Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebzehnter Gesang.
Schwelgen? das? da mir ganz andre Gedanken des Menschen
Schiksal in dieser und jener Welt ganz anders erklären!
O gehabet euch allzumal wohl, ihr Triumph', und Erobrer!
Und ihr Götter! Jch weihe mich dem, deß Wahrheit mich lehret,
Hohe, himlische Wahrheit, die Schiksal der Menschen dem Menschen
Aufschleußt, Künftiges uns, und Entwiklung im Künftigen, zeiget.
Gott der Götter, sey du mit mir, und leite mich ferner.

Wunderbar wurd' er erhört. Und sah Elihu's Erscheinung
Vor sich stehen, und hörte von Gottes Heile sie reden.
Und Erstaunen befiel den frommen Cneus, daß Gott sich
Seiner sogar mit dieser so großen Erbarmung erbarmte.
Lange, sie war schon verschwunden, schon wieder hinüber gegangen
Jn der Geister Welt die Erscheinung, doch blikt' er noch lange
Nach der Stäte, wo sie vor ihm stand, und hörte noch immer,
Was die Erscheinung sprach, noch immer Worte des Lebens.
Jnnig gerühret, gerühret in seiner ganzen Seele
War Bethoron. Er hatt' erfahren, ihn liebte der Mitler
Dennoch, obwohl er vordem sich weigerte, Jünger zu werden;
Jünger dessen, der nun war auferstanden, Erstandne
Sendete seinen Geliebten, die sie mit Freuden des Himmels
Ueberschütteten! .. Jch noch jezo geliebt? Das könnt' ich
Das, das wähnen? So blutet sein Herz. Jn der einsamen Laube
Sahe den trostbedürftigen Lazarus, konnt' ihn nicht trösten.
Und Bethoron verließ die Laube, und ging, in des Gartens
Gängen, mit Pilgern umher, in des Wäldchens Gängen, mit diesen
Unbekannten, die Sterbliche seyn, Unsterbliche konnten
Seyn, und erschienen, erscheinen wollen, den übrigen Allen;
Aber

Siebzehnter Geſang.
Schwelgen? das? da mir ganz andre Gedanken des Menſchen
Schikſal in dieſer und jener Welt ganz anders erklaͤren!
O gehabet euch allzumal wohl, ihr Triumph’, und Erobrer!
Und ihr Goͤtter! Jch weihe mich dem, deß Wahrheit mich lehret,
Hohe, himliſche Wahrheit, die Schikſal der Menſchen dem Menſchen
Aufſchleußt, Kuͤnftiges uns, und Entwiklung im Kuͤnftigen, zeiget.
Gott der Goͤtter, ſey du mit mir, und leite mich ferner.

Wunderbar wurd’ er erhoͤrt. Und ſah Elihu’s Erſcheinung
Vor ſich ſtehen, und hoͤrte von Gottes Heile ſie reden.
Und Erſtaunen befiel den frommen Cneus, daß Gott ſich
Seiner ſogar mit dieſer ſo großen Erbarmung erbarmte.
Lange, ſie war ſchon verſchwunden, ſchon wieder hinuͤber gegangen
Jn der Geiſter Welt die Erſcheinung, doch blikt’ er noch lange
Nach der Staͤte, wo ſie vor ihm ſtand, und hoͤrte noch immer,
Was die Erſcheinung ſprach, noch immer Worte des Lebens.
Jnnig geruͤhret, geruͤhret in ſeiner ganzen Seele
War Bethoron. Er hatt’ erfahren, ihn liebte der Mitler
Dennoch, obwohl er vordem ſich weigerte, Juͤnger zu werden;
Juͤnger deſſen, der nun war auferſtanden, Erſtandne
Sendete ſeinen Geliebten, die ſie mit Freuden des Himmels
Ueberſchuͤtteten! .. Jch noch jezo geliebt? Das koͤnnt’ ich
Das, das waͤhnen? So blutet ſein Herz. Jn der einſamen Laube
Sahe den troſtbeduͤrftigen Lazarus, konnt’ ihn nicht troͤſten.
Und Bethoron verließ die Laube, und ging, in des Gartens
Gaͤngen, mit Pilgern umher, in des Waͤldchens Gaͤngen, mit dieſen
Unbekannten, die Sterbliche ſeyn, Unſterbliche konnten
Seyn, und erſchienen, erſcheinen wollen, den uͤbrigen Allen;
Aber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="63">
              <pb facs="#f0077" n="77"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Siebzehnter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
              <l>Schwelgen? das? da mir ganz andre Gedanken des Men&#x017F;chen</l><lb/>
              <l>Schik&#x017F;al in die&#x017F;er und jener Welt ganz anders erkla&#x0364;ren!</l><lb/>
              <l>O gehabet euch allzumal wohl, ihr Triumph&#x2019;, und Erobrer!</l><lb/>
              <l>Und ihr Go&#x0364;tter! Jch weihe mich dem, deß Wahrheit mich lehret,</l><lb/>
              <l>Hohe, himli&#x017F;che Wahrheit, die Schik&#x017F;al der Men&#x017F;chen dem Men&#x017F;chen</l><lb/>
              <l>Auf&#x017F;chleußt, Ku&#x0364;nftiges uns, und Entwiklung im Ku&#x0364;nftigen, zeiget.</l><lb/>
              <l>Gott der Go&#x0364;tter, &#x017F;ey du mit mir, und leite mich ferner.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="64">
              <l>Wunderbar wurd&#x2019; er erho&#x0364;rt. Und &#x017F;ah Elihu&#x2019;s Er&#x017F;cheinung</l><lb/>
              <l>Vor &#x017F;ich &#x017F;tehen, und ho&#x0364;rte von Gottes Heile &#x017F;ie reden.</l><lb/>
              <l>Und Er&#x017F;taunen befiel den frommen Cneus, daß Gott &#x017F;ich</l><lb/>
              <l>Seiner &#x017F;ogar mit die&#x017F;er &#x017F;o großen Erbarmung erbarmte.</l><lb/>
              <l>Lange, &#x017F;ie war &#x017F;chon ver&#x017F;chwunden, &#x017F;chon wieder hinu&#x0364;ber gegangen</l><lb/>
              <l>Jn der Gei&#x017F;ter Welt die Er&#x017F;cheinung, doch blikt&#x2019; er noch lange</l><lb/>
              <l>Nach der Sta&#x0364;te, wo &#x017F;ie vor ihm &#x017F;tand, und ho&#x0364;rte noch immer,</l><lb/>
              <l>Was die Er&#x017F;cheinung &#x017F;prach, noch immer Worte des Lebens.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="65">
              <l>Jnnig geru&#x0364;hret, geru&#x0364;hret in &#x017F;einer ganzen Seele</l><lb/>
              <l>War Bethoron. Er hatt&#x2019; erfahren, ihn liebte der Mitler</l><lb/>
              <l>Dennoch, obwohl er vordem &#x017F;ich weigerte, Ju&#x0364;nger zu werden;</l><lb/>
              <l>Ju&#x0364;nger de&#x017F;&#x017F;en, der nun war aufer&#x017F;tanden, Er&#x017F;tandne</l><lb/>
              <l>Sendete &#x017F;einen Geliebten, die &#x017F;ie mit Freuden des Himmels</l><lb/>
              <l>Ueber&#x017F;chu&#x0364;tteten! .. Jch noch jezo geliebt? Das ko&#x0364;nnt&#x2019; ich</l><lb/>
              <l>Das, das wa&#x0364;hnen? So blutet &#x017F;ein Herz. Jn der ein&#x017F;amen Laube</l><lb/>
              <l>Sahe den tro&#x017F;tbedu&#x0364;rftigen Lazarus, konnt&#x2019; ihn nicht tro&#x0364;&#x017F;ten.</l><lb/>
              <l>Und Bethoron verließ die Laube, und ging, in des Gartens</l><lb/>
              <l>Ga&#x0364;ngen, mit Pilgern umher, in des Wa&#x0364;ldchens Ga&#x0364;ngen, mit die&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Unbekannten, die Sterbliche &#x017F;eyn, Un&#x017F;terbliche konnten</l><lb/>
              <l>Seyn, und er&#x017F;chienen, er&#x017F;cheinen wollen, den u&#x0364;brigen Allen;</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Aber</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0077] Siebzehnter Geſang. Schwelgen? das? da mir ganz andre Gedanken des Menſchen Schikſal in dieſer und jener Welt ganz anders erklaͤren! O gehabet euch allzumal wohl, ihr Triumph’, und Erobrer! Und ihr Goͤtter! Jch weihe mich dem, deß Wahrheit mich lehret, Hohe, himliſche Wahrheit, die Schikſal der Menſchen dem Menſchen Aufſchleußt, Kuͤnftiges uns, und Entwiklung im Kuͤnftigen, zeiget. Gott der Goͤtter, ſey du mit mir, und leite mich ferner. Wunderbar wurd’ er erhoͤrt. Und ſah Elihu’s Erſcheinung Vor ſich ſtehen, und hoͤrte von Gottes Heile ſie reden. Und Erſtaunen befiel den frommen Cneus, daß Gott ſich Seiner ſogar mit dieſer ſo großen Erbarmung erbarmte. Lange, ſie war ſchon verſchwunden, ſchon wieder hinuͤber gegangen Jn der Geiſter Welt die Erſcheinung, doch blikt’ er noch lange Nach der Staͤte, wo ſie vor ihm ſtand, und hoͤrte noch immer, Was die Erſcheinung ſprach, noch immer Worte des Lebens. Jnnig geruͤhret, geruͤhret in ſeiner ganzen Seele War Bethoron. Er hatt’ erfahren, ihn liebte der Mitler Dennoch, obwohl er vordem ſich weigerte, Juͤnger zu werden; Juͤnger deſſen, der nun war auferſtanden, Erſtandne Sendete ſeinen Geliebten, die ſie mit Freuden des Himmels Ueberſchuͤtteten! .. Jch noch jezo geliebt? Das koͤnnt’ ich Das, das waͤhnen? So blutet ſein Herz. Jn der einſamen Laube Sahe den troſtbeduͤrftigen Lazarus, konnt’ ihn nicht troͤſten. Und Bethoron verließ die Laube, und ging, in des Gartens Gaͤngen, mit Pilgern umher, in des Waͤldchens Gaͤngen, mit dieſen Unbekannten, die Sterbliche ſeyn, Unſterbliche konnten Seyn, und erſchienen, erſcheinen wollen, den uͤbrigen Allen; Aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/77
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/77>, abgerufen am 25.11.2024.