,
Bote Gottes, erhabener Juͤngling! mein Freund, du ſagteſt
Mir ja ſelber, du waͤreſt mein Freund! kaum wag’ ich, es endlich
Auszuſprechen, warum ich dich fleh, … ſo erſcheine mir, Bote
Deſſen, der auferſtand! und der mich Armen zum Juͤnger
Auserkohr, und dem ich nicht folgte … Jedidoth vermochte
Laͤnger ſich nicht zu halten, und fiel um den Hals ihm, und weinte
Lange mit ihm, bis endlich Bethoron mitten in Strahlen
Niederſank, und Himmel und Erd’ um den Gluͤcklichen ſchwanden.
Unterdeß ſtand der Verſoͤhner auf Tabors Hoͤhen, und ſahe,
Welche Seligkeit denen ward, die bey Lazarus weilten.
Berſebon, einer der Zehne, die Jeſus vom Auſſatz heilte,
Aber der dankbar allein | zuruͤckkam, hoͤrte jezt, naͤher
Jener umlagerten Palme, die Stimme der Gidith, und Harfe,
Und der vereinten Aſoor. Mit trunknem Ohre, mit ſuͤßer
Ueberwallung der Freude, vernahm er der innigen Toͤne
Gang und Verhalt; und ſchnelle, gefluͤgelte Bilder umſchwebten
Jhm die Seele: bald aber erblickt’ er, ſehendes Auges,
Bey der Palme, doch ſie, wie in helle Nebel gehuͤllet,
Leuchtende Menſchengeſtalten, und immer, da er ſie ſahe,
Wurde das Harfengetoͤn ihm lieblicher, himmliſcher immer.
Schrecken der Freude befiel ihn, als eine der edlen Geſtalten
Jhm ſich naͤhert’, und ihm die Hand ergriff, und ihn fuͤhrte
Jn das helle Gewoͤlk. Da er in dem Gewoͤlk iſt, eroͤfnet
Jhm ſich weitres Gefild, und Licht, wie er niemals noch ſahe,
Schwebt auf dem frohen Gefild. Ein Unſterblicher redet’, und ſagte:
Brich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |