[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.Sechzehnter Gesang. Der den Blutigen führte ... Dem stillen Verläumder, daß diesemJeder schlangenzüngige Lästrer der Höll' entgegen Zische! Stürzet ihn, Engel, hinab in die unterste Hölle! Eilend kam ein Cherub herab aus der Ruhstat Gottes; Und wie die wehenden Locken ihm flogen, die Wangen ihm glühten, Sank er, vor Jesus Christus, dem Weltbeheirscher, zur Erde. Mitler, der Stern, dessen Hüter ich bin, erhebt zu dem Ziele Seiner Wandlung sich bald. Des hohen Sternes Bewohner Haben schon Vorempfindung von ihrem Schwunge zum Urlicht; Aber sie halten den Durst, aus seinen Strömen zu schöpfen, Kaum noch aus. Zwar ist ihr Gefühl der Seligen Gottes; Dennoch ist es Begnadung, wenn du sie früher hinaufführst! Darf ich Gethsemane rühren und seine Palmen; so zittern Wankender meine Pole, so sinken die Pfeiler der Tiefen Eh, und mit ihnen hinab die Paradiese des Sternes. Rühre Gethsemane, Ch'rub und seine Palmen. Der Engel Eilte dahin, das Gestirn, daß es fruher ende, zu rühren. Kermath kam sein Engel entgegen, und lächelt' ihm Liebe, Sagte: Du warst für die Menschen, mit denen du lebtest, zu edel, Guter Kermath. Das wars, daß sie dich verkannten, und haßten. Trockne sie nun die Zähren, die du, mit innigem Schmerze, Wegen dieser Verkennung in deiner Einsamkeit weintest. Komm, den Lohn zu empfahn, den diese Güte des Herzens, Diese Geduld dir erwarb. Blick auf! (er wies nach dem Sterne) Dort wirst du auf der ersten Stufe der Seligkeit stehen! Aber du steigst, die Ewigkeit durch, von Stufe zu Stufe, Jmmer von Helle zu Licht, von Freude zu Wonne!.. Sie schwebten Mit
Sechzehnter Geſang. Der den Blutigen fuͤhrte … Dem ſtillen Verlaͤumder, daß dieſemJeder ſchlangenzuͤngige Laͤſtrer der Hoͤll’ entgegen Ziſche! Stuͤrzet ihn, Engel, hinab in die unterſte Hoͤlle! Eilend kam ein Cherub herab aus der Ruhſtat Gottes; Und wie die wehenden Locken ihm flogen, die Wangen ihm gluͤhten, Sank er, vor Jeſus Chriſtus, dem Weltbeheirſcher, zur Erde. Mitler, der Stern, deſſen Huͤter ich bin, erhebt zu dem Ziele Seiner Wandlung ſich bald. Des hohen Sternes Bewohner Haben ſchon Vorempfindung von ihrem Schwunge zum Urlicht; Aber ſie halten den Durſt, aus ſeinen Stroͤmen zu ſchoͤpfen, Kaum noch aus. Zwar iſt ihr Gefuͤhl der Seligen Gottes; Dennoch iſt es Begnadung, wenn du ſie fruͤher hinauffuͤhrſt! Darf ich Gethſemane ruͤhren und ſeine Palmen; ſo zittern Wankender meine Pole, ſo ſinken die Pfeiler der Tiefen Eh, und mit ihnen hinab die Paradieſe des Sternes. Ruͤhre Gethſemane, Ch’rub und ſeine Palmen. Der Engel Eilte dahin, das Geſtirn, daß es fruher ende, zu ruͤhren. Kermath kam ſein Engel entgegen, und laͤchelt’ ihm Liebe, Sagte: Du warſt fuͤr die Menſchen, mit denen du lebteſt, zu edel, Guter Kermath. Das wars, daß ſie dich verkannten, und haßten. Trockne ſie nun die Zaͤhren, die du, mit innigem Schmerze, Wegen dieſer Verkennung in deiner Einſamkeit weinteſt. Komm, den Lohn zu empfahn, den dieſe Guͤte des Herzens, Dieſe Geduld dir erwarb. Blick auf! (er wies nach dem Sterne) Dort wirſt du auf der erſten Stufe der Seligkeit ſtehen! Aber du ſteigſt, die Ewigkeit durch, von Stufe zu Stufe, Jmmer von Helle zu Licht, von Freude zu Wonne!.. Sie ſchwebten Mit
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Sechzehnter Geſang.
Der den Blutigen fuͤhrte … Dem ſtillen Verlaͤumder, daß dieſem
Jeder ſchlangenzuͤngige Laͤſtrer der Hoͤll’ entgegen
Ziſche! Stuͤrzet ihn, Engel, hinab in die unterſte Hoͤlle!
Eilend kam ein Cherub herab aus der Ruhſtat Gottes;
Und wie die wehenden Locken ihm flogen, die Wangen ihm gluͤhten,
Sank er, vor Jeſus Chriſtus, dem Weltbeheirſcher, zur Erde.
Mitler, der Stern, deſſen Huͤter ich bin, erhebt zu dem Ziele
Seiner Wandlung ſich bald. Des hohen Sternes Bewohner
Haben ſchon Vorempfindung von ihrem Schwunge zum Urlicht;
Aber ſie halten den Durſt, aus ſeinen Stroͤmen zu ſchoͤpfen,
Kaum noch aus. Zwar iſt ihr Gefuͤhl der Seligen Gottes;
Dennoch iſt es Begnadung, wenn du ſie fruͤher hinauffuͤhrſt!
Darf ich Gethſemane ruͤhren und ſeine Palmen; ſo zittern
Wankender meine Pole, ſo ſinken die Pfeiler der Tiefen
Eh, und mit ihnen hinab die Paradieſe des Sternes.
Ruͤhre Gethſemane, Ch’rub und ſeine Palmen. Der Engel
Eilte dahin, das Geſtirn, daß es fruher ende, zu ruͤhren.
Kermath kam ſein Engel entgegen, und laͤchelt’ ihm Liebe,
Sagte: Du warſt fuͤr die Menſchen, mit denen du lebteſt, zu edel,
Guter Kermath. Das wars, daß ſie dich verkannten, und haßten.
Trockne ſie nun die Zaͤhren, die du, mit innigem Schmerze,
Wegen dieſer Verkennung in deiner Einſamkeit weinteſt.
Komm, den Lohn zu empfahn, den dieſe Guͤte des Herzens,
Dieſe Geduld dir erwarb. Blick auf! (er wies nach dem Sterne)
Dort wirſt du auf der erſten Stufe der Seligkeit ſtehen!
Aber du ſteigſt, die Ewigkeit durch, von Stufe zu Stufe,
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