Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebzehnter Gesang.
Die, in der Trübsal Stunde, sogar auf Fromme sich stürzet,
Drückte sie nieder; sie waren beynah schon über dem Grabe,
Neideswerth, wenn ein Christ dem Bruder es könnte beneiden,
Daß von dem Allbarmherzigen ihm der Begnadigung mehr ward.

Silberfarben wallte der Mond, der Stern, sein Gefährt, stand,
Funkelt' am weißlichen Himmel. Die frohe Versammlung zerstreute
Sich aus den Lauben umher, und genoß des kühlenden Abends.
Von Gespräch zu Gespräch kam Dimnot, ein Pilger aus Samos,
Endlich dahin, daß er sagte zu dem, mit dem er, der neuen
Freundschaft erstes Gefühl, die Lust der edleren, theilte:
Ach du meynst noch, der Tod vernichte! Muß denn das Saatkorn
Nicht aufschwellen, bevor es zum lebenden Keime sich hebet?
Muß die Wolke zur Nacht nicht werden, eh sie in den schnellen,
Zückenden Blitz, in den Rufer Gottes, den Donner, sich wandelt?
Soll die hohe Seele den stets im sterblichen Leibe
Wohnen, des Daseyns erste Bahn auf immer betreten?
Dieß nur sagt' er, und handelte schnell. Mit Strahlen umgeben,
Stand er vor seinem Freund auf Einmal da, und erweckt' ihn,
Mächtig erschütternd, vom ängstlichen Traum der geglaubten Vernichtung.
Von Gespräch zu Gespräch kam Kerdith, ein Pilger vom Nilus,
Endlich dahin, daß er sagte, zu dem, mit dem er, der neuen
Freundschaft erstes Gefühl, die Lust der edleren, theilte:
Glücklicher! der es nicht weiß, wie sehr er es ist, dich ergreift noch
Stets der Gedanken, es sey auf dieser Erde des Elends
Mehr, wie der Freude! Bald wird sich der Schmerz des trüben
Gedankens
Lindern, vielmehr als lindern, wird dich auf immer verlassen,
Glück-
E 3

Siebzehnter Geſang.
Die, in der Truͤbſal Stunde, ſogar auf Fromme ſich ſtuͤrzet,
Druͤckte ſie nieder; ſie waren beynah ſchon uͤber dem Grabe,
Neideswerth, wenn ein Chriſt dem Bruder es koͤnnte beneiden,
Daß von dem Allbarmherzigen ihm der Begnadigung mehr ward.

Silberfarben wallte der Mond, der Stern, ſein Gefaͤhrt, ſtand,
Funkelt’ am weißlichen Himmel. Die frohe Verſammlung zerſtreute
Sich aus den Lauben umher, und genoß des kuͤhlenden Abends.
Von Geſpraͤch zu Geſpraͤch kam Dimnot, ein Pilger aus Samos,
Endlich dahin, daß er ſagte zu dem, mit dem er, der neuen
Freundſchaft erſtes Gefuͤhl, die Luſt der edleren, theilte:
Ach du meynſt noch, der Tod vernichte! Muß denn das Saatkorn
Nicht aufſchwellen, bevor es zum lebenden Keime ſich hebet?
Muß die Wolke zur Nacht nicht werden, eh ſie in den ſchnellen,
Zuͤckenden Blitz, in den Rufer Gottes, den Donner, ſich wandelt?
Soll die hohe Seele den ſtets im ſterblichen Leibe
Wohnen, des Daſeyns erſte Bahn auf immer betreten?
Dieß nur ſagt’ er, und handelte ſchnell. Mit Strahlen umgeben,
Stand er vor ſeinem Freund auf Einmal da, und erweckt’ ihn,
Maͤchtig erſchuͤtternd, vom aͤngſtlichen Traum der geglaubten Vernichtung.
Von Geſpraͤch zu Geſpraͤch kam Kerdith, ein Pilger vom Nilus,
Endlich dahin, daß er ſagte, zu dem, mit dem er, der neuen
Freundſchaft erſtes Gefuͤhl, die Luſt der edleren, theilte:
Gluͤcklicher! der es nicht weiß, wie ſehr er es iſt, dich ergreift noch
Stets der Gedanken, es ſey auf dieſer Erde des Elends
Mehr, wie der Freude! Bald wird ſich der Schmerz des truͤben
Gedankens
Lindern, vielmehr als lindern, wird dich auf immer verlaſſen,
Gluͤck-
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="40">
              <pb facs="#f0069" n="69"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Siebzehnter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
              <l>Die, in der Tru&#x0364;b&#x017F;al Stunde, &#x017F;ogar auf Fromme &#x017F;ich &#x017F;tu&#x0364;rzet,</l><lb/>
              <l>Dru&#x0364;ckte &#x017F;ie nieder; &#x017F;ie waren beynah &#x017F;chon u&#x0364;ber dem Grabe,</l><lb/>
              <l>Neideswerth, wenn ein Chri&#x017F;t dem Bruder es ko&#x0364;nnte beneiden,</l><lb/>
              <l>Daß von dem Allbarmherzigen ihm der Begnadigung mehr ward.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="41">
              <l>Silberfarben wallte der Mond, der Stern, &#x017F;ein Gefa&#x0364;hrt, &#x017F;tand,</l><lb/>
              <l>Funkelt&#x2019; am weißlichen Himmel. Die frohe Ver&#x017F;ammlung zer&#x017F;treute</l><lb/>
              <l>Sich aus den Lauben umher, und genoß des ku&#x0364;hlenden Abends.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="42">
              <l>Von Ge&#x017F;pra&#x0364;ch zu Ge&#x017F;pra&#x0364;ch kam Dimnot, ein Pilger aus Samos,</l><lb/>
              <l>Endlich dahin, daß er &#x017F;agte zu dem, mit dem er, der neuen</l><lb/>
              <l>Freund&#x017F;chaft er&#x017F;tes Gefu&#x0364;hl, die Lu&#x017F;t der edleren, theilte:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="43">
              <l>Ach du meyn&#x017F;t noch, der Tod vernichte! Muß denn das Saatkorn</l><lb/>
              <l>Nicht auf&#x017F;chwellen, bevor es zum lebenden Keime &#x017F;ich hebet?</l><lb/>
              <l>Muß die Wolke zur Nacht nicht werden, eh &#x017F;ie in den &#x017F;chnellen,</l><lb/>
              <l>Zu&#x0364;ckenden Blitz, in den Rufer Gottes, den Donner, &#x017F;ich wandelt?</l><lb/>
              <l>Soll die hohe Seele den &#x017F;tets im &#x017F;terblichen Leibe</l><lb/>
              <l>Wohnen, des Da&#x017F;eyns er&#x017F;te Bahn auf immer betreten?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="44">
              <l>Dieß nur &#x017F;agt&#x2019; er, und handelte &#x017F;chnell. Mit Strahlen umgeben,</l><lb/>
              <l>Stand er vor &#x017F;einem Freund auf Einmal da, und erweckt&#x2019; ihn,</l><lb/>
              <l>Ma&#x0364;chtig er&#x017F;chu&#x0364;tternd, vom a&#x0364;ng&#x017F;tlichen Traum der geglaubten Vernichtung.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="45">
              <l>Von Ge&#x017F;pra&#x0364;ch zu Ge&#x017F;pra&#x0364;ch kam Kerdith, ein Pilger vom Nilus,</l><lb/>
              <l>Endlich dahin, daß er &#x017F;agte, zu dem, mit dem er, der neuen</l><lb/>
              <l>Freund&#x017F;chaft er&#x017F;tes Gefu&#x0364;hl, die Lu&#x017F;t der edleren, theilte:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="46">
              <l>Glu&#x0364;cklicher! der es nicht weiß, wie &#x017F;ehr er es i&#x017F;t, dich ergreift noch</l><lb/>
              <l>Stets der Gedanken, es &#x017F;ey auf die&#x017F;er Erde des Elends</l><lb/>
              <l>Mehr, wie der Freude! Bald wird &#x017F;ich der Schmerz des tru&#x0364;ben</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Gedankens</hi> </l><lb/>
              <l>Lindern, vielmehr als lindern, wird dich auf immer verla&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">E 3</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Glu&#x0364;ck-</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0069] Siebzehnter Geſang. Die, in der Truͤbſal Stunde, ſogar auf Fromme ſich ſtuͤrzet, Druͤckte ſie nieder; ſie waren beynah ſchon uͤber dem Grabe, Neideswerth, wenn ein Chriſt dem Bruder es koͤnnte beneiden, Daß von dem Allbarmherzigen ihm der Begnadigung mehr ward. Silberfarben wallte der Mond, der Stern, ſein Gefaͤhrt, ſtand, Funkelt’ am weißlichen Himmel. Die frohe Verſammlung zerſtreute Sich aus den Lauben umher, und genoß des kuͤhlenden Abends. Von Geſpraͤch zu Geſpraͤch kam Dimnot, ein Pilger aus Samos, Endlich dahin, daß er ſagte zu dem, mit dem er, der neuen Freundſchaft erſtes Gefuͤhl, die Luſt der edleren, theilte: Ach du meynſt noch, der Tod vernichte! Muß denn das Saatkorn Nicht aufſchwellen, bevor es zum lebenden Keime ſich hebet? Muß die Wolke zur Nacht nicht werden, eh ſie in den ſchnellen, Zuͤckenden Blitz, in den Rufer Gottes, den Donner, ſich wandelt? Soll die hohe Seele den ſtets im ſterblichen Leibe Wohnen, des Daſeyns erſte Bahn auf immer betreten? Dieß nur ſagt’ er, und handelte ſchnell. Mit Strahlen umgeben, Stand er vor ſeinem Freund auf Einmal da, und erweckt’ ihn, Maͤchtig erſchuͤtternd, vom aͤngſtlichen Traum der geglaubten Vernichtung. Von Geſpraͤch zu Geſpraͤch kam Kerdith, ein Pilger vom Nilus, Endlich dahin, daß er ſagte, zu dem, mit dem er, der neuen Freundſchaft erſtes Gefuͤhl, die Luſt der edleren, theilte: Gluͤcklicher! der es nicht weiß, wie ſehr er es iſt, dich ergreift noch Stets der Gedanken, es ſey auf dieſer Erde des Elends Mehr, wie der Freude! Bald wird ſich der Schmerz des truͤben Gedankens Lindern, vielmehr als lindern, wird dich auf immer verlaſſen, Gluͤck- E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/69
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/69>, abgerufen am 05.12.2024.