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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

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Der Messias.
Selbst der Seelen leises Gebet, die mit Demuth von Ferne
Standen. Die Engel der Botschaft schwebten hinunter, und giengen
Unter den Schaaren umher, und sonderten! ... Stunde der Jubel,
Und der Thränen, (mehr waren der Jubel!) wo tönet die Harfe,
Welche von dir zu singen vermag? O rührt' ich die Harfe;
Sänge sie auch von den Thränen: und, wär ich gelehrt durch den
Engel,
Der mir hätte die Harfe gebracht; von dem künftigen Heil auch
Derer, die weinten, vielmehr, als weinten: belastet von Elend,
Wider die Vorsicht murr'ten, und, erblos im Reiche des Lichtes,
Wie sie wähnten, auf ewig nun, und von der Verzweiflung
Strom ergriffen, und Strudel gedreht und Sturm, sich empörten!

Jezo war die Sond'rung vollendet. Die Schaaren der Freyen
Stiegen verklärt aus der Tief' empor, und folgten den Engeln,
Die sie führten. Die Führenden waren zur weiten Wallfahrt
Durch die Welten umher, mit hellen Gürteln, als hätte
Sie die Morgenröthe gewebt, begürtet, und trugen
Goldene Stäbe, mit denen sie oft, wie sehr auch der Reise
Durch die Welten die Pilger sich sreuten, gen Himmel wiesen.
Als die letzte Schaar der Freyen die Tiefe verließ, kam
Schnelle Dämmerung, gieng noch schneller unter der erste
Jhrer Tage. Gehüllt in daurende Nacht, wie vormals,
Blieb, drey Erdewendungen lang, die Versammlung der Geister
Sprachlos stehn; an der vierten, erhoben sich etliche, giengen
Hin zu dem Feuersirom, und schöpften mit wankender Schale,
Wenig Schimmers, umher in den Klüften ihrer Genossen
Stäte zu suchen. Sie fanden der Stäten viele verlassen,
Wen-

Der Meſſias.
Selbſt der Seelen leiſes Gebet, die mit Demuth von Ferne
Standen. Die Engel der Botſchaft ſchwebten hinunter, und giengen
Unter den Schaaren umher, und ſonderten! … Stunde der Jubel,
Und der Thraͤnen, (mehr waren der Jubel!) wo toͤnet die Harfe,
Welche von dir zu ſingen vermag? O ruͤhrt’ ich die Harfe;
Saͤnge ſie auch von den Thraͤnen: und, waͤr ich gelehrt durch den
Engel,
Der mir haͤtte die Harfe gebracht; von dem kuͤnftigen Heil auch
Derer, die weinten, vielmehr, als weinten: belaſtet von Elend,
Wider die Vorſicht murr’ten, und, erblos im Reiche des Lichtes,
Wie ſie waͤhnten, auf ewig nun, und von der Verzweiflung
Strom ergriffen, und Strudel gedreht und Sturm, ſich empoͤrten!

Jezo war die Sond’rung vollendet. Die Schaaren der Freyen
Stiegen verklaͤrt aus der Tief’ empor, und folgten den Engeln,
Die ſie fuͤhrten. Die Fuͤhrenden waren zur weiten Wallfahrt
Durch die Welten umher, mit hellen Guͤrteln, als haͤtte
Sie die Morgenroͤthe gewebt, beguͤrtet, und trugen
Goldene Staͤbe, mit denen ſie oft, wie ſehr auch der Reiſe
Durch die Welten die Pilger ſich ſreuten, gen Himmel wieſen.
Als die letzte Schaar der Freyen die Tiefe verließ, kam
Schnelle Daͤmmerung, gieng noch ſchneller unter der erſte
Jhrer Tage. Gehuͤllt in daurende Nacht, wie vormals,
Blieb, drey Erdewendungen lang, die Verſammlung der Geiſter
Sprachlos ſtehn; an der vierten, erhoben ſich etliche, giengen
Hin zu dem Feuerſirom, und ſchoͤpften mit wankender Schale,
Wenig Schimmers, umher in den Kluͤften ihrer Genoſſen
Staͤte zu ſuchen. Sie fanden der Staͤten viele verlaſſen,
Wen-
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[60/0060] Der Meſſias. Selbſt der Seelen leiſes Gebet, die mit Demuth von Ferne Standen. Die Engel der Botſchaft ſchwebten hinunter, und giengen Unter den Schaaren umher, und ſonderten! … Stunde der Jubel, Und der Thraͤnen, (mehr waren der Jubel!) wo toͤnet die Harfe, Welche von dir zu ſingen vermag? O ruͤhrt’ ich die Harfe; Saͤnge ſie auch von den Thraͤnen: und, waͤr ich gelehrt durch den Engel, Der mir haͤtte die Harfe gebracht; von dem kuͤnftigen Heil auch Derer, die weinten, vielmehr, als weinten: belaſtet von Elend, Wider die Vorſicht murr’ten, und, erblos im Reiche des Lichtes, Wie ſie waͤhnten, auf ewig nun, und von der Verzweiflung Strom ergriffen, und Strudel gedreht und Sturm, ſich empoͤrten! Jezo war die Sond’rung vollendet. Die Schaaren der Freyen Stiegen verklaͤrt aus der Tief’ empor, und folgten den Engeln, Die ſie fuͤhrten. Die Fuͤhrenden waren zur weiten Wallfahrt Durch die Welten umher, mit hellen Guͤrteln, als haͤtte Sie die Morgenroͤthe gewebt, beguͤrtet, und trugen Goldene Staͤbe, mit denen ſie oft, wie ſehr auch der Reiſe Durch die Welten die Pilger ſich ſreuten, gen Himmel wieſen. Als die letzte Schaar der Freyen die Tiefe verließ, kam Schnelle Daͤmmerung, gieng noch ſchneller unter der erſte Jhrer Tage. Gehuͤllt in daurende Nacht, wie vormals, Blieb, drey Erdewendungen lang, die Verſammlung der Geiſter Sprachlos ſtehn; an der vierten, erhoben ſich etliche, giengen Hin zu dem Feuerſirom, und ſchoͤpften mit wankender Schale, Wenig Schimmers, umher in den Kluͤften ihrer Genoſſen Staͤte zu ſuchen. Sie fanden der Staͤten viele verlaſſen, Wen-

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/60>, abgerufen am 25.11.2024.