[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.Der Messias. Glücklicher, der es nicht weiß, wie sehr er es ist, und wie sehr sichDas ihm nahet, was ihm schon in dem Leben am Grabe Ueber das Grab wird erhöhn, des Todes furchtbaren Abruf Jhm in Himmelsgesang, das Bild der nahen Verwesung Jhm wird wandeln in trunknes Gefühl, in Ahndung verklärter Zukunft voll, es entkeime dereinst dem gesunknen Gebeine Auferstehung!.. Mir ist, mein Bruder, durch den, der alle Schuf, und alle versöhnte, schon Auferstehung geworden! Ach er riefs, mit dem Tone der innigsten Wonne, dem Freunde, Stammelt's ihm zu, und strahlte die Morgenröthe des Urlichts Auf den erstaunenden, säumt', und säumte, sein leuchtendes Antlitz Wegzuwenden; blieb lange vor ihm in der Schönheit der Engel Stehen, that dem bebenden, that dem verstummenden froher, Eilender Fragen viel; wich seitwärts wie Dämm'rung, da dieser Hinzusinken begann in die Blumen um ihn; doch enthüllt' er Wieder sein Licht, und kam zu dem Hingesunkenen wieder. Endlich sahe den unverschwundnen, vom Schrecken der Freude Uebernachtet, sein Freund nicht mehr. Sie fanden mit bleicher Wang' ihn liegen, und huben ihn auf, und reichten ihm Labsal. Finster und scharf war Sebida's Blick. Er saß auf dem Moosstein, Und ihm glühte von Denken die Stirn: Jch, der der Gewißheit Lang' in Dingen des künftigen Schicksals entsagt hat, dem Zweifel, Wie er das Herz auch belaste, sich lange schon unterworfen, Jch soll glauben, der Pilger etliche, die ich vor kurzem Hier noch sahe, Sterbliche sahe, die seyn Erstandne? Die erscheinen? und soll nicht glauben, der sehenden Seele Werd', indem sie Gedanken von Auferstehung entflammen, Durch
Der Meſſias. Gluͤcklicher, der es nicht weiß, wie ſehr er es iſt, und wie ſehr ſichDas ihm nahet, was ihm ſchon in dem Leben am Grabe Ueber das Grab wird erhoͤhn, des Todes furchtbaren Abruf Jhm in Himmelsgeſang, das Bild der nahen Verweſung Jhm wird wandeln in trunknes Gefuͤhl, in Ahndung verklaͤrter Zukunft voll, es entkeime dereinſt dem geſunknen Gebeine Auferſtehung!.. Mir iſt, mein Bruder, durch den, der alle Schuf, und alle verſoͤhnte, ſchon Auferſtehung geworden! Ach er riefs, mit dem Tone der innigſten Wonne, dem Freunde, Stammelt’s ihm zu, und ſtrahlte die Morgenroͤthe des Urlichts Auf den erſtaunenden, ſaͤumt’, und ſaͤumte, ſein leuchtendes Antlitz Wegzuwenden; blieb lange vor ihm in der Schoͤnheit der Engel Stehen, that dem bebenden, that dem verſtummenden froher, Eilender Fragen viel; wich ſeitwaͤrts wie Daͤmm’rung, da dieſer Hinzuſinken begann in die Blumen um ihn; doch enthuͤllt’ er Wieder ſein Licht, und kam zu dem Hingeſunkenen wieder. Endlich ſahe den unverſchwundnen, vom Schrecken der Freude Uebernachtet, ſein Freund nicht mehr. Sie fanden mit bleicher Wang’ ihn liegen, und huben ihn auf, und reichten ihm Labſal. Finſter und ſcharf war Sebida’s Blick. Er ſaß auf dem Moosſtein, Und ihm gluͤhte von Denken die Stirn: Jch, der der Gewißheit Lang’ in Dingen des kuͤnftigen Schickſals entſagt hat, dem Zweifel, Wie er das Herz auch belaſte, ſich lange ſchon unterworfen, Jch ſoll glauben, der Pilger etliche, die ich vor kurzem Hier noch ſahe, Sterbliche ſahe, die ſeyn Erſtandne? Die erſcheinen? und ſoll nicht glauben, der ſehenden Seele Werd’, indem ſie Gedanken von Auferſtehung entflammen, Durch
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Der Meſſias.
Gluͤcklicher, der es nicht weiß, wie ſehr er es iſt, und wie ſehr ſich
Das ihm nahet, was ihm ſchon in dem Leben am Grabe
Ueber das Grab wird erhoͤhn, des Todes furchtbaren Abruf
Jhm in Himmelsgeſang, das Bild der nahen Verweſung
Jhm wird wandeln in trunknes Gefuͤhl, in Ahndung verklaͤrter
Zukunft voll, es entkeime dereinſt dem geſunknen Gebeine
Auferſtehung!.. Mir iſt, mein Bruder, durch den, der alle
Schuf, und alle verſoͤhnte, ſchon Auferſtehung geworden!
Ach er riefs, mit dem Tone der innigſten Wonne, dem Freunde,
Stammelt’s ihm zu, und ſtrahlte die Morgenroͤthe des Urlichts
Auf den erſtaunenden, ſaͤumt’, und ſaͤumte, ſein leuchtendes Antlitz
Wegzuwenden; blieb lange vor ihm in der Schoͤnheit der Engel
Stehen, that dem bebenden, that dem verſtummenden froher,
Eilender Fragen viel; wich ſeitwaͤrts wie Daͤmm’rung, da dieſer
Hinzuſinken begann in die Blumen um ihn; doch enthuͤllt’ er
Wieder ſein Licht, und kam zu dem Hingeſunkenen wieder.
Endlich ſahe den unverſchwundnen, vom Schrecken der Freude
Uebernachtet, ſein Freund nicht mehr. Sie fanden mit bleicher
Wang’ ihn liegen, und huben ihn auf, und reichten ihm Labſal.
Finſter und ſcharf war Sebida’s Blick. Er ſaß auf dem Moosſtein,
Und ihm gluͤhte von Denken die Stirn: Jch, der der Gewißheit
Lang’ in Dingen des kuͤnftigen Schickſals entſagt hat, dem Zweifel,
Wie er das Herz auch belaſte, ſich lange ſchon unterworfen,
Jch ſoll glauben, der Pilger etliche, die ich vor kurzem
Hier noch ſahe, Sterbliche ſahe, die ſeyn Erſtandne?
Die erſcheinen? und ſoll nicht glauben, der ſehenden Seele
Werd’, indem ſie Gedanken von Auferſtehung entflammen,
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